„Ich bin sehr stolz, dass die Schülervertretungen es geschafft haben, so eine tolle Veranstaltung auf die Beine zu stellen, einfach mal zu sagen, wie junge Leute das Thema sehen – denn sie sind betroffen. Es ist eine riesige Herausforderung für unsere Gesellschaft und ich finde es falsch, das Disziplinarrecht, das Schulrecht zu bemühen – hier wäre ein Wandertag für die Schüler vielleicht die richtige Idee gewesen“, so Werner Arndt, der Bürgermeister von Marl in einem Interview – etwa 300 vor allem Jugendliche hatten an diesem Freitag „geschwänzt“.
Wir kennen nicht viele Politiker, die so deutlich die Jugendlichen unterstützen und ihnen sogar zu helfen versuchen, wie sie Strafmaßnahmen vermeiden können. Landesregierungen bzw. entsprechende Ministerien sehen eine solche Gestaltung der Freitage als Verstoß gegen die Schulpflicht an, in NRW droht die Obrigkeit mit Sanktionen: Strafen bis zu 1000 € für die Eltern, „zwangsweise Zuführung“ zum Unterricht. Und der FDP-Fraktionsvorsitzende in Recklinghausen, Udo Schmidt, wird in der Lokalzeitung mit den Worten zitiert: „Wenn jemand zu einem Gesetzesverstoß aufruft, dann hört es bei mir auf.“ Gemeint sind hier Aufrufe von Jugendlichen (!) an ihre Mitmenschen, sich an geplanten Aktionen während der Unterrichtszeit zu beteiligen – für uns ein eindeutiger Versuch, die Fridays-Aktivisten zu kriminalisieren.
Was steckt eigentlich hinter der im Gesetz verankerten „Schulpflicht“? Nun, auf keinen Fall die Pflicht, ihr im Schulgebäude nachzukommen. Das ist z.B. im Fach „Sport“ für viele Schulen gar nicht möglich, da sie über keinen Sportplatz, keine Turnhalle oder kein Schwimmbad verfügen – die Klassen müssen (!) für den Unterricht das Schulgelände verlassen und z.B. das Gelände eines Sportvereins nutzen. Außerdem gibt es für zahlreiche Fächer die Möglichkeit, das Schulgelände für einen „Unterrichtsgang“ zu verlassen: Biologie, Kunst, Geschichte, Sozialwissenschaften, Politik, Erdkunde… Die „Lehrkraft“ muss nur das Sekretariat darüber informieren, dass die Klasse 9 b heute in der 3. und 4. Stunde nicht in Raum … ist sondern z.B. im Park zur Beobachtung von… Mehr ist formal nicht nötig.
Es mag in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich sein, aber es gibt z.B. auch die Möglichkeit des Projektunterrichts – der kann Stunden umfassen oder auch 1-5 Tage. Dabei wird ein bestimmtes Thema in allen Fächern gleichzeitig unter verschiedenen Gesichtspunkten behandelt. Solche Unterrichtsformen sind in den „Richtlinien“ ausdrücklich vorgesehen und erwünscht, sie sind auch in viele Schulprogramme aufgenommen. Für gewöhnlich endet so ein Unterrichtsprojekt mit dem öffentlichen Vorstellen dessen, was die Schülerinnen und Schüler in dieser Zeit erarbeitet haben – und die sind dann stolz auf das Erarbeitete.
Hier bietet sich das Thema „Umwelt“ geradezu an. Uns fällt kein Fach ein, in dem dazu nicht etwas im Unterricht erarbeitet werden könnte. Erdkunde, Biologie, Chemie, Physik sind selbstverständlich, aber auch SoWi, Politik – ja, sogar im Sprachunterricht bieten sich Texte an, für Musik gibt es zahlreiche Lieder auch in verschiedenen Sprachen – und den Schülerinnen und Schülern fällt im Kunst-Unterricht sicher etwas ein zum Thema Umwelt – über das, was sie dabei bewegt, könnte man dann wiederum diskutieren. WENN MAN WILL! Ach ja, alles nur Schwänzen und Blaumachen!
An einer Reihe von Schulen wird das erfreulicherweise auch schon so gehandhabt wie oben angedeutet. Von den Initiatoren der „Fridays-for-Future“-Bewegung ist übrigens gar nicht beabsichtigt, dass an jeder Schule an jedem Freitag „gegen die Schulpflicht verstoßen“ wird. Ihr Ziel ist es, dass an jedem Freitag – möglichst auch in den Ferien! – weltweit Aktionen stattfinden, durchaus an unterschiedlichen Schulen – in dieser Woche in Flensburg, Saarbrücken…, in der nächsten in Freiburg im Breisgau, in Magdeburg, Mainz…
Dieses Konzept halten wir für gut, es „nutzt sich nicht so schnell ab“ und es ist bisher eindeutig erfolgreich.
Wir freuen uns über all die Jugendlichen, die sich bisher durch angedrohte Strafmaßnahmen nicht von einer sinnvollen Gestaltung der Fridays haben abhalten lassen – jede Schule sollte stolz auf sie sein. Wir haben aber darauf hingewiesen, dass ihre Aktionen durchaus legal sind, wenn…
Schülerinnen und Schüler einer Klasse können ihre SV damit beauftragen, einen solchen Projektunterricht bei der Schulleitung zu beantragen. Wenn (!) die dazu bereit ist, müsste die zeitliche Planung natürlich so sein, dass wichtige Termine (Klausuren usw.) möglichst nicht behindert werden. Es hätte den Vorteil, dass dann alle Schülerinnen und Schüler einbezogen werden (und alle Lehrer !), auch die Egalos und die, die sich nicht trauen – sicherlich werden von denen zumindest einige etwas wacher!
Uns sind Beispiele (Mehrzahl !) bekannt, an denen die Schulleitung etwa so argumentierte: „Wenn die Schüler Interesse haben, dann machen wir etwas dazu.“ Ach nein – ist es nicht die Aufgabe der Schulleitung, der Unterrichtenden, dieses Interesse bei den Jugendlichen zu wecken? Sind sie als angehende Pädagogen dazu nicht in den Bezirks-Seminaren ausgebildet worden? Versuchte man dort nicht zumindest, ihnen beizubringen, wie sie den Einstieg in eine Unterrichtsstunde gestalten, um das Interesse der Jugendlichen für das Stundenthema zu wecken? Und da dreht dann ein Direktor, eine Direktorin Däumchen und sagt: „Wenn die Schüler wollen…“? Wir glauben, wir werden alle unsere Kinder an so einer Schule anmelden!
Die nächsten geplanten „überregionalen“ Freitage sind übrigens – zumindest in NRW – der 26. April und der 24. Mai. Der April-Termin fällt in die Ferien – für den Mai-Termin empfehlen wir allen betreffenden Schulleitern: Ausgänge verbarrikadieren und verminen!