Jahrelanger, systematischer Betrug bei den Abgaswerten für PKW, vor allem für Diesel. Auch jetzt nach Auffliegen des Skandals entsprechen die „Testwerte“ nicht dem Realverbrauch auf der Straße. In der überarbeiteten Schummelsoftware, die nun angeblich einwandfrei sei, gab es wieder versteckte Programmbestandteile, die halfen die Werte in den bekannten Prüfsituationen zu schönen. Und wo keine Schummelsoftware verwendet wurde, da half man sich mit allen möglichen technischen Tricks und Kniffen, um „gute“ Abgaswerte zu erzielen, die mit dem realen Verbrauch und Abgas nichts zu tun hatten.
Laut Gesetz ist ein Betrüger haftbar für den Schaden, den er anrichtet. Doch große und mächtige Betrüger wie die Autokonzerne haben in Deutschland wenig zu befürchten. Dank dem Minister für die Interessen der Autokonzerne, Andreas Scheuer (Verkehrsminister kann man ihn ja wohl kaum nennen) und unserer Regierung, die ebenfalls die Interessen der Großkonzerne vertritt, kam die betrügerische Autoindustrie mit ein paar symbolischen „Beiträgen“ davon. Vor allem aber erhielt sie noch ein Geschenk von der Bundesregierung!
Denn die aggressive Verweigerung bzw. Verzögerung einer Hardwarenachrüstung hat viele Autofahrer gezwungen, sich ein neues Auto zu kaufen, damit sie weiter ihrer Arbeit nachgehen können.Die „Umweltprämie“, die die Bundesregierung dazu gibt, ist nichts weiter als ein Konjunkturprogramm für die Autokonzerne. Die Betrüger erhalten also noch eine staatliche Subvention. Und die ungefähr 3.000 Euro Umtauschprämie (sie variiert je nach Preis des gekauften Autos), die viele Autokonzerne dazu geben, entspricht noch nicht einmal dem üblichen Rabatt, der sowieso auf die Listenpreise gegeben wird. Die Autokonzerne geben also weniger, als sie bisher durch die Marktsituation gezwungen waren zu geben.
Was hier als „Beitrag“ der Autoindustrie ausgegeben wird, ist genauso Schummelei wie die Software.
Wer bezahlt wirklich?
Großkonzerne und viele Geschäftsleute, die mit Leasingautos fahren, sind gut dran. Denn nach 2 spätesten 3 Jahren tauschen sie ihre Fahrzeuge gegen neue. Hier bezahlen die Händler. Denn sie müssen die Fahrzeuge zum vertraglich vereinbarten Rückkaufwert nehmen, auch wenn diese als Dieselfahrzeuge entweder gar nicht mehr oder mit hohem Preisnachlass verkauft werden können. Die Autokonzerne lehnen jede Verantwortung ab. Einigen Händlern droht die Pleite.
Noch mehr müssen jedoch die kleinen und mittleren Autobesitzer, also Arbeiter und untere Angestellte sowie kleine Selbständige zahlen, die ein Auto gekauft haben und nun in ihrer Region nicht mehr bzw. sehr eingeschränkt fahren können. Wer sich ein neues Auto leisten kann, muss das selbst finanzieren und darf sich über die Schummelsubventionen freuen, die ihn vom Protest abhalten sollen. Wer aber keine 10.000 Euro für einen Neukauf aufbringen kann und damit auch auf die Schummelprämie verzichten muss, der muss den vollen Schaden allein tragen. Er hat ein Auto, dass er nur noch sehr eingeschränkt nutzen darf. Das bedeutet faktisch eine Enteignung!
Die Kapitalisten schreien immer, wenn von Enteignung die Rede ist. Aber gegen die Enteignung der Arbeiter und kleinen Angestellten haben sie gar nichts einzuwenden. Bei Rentenkürzungen, Sozialabbau und nun auch beim Dieselskandal sind sie immer für Enteignung – der Arbeiter, kleinen Angestellten und kleinen Selbständigen!
Und noch an einer anderen Stelle zahlen die Arbeiterklasse und die unteren Angestellten – sogar noch mehr – für den Dieselskandal.
