Der Skandal um die Bezahlung der von der Arbeit freigestellten Betriebsräte der großen deutschen Industrieunternehmen geht weiter. Am 12. Juni 2019 veröffentlichten jungeWelt und Handelsblatt Meldungen, dass bei VW mittlerweile die Staatsanwaltschaft auch gegen den bisher verschonten GBR – Vorsitzenden Bernd Osterloh ermittelt.
Jetzt mit Leserbrief
„…wegen des Verdachts von Verstößen gegen das Betriebsverfassungsgesetz leitete die Staatsanwaltschaft ein gesondertes Verfahren gegen Osterloh ein. Der Beschuldigte solle »am Zustandekommen der mutmaßlich unrechtmäßigen Vergütungsvereinbarung mitgewirkt haben«.
„… Ein Ermittlungsverfahren in dieser Sache leitete die Staatsanwaltschaft schon vor mehr als zwei Jahren ein. Zunächst richtete es sich gegen vier Manager aus dem VW-Konzern, die über die Vergütung von Betriebsräten entschieden haben. Unter anderem müssen sich Personalvorstand Karlheinz Blessing und sein Vorgänger Horst Neumann den Vorwurf der Untreue gefallen lassen.
Im Klartext: Die Gehälter von Osterloh und Co. waren so hoch, dass sie womöglich strafrechtlich als Veruntreuung von Unternehmensvermögen zu werten sind.“
Genau das war auch der Ansatz zu den Ermittlungsverfahren, die jetzt im Zusammenhang mit Porsche laufen, ebenfalls VW-Konzernunternehmen. (vgl.: https://www.arbeit-zukunft.de/2019/06/10/unmaessige-gehaelter-fuer-betriebsratsvorsitzende-sind-ein-skandal/ ) Weiter das Handelsblatt:
„Nachdem die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen aufgenommen hatte, kürzte VW die Vergütung Osterlohs und 14 weiterer Betriebsräte zunächst, um eine rechtssichere Lösung zu finden. Osterlohs Grundvergütung, die bei rund 200.000 Euro pro Jahr lag, plus Bonuszahlungen aber auf bis zu 750.000 Euro anwuchs, wurde zwischenzeitlich drastisch reduziert. Erst vor wenigen Wochen gab es in dieser umstrittenen Sache eine Einigung. …
Vor dem Arbeitsgericht Braunschweig schlossen VW und seine Arbeitnehmervertreter einen Vergleich. Das Ergebnis: Die Betriebsräte erhalten wieder volle Bezüge. …“
Es langt!
Solche Betriebsräte brauchen wir nicht.
Entweder sind sie nur gierig und kriegen den Hals – und ihre eigene Tasche – nicht voll genug.
Solche egoistisch auf den eigenen Vorteil bedachten Betriebsräte brauchen wir nicht! Wir brauchen Betriebsräte, die sich an erster Stelle für uns, für ihre Wähler mit aller Kraft einsetzen und alles unternehmen, um Schaden von uns abzuwenden.
Oder aber – solche Betriebsräte lassen sich von den Kapitalisten kaufen. Die brauchen wir erst recht nicht.
In den nächsten Jahren stehen in allen Industriezweigen, besonders in der Metallindustrie massive Veränderungen für alle Beschäftigten an. Wir brauchen ehrliche, unbestechliche, kämpferische Kolleginnen und Kollegen in den Betriebsräten. Wir brauchen Betriebsräte, die zusammen mit uns, mit den Belegschaften den Widerstand gegen die Angriffe des Kapitals organisieren. Wir brauchen kämpferische Betriebsräte, die einen klaren Trennungsstrich zu jeder Form von Sozialpartnerschaft und Klassenzusammenarbeit ziehen.
Solche Betriebsräte können aber nur ehrlich und glaubhaft arbeiten, wenn an ihnen nicht der geringste Verdacht von Vorteilsannahme oder Bestechlichkeit haftet.
Jede von der Arbeit freigestellte Betriebsrätin und jeder freigestellte Betriebsrat soll korrekt bezahlt werden. Das heißt, sie werden gegenüber ihrer bisherigen Bezahlung nicht benachteiligt, aber auch nicht bevorzugt. Sie bekommen Lohn-, bzw. Gehaltserhöhung, wenn für uns alle ein besserer Tarifvertrag gilt. Sie werden höhergruppiert, wenn die Kolleginnen und Kollegen ihrer bisherigen Abteilung ebenfalls höhergruppiert werden. Wir wollen nicht, dass unsere Betriebsräte finanziell bestraft werden, dass sie weniger verdienen als bisher, nur weil sie sich für uns, die Belegschaft einsetzen.
