Es gab doch vor genau hundert Jahren tatsächlich eine Revolution in Deutschland! Eine unterschätze, gewaltige, massenhafte Erhebung großer Teile des deutschen Volks. Sie erfasste Millionen, Arbeiterinnen, Arbeiter und Soldaten, die empört waren über den Krieg, das Morden, die Not und das proletarische Elend, die brutale Militärdiktatur, die widerwärtige nationalistische Hetze. Sie standen auf gegen den Kapitalismus, die Ursache von alledem!
Der Schwung der revolutionären Massen fegte im ersten Anlauf den Kaiser hinweg, etablierte Arbeiterräte, 8-Stundentag, Gleichberechtigung und Frauenwahlrecht. Aber die alten Mächte nutzten die offensichtlichen Schwächen des Aufstandes, die mangelnde revolutionäre Führung und seine tiefe Spaltung konsequent aus!
So wurde die Revolution blutig! Mit brutaler Härte gingen die alten Mächte im Bündnis mit den Führern der SPD, Ebert, Noske und Co. schnell gegen die zunächst siegreichen, sich tapfer wehrenden Arbeiter/innen vor. Zahllose Regionen erlebten Massaker an Arbeitern und ihren neuen Machtorganen, den Arbeiter- und Soldatenräten. Nicht nur in Berlin, München oder Bremen, auch in vielen andern Städten zahlten Arbeiter und Arbeiterinnen mit tausenden Todesopfern.
Aber es ist und bleibt unfasslich, wie die aufständische, um die Macht im Lande ringende Arbeiterklasse von den Führern der SPD, ihrer alten Partei, nicht nur verraten, sondern, nach Sicherung der Herrschaft für das Kapital, in einem Gewaltrausch unterdrückt wurde. Die Massen wollten sozialistische Revolution – die SPD- und Gewerkschaftsführer das Gegenteil!
Verrat – hinter dem Rücken der kämpfenden Massen!
Gewerkschaftsboss und SPD-Mann Karl Legien und Kapitalmagnat Hugo Stinnes schlossen hinter dem Rücken der aufopferungsvollen revolutionären Kämpfe, gleich in den ersten Tagen der Revolution, den Pakt zur Rettung des Kapitalismus. Genau das feierten die heutigen Nachfolger, die DGB-Führer um Michael Hofmann am 16. Oktober im feinen Saal des Berliner Historischen Museums (Siehe Bericht auf gleicher Seite). Sie feierten gemeinsam mit den Kapitalistenvereinen. Nein, nicht die Revolution, sondern deren Verrat durch die damaligen Gewerkschaftschefs.
100 Jahr später: „höchste Weihen“
Sie feierten mit Bundespräsident Frank Walter Steinmeier, also mit dem höchsten Repräsentanten des heutigen deutschen Imperialismus! Der hielt die „Festrede“. Es ist ein Witz der Geschichte, dass an der Stelle, wo ab 1919 SPD-Chef Ebert als „Reichspräsident“ stand, heute wieder ein SPD-Mann steht, Er verleiht der Sause unter dem Label „100 Jahre!“ Nein! Nicht Novemberrevolution, sondern – „100 Jahre Sozialpartnerschaft!“ höchste Weihen.
Was sagte er? Klar, das mit der Revolution konnte nicht ganz unter den Tisch fallen. Dazu war sie zu gewaltig. Deshalb musste er ihr den Zahn ziehen, sie verfälschen, die Revolutionäre zu den Dummies erklären und die Konterrevolutionäre zu den eigentlichen Revolutionären. Das ist der Job dieses Herrn.
