Spaltung behindert höheren Abschluss!
Update!
Auch wenn 6,1 % Entgelterhöhung recht ansehnlich daher zu kommen scheinen: Wenn man von der ursprünglichen Forderung der Bahngewerkschaft EVG (Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft) und ebenso der GDL (Gewerkschaft der Lokomotivführer) nach 7,5 % ausgeht, wundert man sich schon ein wenig. Denn EVG-Verhandlungsführerin, Regina Rusch-Ziemba, erklärt, man habe alle Forderungen durchgesetzt – aber das Ergebnis lautet nur 6,1 %. Dann kommen auch noch altbekannte Kritikpunkte hinzu:
29 Monate Laufzeit, Lohnerhöhung in 2 Stufen und ein kompliziertes Regelwerk, wie Teile der Entgeltprozente auch in Freizeit genommen werden können – also Zeit statt Geld – , Einmalzahlungen und etliches mehr. Auf 12 Monate umgerechnet sind 6,1% rund 2,5% pro Jahr brutto. Und da mit den Lohnsteigerungen die steuerlichen Abzüge stärker steigen, liegt das Ergebnis bei rund 2% im Jahr, das entspricht fast der Inflation. Faktisch also eine Nullrunde!
Es ist trotzdem nicht zu übersehen, dass der machtvolle Streik der EVG-Kolleginnen und Kollegen am Montag, 10.12.2018 hier ein große Rolle spielte. Denn vorher hatte ein 5,1-%-Angebot des Bahnkonzerns auf dem Tisch gelegen. Der Streik, lediglich von Frühmorgens bis mittags – ohne Urabstimmung offiziell ein Warnstreik – brachte für fast zwei Tage den Bahnbetrieb komplett durcheinander. Montag vormittags lief in weiten Teilen des Bahnnetzes nichts mehr. Der arrogante Vorstand der Deutschen Bahn (DB) verstand: Auch sonst massiv als total unfähig unter Druck geraten, sah er zu, dass wenigstens diese Baustelle schnell vom Tisch kam.
Wie aber sieht das EVG-Ergebnis aus?
Die Lohnerhöhung von insgesamt 6,1 Prozent erfolgt demnach in zwei Stufen.
* Zum 1. Juli 2019 (!) sollen die Löhne um 3,5 Prozent steigen,
* Ein Jahr später noch einmal um 2,6 Prozent
* Zudem erhalten die Beschäftigten im Februar 2019 eine Einmalzahlung von 1000 Euro für die fehlenden 9 Monate ab 1. Oktober 2018 (Beginn der Geltung des Vertrages) bis 1. Juli 2019. Ein Festbetrag, der nicht in das Tarifniveau eingeht und für alle betroffenen mit 111 Euro pro Monat zu Buche schlägt.
*Der Vertrag hat eine Laufzeit von 29 Monaten. Das weitreichende Gesamtpaket umfasst außerdem einige Verbesserungen für Nachwuchskräfte.
* Hinzu kommen auch aus anderen Branchen bekannte Tricksereien mit „Wahlmöglichkeiten“: Die zweite Erhöhungstranche kann mit individueller Arbeitszeitverkürzung verrechnet werden. Wieder mal: Arbeitszeitverkürzung ja, aber wir zahlen sie selbst! Leserinnen und Leser mögen selbst beurteilen, ob das ein so epochaler Erfolg ist, wie die EVG glauben machen will.
Trotzdem: Ohne die Kampfbereitschaft der Bahnkolleg/innen wäre auch dieser begrenzte Erfolg gar nicht möglich gewesen. Wie so oft aber wurde die erwiesene Kampfbereitschaft nicht konsequent zum Einsatz gebracht.
Die Achillesferse für die Bahnkolleg/innen ist aber die Tatsache der Spaltung.
Zur GDL
Die Tarifverhandlungen der Lokführergewerkschaft GDL waren gescheitert, obwohl die DB schon fast einen Abschluss vermeldet hatte. Den Pressemeldungen des GDL-Vorstandes zufolge legte die Bahn den GDL-Verhandlern – gemessen am EVG-Ergebnis – ein geradezu provokativ niedriges Angebot vor: 3,7 % bei 34 Monaten Laufzeit!
Vgl. dazu: https://www.gdl.de/Aktuell-2018/Pressemitteilung-1544797430
Am Donnerstag 3. Januar 2019 haben nun DB und GDL einen Abschluss vereinbart. Er ähnelt stark dem mit der EVG. Es gibt nur einige kleinere Unterschiede. Diese zeigen, dass der DB-Vorstand die Spaltung zwischen den zwei Gewerkschaften unterstützt und pflegt.