Wir wollen allerdings auch keine Bevorzugung, nur weil eine Kollegin, oder ein Kollege ein von der Arbeit freigestellter Betriebsrat ist.
Es gibt genug Neoliberale, genug Gewerkschaftsfeinde, die die aktuellen Fälle benutzen werden, um gegen kämpferische, klassenbewusste Betriebsräte vorzugehen. Die ersten Gesetzentwürfe zur Entmachtung der Betriebsräte und zur „Stärkung der Kapitalseite“ liegen schon in den Schubladen von FDP und AfD bereit. Sie werden uns in den nächsten Monaten in den üblichen, unsäglichen Talkshows um die Ohren gehauen werden.
Wenn wir einer weiteren Stärkung der Kapitalistenklasse nicht wehrlos gegenüberstehen wollen, gibt es jetzt nur eins:
Offenheit und Ehrlichkeit!
Jetzt müssen alle Betriebsrätinnen und Betriebsräte ihre Lohn- und Gehaltsabrechnung auf den Tisch legen! Wer nichts zu verbergen hat, kann das, muss das jetzt tun!
Vorschlag!
Dem Vorstand der IG Metall machen wir einen konstruktiven Vorschlag zur Stärkung der Kampfkraft. Das sollte auch in Vertrauenskörpern, gewerkschaftlichen Mitgliederversammlungen und sonstigen Gewerkschaftsgremien zum Thema gemacht werden:
Bis zum IG Metall Gewerkschaftstag im Oktober in Nürnberg erhebt die IG Metall in allen Betrieben, von allen gewählten Betriebsräten, die IG Metall Mitglied sind, die konkreten Lohn- und Gehaltsdaten. Diese werden auf dem Gewerkschaftstag der IG Metall in Nürnberg veröffentlicht.
IG Metall Betriebsräte sind unbestechlich und lassen sich NICHT kaufen!
Und das Thema „Offenheit und Ehrlichkeit“ muss ab sofort zu einem Thema auf den kommenden Betriebsversammlungen werden. Unsere Stärke ist die Verlässlichkeit und das Vertrauen in diejenigen, die unsere Vertreter sind.
Vom Vorstand der IG Metall erwarteten wir Unterstützung.
AZ wird darüber berichten.
hm
Leserbrief:
Zu den AZ – Artikeln: „Unmäßige Gehälter für Betriebsratsvorsitzende sind ein Skandal!“ und „ … wie nicht anders zu erwarten … nochmal zu Betriebsrätegehältern!“
Beide Texte gehen in Ordnung, allerdings entsteht unter Umständen auch ein falsches Bild:
Es gibt sehr viele Betriebsräte und Betriebsratsvorsitzende, die sich nicht an solchen Machenschaften beteiligen, die ehrlich und konsequent mit den Belegschaften, die sie gewählt haben gegen die Angriffe der betrieblichen Kapitalvertreter einen zähen, aufreibenden Kleinkrieg führen. Dies ist schwierig und oft mit betrieblichen und öffentlichen Verleumdungen und Angriffen verbunden. Brecht, Osterloh, Lück und Co. fallen diesen Kolleginnen und Kollegen in den Rücken, sie schaden der Einheit, die zwingende Voraussetzung für betriebliche Erfolge ist.
Ich erinnere mich, in der Tagespresse einen Artikel gelesen zu haben, in dem das Einkommen des VW Gesamtbetriebsratsvorsitzenden Osterloh (700.000 Euro) thematisiert wurde. Dazu gab es eine Erklärung der IG Metall. Die Entlohnung war juristisch überprüft worden und man hat keine Fehlerhaftigkeit erkannt.
Dies ist typisch für den IG Metall-Vorstand. Juristische Beurteilung eines Vorgangs, anstatt dessen politische Haltlosigkeit zu verurteilen.
Gleiche Vorgehensweise wie 1993, als der IG Metall Vorsitzende Franz Steinkühler, nachdem er seine Position als Aufsichtsratsmitglied der Daimler Benz AG für Insidergeschäfte mit Aktien missbrauchte, zurücktreten musste.
Gleiche Vorgehensweise wie 2001 bei der Zustimmung des IG Metall Vorsitzenden Zwickel zur 60 Mio DM Abfindung an Esser, den Vorstandsvorsitzenden von Mannesmann (Vodafone).
Beides Mal – Juristische Beurteilung und Verharmlosung des Verhaltens von Spitzenfunktionären, anstatt die politische Haltlosigkeit zu verurteilen.
Das muss aufhören!
Ein Metaller aus dem Rhein-Main Gebiet