Steinmeier erinnerte zunächst an „… einen Weg, der in Krieg und Revolution begann, der durch Unterdrückung und Diktatur führte...“ Aha Revolution, irgendwie schon! Aber wo es um die realen Ereignisse geht, da fällt das Wort nicht mehr!! Da wird in Berlin von Scheidemann, ja, sogar von Karl Liebknecht die Republik ausgerufen. Aber Revolution ist das nicht. Steinmeier redet stattdessen von Ereignissen:
„Die Ereignisse überstürzen sich …. Entscheidungen und Reaktionen im Stundentakt sind für die Menschen kaum noch nachvollziehbar. …Schnell sind die Fronten verhärtet, die Konfliktlinien schroff, Kompromiss und Ausgleich in weiter Ferne. Bereits in ihren ersten Tagen droht die junge Republik in einer Spirale der Gewalt zu versinken. Und dennoch – fast unglaublich – am selben Tag, dem 15. November 1918, geschieht etwas Erstaunliches, völlig Unerwartetes: Die `Vereinbarung zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden´, das Stinnes-Legien-Abkommen wird unterzeichnet.“
Das ist wichtig. Helden sind diese „Moderaten“ bei den Kapitalisten, vor allem aber bei der Gewerkschaftsführung:„Sie wollte ihre Mitglieder vor den unwägbaren Folgen eines revolutionären Umsturzes und kompletten Chaos schützen“ Da haben wir es: „revolutionärer Umsturz“ heißt „Chaos“!! Da eilte Legien als Retter lieber zum Herrn Stinnes! Dann wird Steinmeier peinlich gönnerhaft:
„… ja, aber sie wollte auch das: ihr eigenes Überleben und ihre Gestaltungsmacht sichern. Denn eine enteignete Industrie, gesteuert von einem sozialistischen Rätestaat, die braucht schließlich keine eigenständigen, freien und unabhängigen Gewerkschaften mehr – so die Befürchtung damals und später, im Realsozialismus, dann auch bittere Wahrheit.“ Egal, dass das eigentlich die ideologischen Phrasen der BRD gegen die DDR und (klar doch!) gegen das „stalinistische“System sind, dass man das mit dem „Realsozialismus“ damals noch gar nicht wissen konnte! Da hatten Stinnes und Legien anscheinend „Visionen“! Ja, aber dann kommt Steinmeier endlich doch noch zur Revolution!
„Damit schufen Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine allgemeinverbindliche, freiwillige wirtschaftliche und soziale Regelungsebene zwischen staatlich-rechtlicher Regulierung und der Vertragsfreiheit des freien Marktes. Auch das war eine Art von Revolution und zugleich eine wichtige Wegmarke für die Entwicklung einer sozialen Marktwirtschaft, eines starken Fundaments der Demokratie in unserem Land!“
Das ist es: Stinnes und Legien waren die eigentlichen Revolutionäre! So ist das!
Wir sollten das ernst nehmen.
Hier spricht ein Repräsentant des Kapitals! Er weiß: Wenn die Novemberrevolution dank des Verrats der Ebert, Noske, Scheidemann und Legien eines brachte, dann die alleinige uneingeschränkte Klassenherrschaft des Kapitals in Deutschland! Nur: Sie brachte jene furchtbare Republik hervor, die Hitler ermöglichte, den noch schlimmeren Zweiten Weltkrieg, die Zerschlagung der Arbeiterparteien, der KPD, auch der SPD, und der einst von den Legien geführten Gewerkschaften. Danach – in der BRD – eine massiv eingeschränkte Arbeiterklasse und – ein Hoch auf diese gefeierte Sozialpartnerschaft! – ewige Minimalkompromisse in unseren Tarifkämpfen, Betriebsräte (Relikt der damaligen Arbeiterräte), die das Wohl des Kapitals zu wahren haben, ein verkrüppeltes Streikrecht, vor 3 Jahren erneut zusammengestrichen mit dem so genannten Tarifeinheitsgesetz durch die heutige SPD-Vorsitzende Andrea Nahles, Altersarmut, Hartz IV enthemmte Leiharbeit und wieder Massenelend. Da gibt es für die Millionen Gewerkschaftsmitglieder wahrlich nichts zu feiern!
Wir sollten nicht passiv abwarten, ob auch diese Republik erneut Faschismus und einen sicherlich für dieses Land letzten Krieg hervorbringt!
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