Die Einmalzahlung (1000 Euro) Termine und Lohnerhöhungen (6,1% in den gleichen 2 Stufen), die Verrechenbarkeit mit Arbeitzeitverkürzungen – all das ist identisch. So sieht sich die GDL-Führung um Claus Weselsky gezwungen, andere, leicht gegenüber dem EVG-Vereinbarung differierende Beschlüsse in den Vordergrund zu stellen, natürlich unterstützt vom DB-Vorstand:
Die erhöhten Einstiegsgehälter speziell für die dringend gebrauchten Lokführer (statt 2740 künftig 2950 Euro), im Einzelnen anscheinend noch auszuhandelnde höhere Zuschläge für Schicht- und Wechseldienste, für die „ein zusätzliches Volumen von 1,5% vereinbart wurde“ (Stuttgarter Zeitung), dessen Verteilung eben noch zu regeln ist. Im Abschluss der EVG gibt es eine ähnliche Bestimmung, wofür aber nur „ein Volumen von 0,7%“ zur Verteilung ausgehandelt wurde.
Auch hat die GDL ein Verbot erreicht, die Beschäftigten außerhalb ihrer Arbeitszeit mit Mails oder per Handy zu belästigen, was sicherlich ein Fortschritt wäre, wenn es denn beachtet wird, woran selbst Claus Weselsky gewisse Zweifel zu haben scheint, rechnet er laut Medien doch mit einer „längeren Eingewöhnungsphase“ für die Regelung.
Die GDL-Führung rühmt sich auch neuer Besetzungsnormen für ICEs und ICs zur Unterstützung der Lokführer: Im IC sollen zum Lokführer mindestens ein „Betriebseisenbahner“ kommen, im ICE zwei.
Hinzu kommt noch eine Erklärung „Zukunftsperspektive Zugpersonal“ über angebliche Zukunftsprojekte, in der es laut GDL-Führung um „Qualifikation,Verantwortung, Aufgaben und Entgelthöhen“ geht. Weselsky nennt dazu vor allem das Stichwort „lebenslanges Lernen“ für die Bahnkolleg/innen. Die Mitglieder und die Bahnmitarbeiter/innen werden in der Zukunft konkret prüfen, ob und was daraus wird! Skepsis in angebracht angesichts der sich wieter verschlechternden finanziellen Gesamtlage der DB.
(Vgl. z. B.:http://www.fr.de/wirtschaft/s21-stuttgart-21-bringt-bahn-in-schieflage-a-1646855#Echobox=1546430432)
Die bürgerlichen Medien rühmen an dem GDL-Abschluss vor allem, dass er „ohne Streiks und Schlichtung“ erreicht wurde. Claus Weselsky und die GDL-Führung müssen zur Kenntnis nehmen, dass der fulminante Warnstreik der EVG, an dem sich sicherlich auch manche GDL-Mitglieder solidarisch beteiligt haben, mit seinem realen Drohpotenzial auch der relativ kleinen GDL geholfen hat. Noch so eine Nummer – diesmal von der GDL – wollte die DB unbedingt vermeiden.
Im Gesamtbild liegt der GDL-Abschluss – mit seinen spartenständischen Eigenheiten, in denen sich eben auch die Spaltung ausdrückt – sehr nahe beim EVG-Abschluss. Die Lage in den Bahnbelegschaften schreit nach gemeinsamem Kampf, nicht nach Spartenprivilgien. Dies umso mehr, als im Hintergrund immer das schändliche Tarifeinheitsgesetz droht, dessen Fallen vor allem der kleineren GDL drohen.
Der Bahnvorstand gehört eigentlich gefeuert!
Diese Spaltung ist umso bitterer, als der Bahnvorstand und das ihn bisher stützende Bundesverkehrsministerium des Herrn Scheuer (CSU) massiv wegen – man kann es kaum anders sagen – Unfähigkeit unter Beschuss geraten ist. Die Bahnchefs gehören eigentlich fristlos gefeuert. Unsägliche Zustände in den Zügen für das Personal, dem allein es die Berliner Chaostruppe verdankt, dass Reisende überhaupt halbwegs sicher befördert werden. An diesen Missständen werden auch die neuen Tarifverträge nichts ändern. Zugausfälle, Verspätungsraten von 25 %, oftmals lausiger technischer Zustand der Züge (rollender Schrott!), Servicemängel auf Grund mieser Organisation, eklatanter Personalmangel, die Bahn-Katastrophe von Rastatt (Zusammenbruch einer Tunnelbaustelle bei darüber laufendem Fernzug-Verkehr mit einem Milliardenschaden!), das absehbare Fiasko Stuttgart 21 etc..
Mittlerweile können das selbst die Verantwortlichen bei Bundes- und Landesregierungen sowie im DB-Aufsichtsrat nicht mehr wie üblich unter den Teppich kehren.
Eine einige Bahnbelegschaft, wenigstens eng zusammenarbeitende Gewerkschaften hätten große Chancen, echte Verbesserungen durchzusetzen: Der Gegner ist sturmreif, wo bleibt der gemeinsame Vollstreik, Kollegin Rusch-Ziemba und Kollege Weselsky??
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