Jahrelang haben die Autokonzerne und das Ministerium für die Interessen der Autokonzerne („Verkehrsministerium“) eine Umstellung auf eine moderne, fortschrittliche Verkehrspolitik verhindert. Die großen Investitionen der Autoindustrie sollten erst einmal Profite und Extraprofite abwerfen. In der EU wurden strengere Abgaswerte vor allem von der Bundesregierung verzögert oder gar verhindert. Dabei ging es immer um die Profite der Autoindustrie. Die großen deutschen Autokonzerne nutzten ihre starke Stellung auf dem Weltmarkt, um Fortschritt zu verhindern.
Lenin sagte, dass der „Imperialismus parasitärer oder faulender Kapitalismus“ (W.I.Lenin, Der Imperialismus und die Spaltung des Sozialismus, Oktober 1916, Werke, Bd.23, Berlin 1957, S.102-118) ist. Der Dieselskandal ist dafür ein Lehrstück.
Statt den öffentlichen Nah- und Fernverkehr aufzubauen, wurde beispielsweise die Deutsche Bahn mit ihrer Umwandlung in eine AG gezielt zerstört. Sie legte viele zehntausende Kilometer Schiene still. Ländliche Regionen wurden zunehmend abgehängt. Private Buslinien, die das ersetzen sollten, erhielten öffentliche Subventionen und wurden trotzdem immer weiter reduziert. In manchen ländlichen Regionen fahren nur noch Schulbusse – zwei- bis dreimal am Tag. Die Menschen wurden zum Auto regelrecht gezwungen. Der Frachtverkehr der Bahn wurde extrem gekürzt. Die Folgen sieht man an den langen LKW-Kolonnen auf den Autobahnen. Auch in den Großstädten wurde der öffentliche Nahverkehr nicht entsprechend den steigenden Bedürfnissen ausgebaut. Vielfach sind S-Bahnen, U-Bahnen, Trams, Busse in den Stoßzeiten völlig überfüllt und oftmals auch noch unzuverlässig. Die Folge: Menschen stiegen auf Autos um und die Straßen der Großstädte sind regelmäßig verstopft. Dafür wurden die Preise für Nah- und Fernverkehr ebenso regelmäßig erhöht. Das Motto: Schlechtere Qualität für höhere Preise! Die Autoindustrie profitierte von dieser zunehmenden Verschlechterung des öffentlichen Nah- und Fernverkehrs.
Während die deutsche Autoindustrie eine Weiterentwicklung zu weniger umweltschädlichen Autos verhinderte, schliefen viele Konkurrenten nicht. Toyota entwickelte mit dem Prius den ersten Großserien-PKW mit Hybridantrieb. Auch bei Elektroautos mauerten die deutschen Autokonzerne massiv. Nun müssen sie hinterherhecheln, während andere Hersteller bereits seit Jahren Erfahrungen gesammelt haben und gute, funktionierende E-Autos liefern. Bei der Entwicklung von Autos mit Brennstoffzellenantrieb, die die Umwelt nur minimal belasten, lief es noch schlimmer. Patente wurden in Panzerschränken verschlossen. Angeblich konnte die technisch so hoch stehende deutsche Autoindustrie keine Autos mit Brennstoffzellenantrieb für den Massenmarkt entwickeln. Sie bremste. In ihrer Arroganz als weltstärkster Autostandort dachten sie, sie könnten das mit ihrer Macht verhindern. Mittlerweile haben sowohl Toyota wie auch Hyundai solche PKW auf dem Markt – allerdings nur im Luxusbereich. Sie haben aber bereits fertige technologische Konzepte und Produktionserfahrungen, die sie jederzeit auch im Bereich der Massenautofertigung anwenden können.
Mit ihrem Kurs der Verhinderung von technologischem Fortschritt durch ihre starke Stellung auf dem internationalen Automarkt haben die deutschen Autokonzerne zwar kurzfristig hohe Profite machen können, sich aber zugleich langfristig geschadet. Die Konkurrenz ist weiter. Das wollen aber die Autokonzerne nicht selbst bezahlen. Die Arbeiterklasse muss das ausbaden. Bei VW, Daimler, Opel, Ford usw. laufen derzeit massive Kostensenkungsprogramme und meist verdeckte Massenentlassungen stehen an. Verdeckt sind die Entlassungen deshalb, weil man zuallererst die Leiharbeiter abbaut. Die muss man nicht entlassen, sondern einfach den Vertrag mit Leiharbeiter-Kapitalisten kündigen. Bei den Kernmannschaften laufen zugleich Programme zum „sozialverträglichen“ Abbau von Arbeitsplätzen durch Vorruhestandsregelungen, Nichtersetzung von Arbeitsplätzen bei Kündigungen usw. Das tut kurzfristig nicht so weh. Aber diese Arbeitsplätze sind für die nachkommenden Jugendlichen verschwunden. Zudem wird dieser ungeheure Stellenabbau Konsequenzen bei Zulieferern und bei allen haben, die von den Konsum der bisherigen Arbeitskräfte gelebt haben: Bäcker, Handwerker, Einzelhandel und viele mehr. Auch das Tankstellennetz wird in seiner heutigen Form zunehmend verschwinden und damit zehntausende Arbeitsplätze kosten. Elektroenergie kann ohne großen Aufwand an Automaten „getankt“ werden.
