Zu den Ländern, in denen die Europawahlen besondere Bedeutung hatten, gehört Italien. Salvini, der Führer der extremen Rechten, der sein Gewicht in der Regierungskoalition erhöht, gilt als europäischer Führer der Bewegung der extremen Rechten, die im EU-Parlament sitzen wird.
Diese erste Wahl nach den Parlamentswahlen, gewissermaßen ein „zweiter Wahlgang“, hat das Kräfteverhältnis zwischen der Lega und der M5S auf den Kopf gestellt. Er will den Erfolg seiner Liste bei den Europawahlen, die weit vor den anderen kommt, nützen, um seinen Vorsprung bei den Parlamentswahlen, die eventuell vorgezogen werden, zu vergrößern. Die Genossen der „Kommunistischen Plattform“ haben uns ihre Analyse der Europawahlen zugesandt. Wir veröffentlichen hier umfangreiche Auszüge:
„Salvini, der sich seinen Innenministersessel zunutze gemacht hat, um eine rassistische und chauvinistische Politik zu fördern, falsche Versprechungen zu machen und Angst zu schüren, ist es gelungen, die Stimmen von weiten Teilen des Kleinbürgertums und der vom Neoliberalismus und der Krise an die Wand gedrückten, von der bürgerlichen Linken im Stich gelassenen und von der M5S enttäuschten Arbeiter zu vereinnahmen.(…)
Andere Schichten des Proletariats unter den Arbeitern, die eine Beschäftigung haben, und den Arbeitslosen, besonders den vernünftigsten, kämpferischsten und fortschrittlichsten, haben sich dagegen massenhaft enthalten und haben so die Wahlbeteiligung auf 56% gedrückt (ein historisches Minimum) oder auch ungültig gestimmt (mehr als eine halbe Million ungültiger Stimmen).
Die abgegebenen Stimmen haben das Kräftegleichgewicht der Regierung klar von den Stimmen für M5S und FI (Forza Italia, die Partei Berlusconis) zur Lega verschoben. Die Lega wurde in zahlreichen Regionen und Provinzen, vor allem im Norden, stärker, obwohl, absolut gesehen, die Rechten und Faschisten insgesamt fast eine Million Stimmen weniger bekamen als vor 10 Jahren.
Die PD (Partido Democratico, aus der ehemaligen PCI hervorgegangen) gewann Punkte zurück und überholte die M5S, aber verlor im Übrigen in den Gebieten ihrer traditionellen Verankerung an Terrain. (…) Der liberal-reformistische Zingaretti (seit März 2019 Führer der PD) zielt gegenwärtig auf eine Erweiterung auf eine gemäßigte Mitte hin ab, die nicht mehr existiert.
Kraft ihres Wahlerfolgs wird die Partei Salvinis noch aggressiver und bedrohlicher, chauvinistischer und autoritärer, repressiver und arbeiterfeindlicher werden. Er wird seinen Wahlvorsprung nutzen, um geschwind das TAV-Projekt (Eisenbahn-Schnellverbindung Lyon-Turin), die differenzierte Autonomie *), die „flat tax“ für die Reichen, das Dekret „Sicherheit II“ zu verabschieden und die Migranten und Flüchtlinge abzuweisen. Wenn Di Maio (Führer der M5S und gegenwärtig mit Salvini Vizepremier), nachdem er lange Zeit Salvinis Komplize war, versucht, ihm Prügel zwischen die Beine zu werfen, wird der Gegenangriff unvermeidbar sein: Der Patron der Lega wird den „Regierungsvertrag“ aufkündigen, um sich an der Spitze einer ultrareaktionären Allianz, die von den Faschisten unterstützt wird, im Palazzo Chighi (Sitz der Regierung) niederzulassen.
Die Perspektive vorgezogener Parlamentswahlen zeichnet sich ab und die Zusammenstöße zwischen bürgerlichen und kleinbürgerlichen Kräften werden heftiger werden. Wir treten in eine Periode härterer politischer Konflikte auf dem Hintergrund der Verstärkung der Wirtschaftskrise ein.
Finanzkapital und Lega: eine organische Beziehung
Die reaktionärsten und aggressivsten Kreise des Großkapitals unterstützen die Lega. Sie benötigen den rechtsextremen Populismus im Versuch, den Niedergang des italienischen Imperialismus zu bremsen, um die herrschenden Gesellschaftsverhältnisse beizubehalten, die Ausbeutung zu intensivieren, Löhne und Arbeiterrechte zurückzufahren und die demokratischen Rechte abzuschaffen, um Hand an die Klassenorganisationen zu legen, (…) und um zu verhindern, dass der Protest der Arbeiter und der Volksmassen sich gegen die Grundpfeiler des Ausbeutungssystem richtet.
Auf internationaler Ebene wird die Partei Salvinis vom US-Imperialismus (der um jeden Preis seine Vorherrschaft über die geostrategische Plattform Italien behalten will), den Zionisten, den obskurantistischsten Kräfte des Vatikan sowie der Partei Putins (…) unterstützt. Sie ist also der Ausdruck der aggressivsten und reaktionärsten Strömungen des Imperialismus.
Die Lega ist mit ihrer bestialischen, chauvinistischen und rassistischen Ideologie, mit ihrer Politik der systematischen Spaltung des Proletariats, mit ihrem Programm zur Verteidigung der Interessen und Privilegien der Bosse, der Reichen und Parasiten ein ständiger Verbündeter des Finanzkapitals.(…)
*) Die Lega tritt für die Föderalisierung des Zentralstaates ein und die Übertragung von politischen Kompetenzen auf die Regionen Italiens.
Übersetzung aus „La Forge“ 06/2019, Zeitung der PCOF (Kommunistische Arbeiterpartei Frankreichs)