„System-Change“? – Zugegeben, das klingt erstmal nach einem belasteten Begriff! Gewöhnlich wird er in leicht abgewandelter Form von den Führern des US-Imperialismus und der NATO gebraucht („Regime-Change“), um ihre Forderung nach dem Sturz ihnen nicht genehmer Regierungen souveräner Staaten zum Ausdruck zu bringen. Brandaktuell wollen (und versuchen!) die Imperialisten bekanntlich einen „Regime-/System-Change“ in Venezuela – mal wieder!
Doch die maßgeblich von Schülerinnen und Schülern getragene Umweltbewegung „Fridays for Future“, welche seit Wochen in zahlreichen europäischen Ländern auf die Straßen geht, fordert jetzt mal einen „System-Change“ woanders – und zwar hier bei uns in den hochentwickelten Ländern des Westens! Da glotzen die Machthaber der hiesigen Regimes blöd: So verstieg sich die Kanzlerin in der Diskussionsrunde im Anschluss an ihre Rede bei der NATO-Sicherheitskonferenz in München zu der Verschwörungstheorie, dass Bewegungen bei uns, von fremden Mächten über das Internet initiiert werden würden. Die Jugendproteste seien ein Beispiel dafür. Schließlich sei unsere Jugend bisher politisch nicht sehr aktiv gewesen und das sei alles doch überhaupt sehr merkwürdig. So betreibe vor allem Russland hier eine „hybride Kriegsführung“. Auch wenn der Regierungssprecher nachher wieder dementierte, so wurden die Proteste durch die Worte der Kanzlerin doch unmissverständlich diskreditiert und verleumdet.
Die Empörung beim deutschen Spießbürgertum ist freilich groß. Von billiger Diffamierung der mutigen Aktionen als „Schulschwänzen“ reicht diese bis zu offenen Disziplinierungsattacken, allen voran bei Union und AfD, die drastische Schulstrafen fordern. Die Schülerinnen und Schüler sollten sich davon nun wahrlich nicht beirren lassen. Ihr Kampf für eine andere Umweltpolitik, ja für einen „System-Change“, ist gerecht und bitter notwendig.
Doch die Gefahr ist groß, dass die Proteste doch wieder von scheinbar „verständnisvollen“ Politikern, gerne aus den Reihen der bürgerlichen „Linken“, von Grünen usw., abgewiegelt und in „demokratische“ (gemeint sind bürgerlich-parlamentarische) Bahnen gelenkt und damit erstickt werden. Ihr Protest sei ja ehrenhaft, aber….aber man möge doch bitte seiner Schulpflicht nachkommen und den gewählten Politikern Vertrauen schenken.
Auf der anderen Seite gibt es auch die nicht unberechtigte Kritik, dass es sich bei den Protestierenden vorrangig um Gymnasiastinnen und Gymnasiasten handelt, die noch dazu aus betuchtem Hause stammen und durch ihre Lebensweise und ihr Konsumverhalten selbst nicht unerheblich der Umwelt schaden. Diese Argumentation vergisst, dass heute jeder zweite aufs Gymnasium geht (wobei wir damit bei der Frage nach der Sinnhaftigkeit dieses Schulsystems überhaupt wären) und daher darunter keineswegs nur Wohlhabende sind. Andererseits muss man in einem Land wie Deutschland – relativ gesehen – auch gar nicht besonders wohlhabend sein, um einen ökologischen Fußabdruck zu hinterlassen. Flugreisen beispielsweise sind heute oft erschwinglich. Auch die beliebten „Gap-Years“ für scheinbar selbstlose Wohltätigkeitszwecke in weit entfernten Ländern, verdienen eine kritische Betrachtung. Ob man immer das neueste Smartphone braucht und dann das „alte“, noch funktionierende, auf afrikanischen Müllkippen landen soll, muss sich der Einzelne in der Tat selbstkritisch fragen. Auch wenn wir das eine Extrem, die Fokussierung auf das individuelle Konsumverhalten, entschieden zurückweisen und die Hauptursache, die Hauptverantwortung bei den Kapitalisten sehen, stellen wir Kommunisten in einem hochentwickelten imperialistischen Land wie Deutschland auch klar, dass zu einem wirklichen „System-Change“ auch eine Neudefinierung unseres Konsumverhaltens in sämtlichen Bereichen gehören wird, das zuvor durch die Extraprofite imperialistischer Politik bestimmt wurde.
Gewiss sind die noch unausgereiften Forderungen der Schülerinnen und Schüler ausbaufähig und die gefühlsmäßigen Vorstellungen nach einem Systemwechsel sind sicher noch sehr vage. Das haben wir aber auch in anderen Kämpfen, sei es um Löhne und Renten, beim Wohnungsbau oder im Gesundheitssystem.
Hier ist es unsere Aufgabe, als Kommunisten in diesen fortschrittlichen Bewegungen mitzuarbeiten und von unserer marxistisch-leninistische Theorie lebendig zu überzeugen. Das ist leichter gesagt als getan. Wir werden gewiss von niemandem eingeladen. Manchmal sogar eher schief angeschaut. Leider gibt es auch Genossen, die ihren Führungsanspruch auf eine Weise an den Tag legen, der den Vorurteilen auch noch Nahrung bietet. Dennoch führt kein Weg daran vorbei, von den Massen zu lernen, um die eigene Nachtrabpolitik zu überwinden und die Initiative zu ergreifen. Damit dies aber nicht in einer opportunistischen Anbetung der Spontaneität der Massen endet, müssen wir das organisiert tun und unsere marxistisch-leninistischen Prinzipien verteidigen.
Wichtig ist uns, dass nicht nur Schüler demonstrieren sondern vor allem auch eine breite Beteiligung von Azubis, Arbeitern und Bauern erreicht wird. Das Klima geht alle an! Auch die Älteren! Der Klimawandel ist schon jetzt spürbar! Die Bourgeoisie und die reaktionäre Gewerkschaftsführung versuchen immer wieder, soziale und ökologische Kämpfe gegeneinander auszuspielen. Dafür gibt es viele Beispiele, z.B. wie im vergangenen Jahr beim Hambacher Forst. Es liegt an uns Revolutionären, ein Bewusstsein dafür zu schaffen dass die Einheit von sozialem und ökologischem Kampf unbedingt notwendig ist.
Ein Wirtschaftssystem, in dem das private Gewinnstreben über allem steht, in dem für Profit die Natur zerstört werden darf, bietet uns keine Zukunft. Wir brauchen ein anderes Gesellschaftssystem, in dem die Interessen von Mensch und Natur entscheidend sind. Wer einen Schutz von Natur und Umwelt ernsthaft will und dabei langfristig denkt, der muss sich dafür einsetzen, dass das kapitalistische Wirtschaftssystem verschwindet, der muss für eine andere, bessere, sozialistische Gesellschaftsform eintreten. Wir fordern: „Regime-Change“ – jetzt aber mal in Deutschland!
A.N.