Die Entlassungen sind so hoch, weil die neuen Technologien, ob Elektro- oder Brennstoffzellenautos einfach weniger Arbeit erfordern. Beide fahren mit Elektromotoren und diese sind einfacher und mit weniger Arbeit zu bauen. Noch dazu halten sie länger. Motoren von E-Autos kann man bei weniger Wartung problemlos bis 400.000 km fahren.
Nun ist technologischer Fortschritt positiv. Weniger Schädigung der Umwelt, weniger Arbeit und trotzdem ein größerer Nutzen für die Gesellschaft – das ist doch gut? Oder? Weniger PKW und dafür ein guter öffentlicher Nah- und Fernverkehr mit weniger notwendiger Arbeitszeit, weniger Stress und geringerer Schädigung der Umwelt – das ist doch gut? Oder?
Doch im faulenden, parasitären Kapitalismus – wie Lenin sagt – ist dieser Fortschritt zum Schaden der Arbeiterklasse und der kleinen Angestellten. Sie verlieren ihre Arbeit. Ihre Löhne werden durch zunehmende Konkurrenz nach unten gedrückt. Durch Arbeitsverdichtung wie bei Kostensenkungsprogrammen steigt der gesundheitliche und psychische Verschleiß. Bei weniger Arbeitseinsatz sind E-Autos ja auch noch teurer als herkömmliche PKW. Das Kapital macht mit seiner menschen- und umweltfeindlichen Politik sogar noch Extraprofite!
Die, die den Dieselskandal zu verantworten haben, schlagen daraus also noch mehr Profit, während die Arbeiter, kleinen Angestellten und kleine Selbständige zahlen müssen. Am meisten wird dabei die Arbeiterklasse bluten. Sie muss sich neue Autos kaufen oder auf den unzuverlässigen, qualitativ schlechten Nah- und Fernverkehr umsteigen und soll zugleich noch den Verlust einiger hunderttausend Arbeitsplätze verkraften.
Ginge es nicht um den Profit, gäbe es eine einfache Lösung:
Radikaler Ausbau des öffentlichen Nah- und Fernverkehrs! Kostenloser Nahverkehr! Drastisch gesenkte Preise im Fernverkehr! Statt Subventionen für die Autoindustrie massive Förderung des öffentlichen Verkehrssektors!
30-Stunden-Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich! Keine weitere Flexibilisierung und Arbeitsverdichtung!
Schulung der Betroffenen in den neuen Technologien! Umsetzung und Schulung überflüssiger Arbeitskräfte für die Bereiche Pflege, Krankenversorgung, Erziehung!
Doch eine solche einfache Lösung gibt es im Kapitalismus nicht! Jeder, der die obigen Forderungen liest und sie für vernünftig hält, wird zugleich begreifen, dass das Kapital da nicht mitspielen kann. Denn das würde den Profit dramatisch schmälern! Dabei strebt es ja nach Steigerung der Profite! Die Interessen der Gesellschaft und vor allem der Arbeiterklasse sind also das komplette Gegenteil der Interessen des Kapitals! Es passt eben nicht unter einen gemeinsamen Hut, wie uns immer wieder von SPD, Grünen, CDU/CSU und einigen Gewerkschaftsführern weisgemacht werden soll.
Der Dieselskandal zeigt exemplarisch, dass das kapitalistische System an seine Grenzen stößt und dabei zunehmend rückschrittlich und menschenfeindlich wird. Wer wirklich eine Gesellschaft will, die Mensch und Natur im Blick hat, der muss den Kapitalismus abschaffen!
dm