Der Chemie-Riese Monsanto hat es 1929 auf den Markt gebracht, das Wundermittel PCB für die Bau-Industrie, die Transformatoren-Hersteller, den Bergbau… Monsanto weiß seit 1937 von seiner Giftigkeit. Es ist eine Gruppe von insgesamt 209 verschiedenen chlorierten Biphenylen – von Monsanto künstlich hergestellt, feuerfest, isolierend, wasserabstoßend, fettlöslich… kurz: ein Segen für die Wirtschaft! Richtiger jedoch: Ein kurzer Segen für die Wirtschaft und eine Katastrophe für die Umwelt, denn: Inzwischen weiß man, dass es hochgiftig ist für die Tierwelt inklusive Mensch. Die PCBs gehören zum “dreckigen Dutzend”, den 12 giftigsten Stoffgruppen der Welt, sie werden für zahlreiche verschiedene Erkrankungen verantwortlich gemacht.
Bei einer Erkältung ist das einfach: “Drei Tage kommt sie, drei Tage bleibt sie, drei Tage geht sie” und nach etwa 9 Tagen haben wir sie also überstanden. Bei den PCBs ist das leider anders: Die Moleküle kommen, ohne dass wir es merken; sie lagern sich im Fettgewebe ab, ihre Konzentration wird immer höher und mit dem für den Energiebedarf der Körperorgane durch das Blut transportierten Fett gelangen die PCBs zu verschiedenen Organen und führen langfristig zu schweren gesundheitlichen Schädigungen bis hin zum Tod, der dann z.B. als “Krebs” diagnostiziert wird und für gewöhnlich auf andere Ursachen wie Rauchen zurückgeführt wird. Die PCBs sind inzwischen weltweit verbreitet und jede(r) von uns ist in seinem Fettgewebe und Blut mit ihnen belastet. Ob, wann und wie ihre schädigende Wirkung einsetzt, kann niemand vorhersagen – und wenn sie eintritt, kann bisher auch niemand nachweisen, dass sie auf PCB zurückzuführen ist – zu allgemein sind die Symptome, nur bei Chlor-Akne ist es eindeutig: PCB!
Die 209 verschiedenen PCBs wirken alle unterschiedlich, sie unterscheiden sich von einander durch die Anzahl der künstlich (!) angelagerten Chlor-Atome und deren Anordnung. Da sie künstlich hergestellt wurden, gibt es in der Natur keine sie abbauenden Organismen, sie haben eine sehr lange Halbwertszeit. Das ist die Zeit, in der die Hälfte der Moleküle zerfallen oder abgebaut ist – meist viele Jahre. Besonders lang ist die Halbwertszeit bei den “hohen” PCBs mit mehreren Chlor-Atomen. Bei den meisten 209 verschiedenen PCBs weiß man über die Schäden noch nicht genau Bescheid – und man weiß auch kaum etwas über mögliche Wirkungen der Zerfallsprodukte der PCBs. Aber was man weiß, reichte aus, um die Herstellung und den Verkauf von PCBs weltweit zu verbieten. Der 2. Weltkrieg ist beendet, doch die Blindgänger sind immer noch eine Gefahr. Die PCB-Produktion ist beendet, doch die PCB-Belastung in den Gebäuden…
In Deutschland wurden etwa ab den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts zehntausende Gebäude gebaut, in denen PCB verwendet wurde in Lacken, für die Fugen, für Dämmplatten u.a. – es sollen 24.000 Tonnen verbaut worden sein und mehr als die Hälfte des Giftes soll heute – etwa 30 Jahre nach dem Verbot – noch in den Gebäuden (Schulen, Universitätsgebäude, Verwaltungsgebäude, aber auch Wohnhäuser) sein.
Eine der betroffenen Schulen ist die Zollberg-Realschule in Esslingen. Hier sind im Hauptgebäude die PCB-Werte in den Klassen weit (!) über den zulässigen Grenzwerten, so dass ein zwingender Handlungsbedarf besteht: Das Hauptgebäude muss vollständig saniert oder gar abgerissen werden. Vorgesehen ist, etwa 70 Container-Klassenräume aufzustellen. Zumindest bis dahin wurde empfohlen (und umgesetzt !), als Sofortmaßnahme alle 20 Minuten eine “Stoßlüftung” durchzuführen und ohne Rücksicht auf das Wetter alle Fenster und Türen zu öffnen. Eltern, die forderten, die Kinder in anderen Räumlichkeiten zu unterrichten, konnten sich nicht durchsetzen. Die “Stoßlüftung” führte offenbar zu vermehrten Erkältungen bei Schülern und Lehrern, aber durch sie wurde die PCB-Konzentration in den Klassenräumen etwas gesenkt: Sie betrug nun nur noch das 2-5fache des vorgeschriebenen Grenzwertes! Das Landesgesundheitsamt kam zu der Einschätzung: “Es besteht keine akute Gesundheitsgefahr.” Das ist zynisch, denn eventuelle Folgen des eingeatmeten PCBs zeigen sich tatsächlich erst in einigen Jahren; dann leben die Betroffenen vielleicht in einer ganz anderen Stadt und fallen nicht mehr in die Statistik der Stadt Esslingen.
