Demonstration in Kiel: Pflege am Limit – Pflegenotstand – Pflegeaufstand!


Des Kapitals Lieblingskind droht zu kollabieren
Von Kiki Rebell
Mit Flugblatt zum Download: pflegeaufstand


Am Samstag, dem 11. Mai 2019 fand in Kiel eine beeindruckende Demonstration gegen den deutschen Pflegenotstand statt. Unter den Forderungen „Mehr Personal für Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen!“ und „Bedarfsgerechte Versorgung für ALLE statt Profite für WENIGE!“ rief die Gewerkschaft ver.di zum Protest auf dem »Platz der Kieler Matrosen« vor dem Kieler Hauptbahnhof auf und 600 Menschen kamen und zeigten ihren Unmut.


Nico
Wickleder, Jugendsekretär des Landesbezirkes Nord von ver.di sagte: „In den Krankenhäusern und Altenpflegeeinrichtungen fehlt Personal. Patienten/-innen, Bewohner/innen und Angehörige leiden darunter. Die Beschäftigten haben ihre Belastungsgrenzen längst überschritten. Betroffen sind alle Bereiche wie Pflege, Therapie, Betreuung, Reinigung oder Hauswirtschaft. Alleine in der Kranken- und Altenpflege fehlen weit über 100.000 Stellen. Die Folgen: Trotz des großen Einsatzes der Beschäftigten kommt es zu Pflegefehlern, erhöhtem Sterberisiko und Hygienemängeln. Unwürdige Situationen sind für Patienten/innen, Bewohner/innen und Angehörige in Kliniken und Pflegeeinrichtungen alltäglich geworden. In der ambulanten Pflege müssen Pflegedienste Anfragen ablehnen, weil Personal fehlt.“


Da uns, den Freunden und Sympathisanten/-innen von Arbeit-Zukunft die Forderungen und Feststellungen von ver.di nicht ausreichend erschienen, haben wir wir ein Flugi erstellt (hier zum Download pflegeaufstand), wovon wir 250 Stück verteilten. Darin heißt es:

In den Krankenhäusern und Altenpflegeeinrichtungen fehlt es massiv an Personal und die Beschäftigten haben ihre Belastungsgrenzen längst überschritten. Alleine in der Kranken- und Altenpflege fehlen nach Angaben von ver.di bundesweit über 100.000 Stellen. Die tägliche Arbeitshetze verursacht Stress und Krankheiten. Spätestens nach zwei Jahren im Beruf ist der Grundgedanke, Menschen helfen zu wollen, bei vielen Kollegen/-innen schon vernichtet – die ersten „flüchten“ bereits während oder kurz nach der Ausbildung. Das alles ist den Schwestern und Pflegern, die bleiben, bekannt und dennoch treten sie je- den Tag wieder zum Dienst an.

Das Geschäft mit der Pflege

Spekulanten, Verbrecher und Gangster haben sich das Geschäftsmodell Pflege zur Beute gemacht und die Betreiber langen kräftig zu. Der Staat hat komplett versagt. Die sogenannte Daseinsfürsorge im Pflegefall gibt es schon lange nicht mehr, obwohl man immer noch so tut, als ob. Den „fürsorgenden Staat“ gibt es nur für die 709 Abgeordneten des Bundestages. Sie können, im Gegensatz zu denen, die hier an einem konkreten Beispiel „zu Wort“ kommen, fürsorglich leben.
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Zuneigung muss bezahlt werden

Die Angehörigen und Patienten sind diesem System meist ausgeliefert und sind oft mit all der z. T. überflüssigen Bürokratie überfordert und deswegen dringend auf Hilfe angewiesen. Die Angehörigen greifen nach dem erstbesten „Strohhalm“ um die Situation zu entschärfen. Natürlich wollen sie ihre Eltern nicht abschieben, aber ihre Lebens- und Arbeitssituation lässt oftmals keine andere Möglichkeit zu. Der Pflege- bedürftige oder die Angehörigen müssen tief ins Portemonnaie greifen, wenn sie in solch einer Einrichtung gewollt oder auch ungewollt landen.
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Immer mehr Private

Waren Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen größtenteils bis in den 90er Jahren noch in Trägerschaft der öffentlichen Hand, so befinden sie sich jetzt mehrheitlich, nämlich bereits zu über 52%, in den Krallen privater Investoren. In Schleswig-Holstein lag der Anteil Privater im Jahr 2016 schon bei 73%. Zurzeit kommen jeden Monat bundesweit 70 bis 80 neue Einrichtungen dazu. Offenbar lohnt es sich zu investieren. Galten bislang noch Atomkraftwerke als wahre Gelddruckmaschinen, so sind es jetzt Pflegeheime und ambulante Pflegedienste. Längst sind auf diesem Sektor große Konzerne entstanden mit der Tendenz zur Monopolbildung.
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Jens Spahn und das Kalte Herz

Der 38-jährige CDU-Rechtsaußen Jens Spahn, der als Minister die Fäden im Gesundheitswesen in den Händen hält, ist ein verlässlicher Partner der Wirtschaft. Dank seiner Arbeit und der seiner Vorgänger aus CDU, FDP und SPD ist das Gesundheitswesen eines der profitabelsten im Lande. Bei guter Pflege durch den Minister dürften die Profite der einschlägigen Unternehmen bis hin zum Betreiber eines kleinen Altenpflegeheims durch die Decke schießen.

Deshalb darf sich der Kampf der Kollegen/-innen aus dem Gesundheitswesen auch nicht allein auf tarifliche Forderungen beschränken. Die Personalknappheit, die Ausbeutung und das Herausquetschen der letzten Arbeitskraft aus den Kollegen/innen bei minimaler Bezahlung, ist gewollt! Es gehört zum System, das sich Kapitalismus nennt und dient allein der Kapitalvermehrung der Bosse, Inhaber und Aktionäre der Einrichtungen.

Nur politische und grundlegende Forderungen wie die Rekommunalisierung von Krankenhäusern und Alteneinrichtungen oder letztendlich die Übernahme der Einrichtungen durch die Beschäftigten selbst können grundlegende Veränderungen schaffen. Dafür müssen auch die Gewerkschaften eintreten.

Die bisherigen von der Politik beschlossenen Maßnahmen reichen nicht aus, sie gießen den gewollten Personalnotstand nur in neue Gesetzesformen. Was wir brauchen sind einschneidende Veränderungen, die die Arbeitsbedingungen der Pflegekräfte erheblich verbessern und den Patienten und Angehörigen eine ausreichende und würdige Pflege und Betreuung garantieren.
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Wir fordern:

  • Mehr Personal für Krankenhäuser und Altenpflege!

  • Ein solidarisches Gesundheitssystem für alle Menschen, nicht für Profiteure!

Wir brauchen:

  • Einen bundeseinheitlichen Personalschlüssel, der an den Bedürfnissen der zu Pflegenden orientiert ist

  • Angemessene Bezahlung, d.h. mindestens 30% mehr

  • Ein 13. Monatsgehalt

  • Angemessene Zuschläge für Nacht- und Wochenenddienste

  • 30 Tage Urlaub im Jahr

  • 35 Stunden-Woche (bei 5 Arbeitstagen)“