Als 2017 Bundestagswahlen anstanden entdeckte der SPD-Spitzenkandidat Martin Schulz auf einmal das Thema „soziale Gerechtigkeit“. Er forderte einen „Pakt für anständige Löhne, die Abschaffung von sachgrundlosen Befristungen und weniger prekäre Beschäftigungsverhältnisse“. Dafür hätte die SPD natürlich als Regierungspartei schon länger kämpfen können. Aber irgendwie „entdeckte“ sie die „soziale Gerechtigkeit“ eben erst zu den Wahlen.
Und nach den Wahlen? Im Koalitionsvertrag findet sich nichts von diesen Versprechungen.
Und nun läuft es wieder so. In diesem Jahr gibt es wichtige Landtagswahlen, in zwei Jahren eine Bundestagswahl. Die SPD sinkt in den Umfragewerten beständig. Da „entdeckt“ die SPD-Führung um Andrea Nahles das Thema „soziale Gerechtigkeit“. Andrea Nahles war immerhin von 2013 bis 2017 Bundesministerin für Arbeit und Soziales. Da hätte sie einiges tun können. Doch davon ist nichts bekannt. Und ihr Nachfolger als Bundesministerin für Arbeit und Soziales, Hubertus Heil, war in der Zeit von Schröders Agenda-Reformen SPD-Generalsekretär. Er hat also aktiv an diesem radikalen Sozialabbau mitgearbeitet. Wie glaubwürdig sind solche Leute?
Wie sieht es nun dieses Mal aus?
Zunächst einmal nennt die SPD ihr Projekt selber „Sozialstaatsreform 2025“! Das ist vielsagend. Das Motto ist wohl: „Morgen, morgen, nur nicht heute, sagen alle faulen Leute.“ Allerdings liegt es diesmal nicht an der Faulheit, sondern es ist wohl Absicht, die Wahlversprechen für 2021 auf 2025 zu verschieben, wenn die Wahlperiode schon wieder vorbei ist.
Kernpunkt ist eine Etikettenänderung: Hartz IV, offiziell Arbeitslosengeld II soll fortan „Bürgergeld“ heißen. Das hört sich schöner an, aber der Betrag soll gleich bleiben. Die Begründung im Original-Ton von Nahles:
„Wir haben auch eine Verantwortung gegenüber den Menschen, die für wenig Geld jeden Tag zur Arbeit gehen. Wenn wir denen das Gefühl geben, dass sich ihr Einsatz finanziell nicht mehr lohnt, zerstören wir jede Motivation…“
Merkwürdig! Denn gleichzeitig hat die SPD 12 Euro Mindestlohn in ihren Wahlkampfforderungen. Offensichtlich gehen sie selbst davon aus, dass es bei Billiglöhnen und prekären Arbeitsverhältnissen bleibt. Und dann soll das tolle „Bürgergeld“ natürlich niedrig bleiben, damit es sich „lohnt“ für Niedriglöhne zu schuften.
Mit ein wenig Kosmetik sollen Details des Hartz IV-Systems geändert werden: Weniger Sanktionen, aber keine Abschaffung von Sanktionen, die die Betroffenen unter das Existenzminimum drücken. Die Menschen sollen weiterhin unter Druck gesetzt und zu Arbeit gezwungen werden, von der sie kaum leben können.
Bei Kolleg/innen, die viele Jahre in die Arbeitslosenversicherung einbezahlt haben, soll der Bezug von Arbeitslosengeld I statt wie bisher 18 und 24 Monate auf bis zu 33 Monate verlängert werden. Für 2 Jahre soll Vermögen nicht angerechnet werden. Das wäre für viele Kolleg/innen real eine kleine Verbesserung, die den raschen Absturz in Armut etwas abbremst. Aber es sind eben Wahlversprechen.
Auch als Teil ihrer Wahlpropaganda ist das „Grundrentenkonzept“ des Bundesministers für Arbeit und Soziales, Hubertus Heil, einzuordnen. Er will eine „Grundrente“ von ungefähr 900 Euro, in Einzelfällen bis zu 960 Euro. Allerdings sollen nur Menschen dies erhalten, die 35 Jahre in die Rentenkasse eingezahlt haben. Das erreichen angesichts prekärer Arbeitsverhältnisse (Leiharbeit, befristete Jobs usw.) viele heute nicht mehr. Laut Heil sind aber rund 3-4 Millionen Rentner bereits von seinem Konzept betroffen. Wie viele gibt es dann, denen es noch schlechter geht? Und warum wird nicht über unverschämt niedrige Löhne gesprochen und für deren Erhöhung gekämpft? Bei der Diskussion wird außerdem übergangen, dass schon jetzt viele Rentner eine Aufstockung beim Sozialamt beantragen können. Der Betrag, den Heil anstrebt, liegt nur Minimal über dem Sozialhilfeniveau. Aber er wird ja sowieso nie Realität werden. CDU, FDP, AfD und Arbeitgeber schrien gleich laut auf. Das seien 25 Milliarden Euro – in fünf Jahren – und damit unbezahlbar. Also 5 Milliarden jährlich sind „unbezahlbar“? Wieso schreien dann die gleichen Parteien und die Arbeitgeber nicht laut auf, wenn der Militärhaushalt um rund 35 Milliarden jährlich erhöht werden soll? Rüstung und Krieg sind „bezahlbar“, aber Minirenten nicht? Es zeigt, was in dieser Gesellschaftsordnung ist: Macht und Profit aber nicht der Mensch
BILD-online schrieb am 10.2.19 zu den SPD-Wahlkampfplänen: „Dass es jemals Realität wird, daran gibt es erhebliche Zweifel.“ Die Internetplattform bento meint, eine Realisierung sei „sehr unwahrscheinlich.“ Praktisch alle bürgerlichen Medien schließen sich diesem Urteil an. Und da haben sie Recht. Denn Wahlversprechen werden selten Realität. Wie gesagt: Andrea Nahles war vier Jahre Bundesministerin für Arbeit und Soziales. Da hätte sie eine Menge für eine Erhöhung des Mindestlohnes, wenigstens die Verringerung prekärer Arbeit oder für ein paar Korrekturen an Hartz IV tun können. Und nach der Wahl winken, wenn die Wahlversprechen die gewünschte Wirkung zeigen, Ministerposten. Dafür braucht man eine Koalition und kann nichts realisieren.
Wenn man wirklich etwas ändern will, dann muss man die Kolleg/innen ansprechen und mobilisieren. Die Wut auf das verdammte Hartz IV-System ist vorhanden. Denn die Kolleg/innen wissen, dass es sie auch bei der nächsten Krise und/ oder Entlassungswelle erwischen kann und sie rasch in Armut absinken können. Wenn man etwas ändern will, dann muss man kämpfen, auf die Straße gehen, streiken! Doch das will die SPD nicht. Sie will eine Wahlkampagne. Aber Wahlkampagnen ändern nichts, außer den Stimmenanteil der SPD, wenn sie noch Menschen findet, die ihr zum soundsovielten Male Vertrauen schenken.
Wir setzen auf den Kampf! Dafür treten wir in Betrieben und Gewerkschaften ein. Dafür werben wir bei unseren Kolleg/innen. Und die Forderungen sind eindeutig und klar:
Weg mit Hartz IV!
Weg mit Leiharbeit und anderen unsicheren Arbeitsverhältnissen!
Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden-Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich!
Löhne und Renten zum Leben!