Woher bekommen die Container-Räume eigentlich ihr Mobiliar? Das des infizierten Hauptgebäudes kann nicht verwendet werden, denn das ist ebenfalls verseucht. Das PCB aus den Fugen, den Dämmplatten usw. gast nämlich aus und dringt sowohl in das Mauerwerk, den Beton, die Tische und Bänke ein. Bei hoher Temperatur (Sommer, Winterheizung) geht das schneller als bei niedriger und aus der so versifften Klassenzimmer-Einrichtung gast das PCB ebenfalls aus und wird von den Kindern eingeatmet…
Kurzer Ortswechsel: Für die Fugen zahlreicher vor etwa 50 Jahren errichteter Plattenbauten wurde ebenfalls PCB verwendet. Es gast auch heute noch ebenfalls aus in die Umgebung des Gebäudes, haftet an kleinen Luftpartikeln. wird vom Wind weitergetragen, vom Regen in den Boden gespült, ins Grundwasser, in die Flüsse – mit dem Ergebnis, dass überall auf der Erde eine PCB-Belastung besteht. Jeder von uns hat PCB in seinem Körper, aufgenommen auch mit der Nahrung.
Zurück nach Esslingen: was passiert eigentlich mit den PCB-Molekülen, die durch die “Stoßlüftung” des Raumes verwiesen werden? Lösen sie sich “in Luft” auf? Natürlich nicht, sondern sie schließen sich der PCB-Dunstwolke an, die aus den Wänden der oben genannten Gebäude entweicht, tragen also zur weiteren weltweiten Verbreitung der PCBs bei und zur Umweltzerstörung – wahrlich eine sinnvolle Sofortmaßnahme!
Was ist übrigens mit den “Grenzwerten”? In Deutschland legte das Umweltbundesamt Berlin in seinen Richtlinien 1994 fest, dass Räume mit weniger als 300 Nanogramm (ng) pro Kubikmeter unbedenklich seien, in Räumen mit 300 bis 3000 ng die Belastung gering sei und “mittelfristig beseitigt” werden solle und in Räume mit mehr als 3000 ng pro Kubikmeter sofort. Und wie ist das in Esslingen (und anderswo) ? Einzelne Räumlichkeiten wurden exemplarisch untersucht; auf einem Flur lag der Wert bei etwas über 400 ng, in untersuchten Räumen (wo sich die Menschen länger aufhalten) bei bis zu 1136 ng.
Die WHO (Welt-Gesundheits-Organisation) hat übrigens im Jahr 2003 den Unbedenklichkeitswert von 300 ng herabgesetzt auf 60 ng – neue wissenschaftliche Forschungen hatten das notwendig gemacht. Im Jahr 2015 wurde von einer nicht zuständigen Abteilung des Umweltbundesamtes gefordert, die hier noch gültigen Werte des Jahres 1994 ebenfalls herabzusetzen, allerdings ohne Erfolg. Die zuständigen Behörden halten sich trotz neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse weiter an die bestehenden überholten Richtlinien. Die PCB-Moleküle tun das nicht, aber die können ja auch nicht lesen…
Der Toxikologe Hans Ulrich Hill fordert: “Die PCB-Belastung muss eigentlich in Schulen auf Null heruntergedrückt werden.” Denn die Gehirnentwicklung wird vor allem bei Jugendlichen durch PCB beeinträchtigt. Und eine Mutter aus Ludwigsburg fragt: “Warum ist 700 gering ? Warum ist nicht Null gering?” Leider geht das nicht – dafür haben gewisse Menschen von Monsanto, Bayer und anderen Firmen gesorgt durch die Verseuchung der Erde – übrigens: Bayer verdient jetzt an der Sanierung, natürlich nur da, wo sich das jemand leisten kann. Die unbekannte Zahl PCB-belasteter Wohnungen – “das kostet einen Haufen Geld, das Geld hat die Kommune nicht.” Außerdem spielen sich Bund, Länder und Kommunen den Ball über die Folgekosten von Sanierungen seit langem gegenseitig zu – und so lange sie spielen, wird “stoßgelüftet”, was ja nichts kostet?
Wir empfehlen die Dokumentation des SWR aus der Reihe “betrifft”: “Das vergessene Gift”, gesendet im Herbst 2018 und zu finden bei youtube.
Hier noch ein Link zu einer Initiative an der Zollberg-Realschule in Esslingen http://fairplay-schule.de/.