Karl Liebknecht spricht in Berlin im Tiergarten
100 Jahre Novemberrevolution in Deutschland: Der Kampf um die Macht!
Teil 3 unserer Reihe zur Novemberrevolution
In „Arbeit Zukunft“ Nr.1/18, S.6 haben wir den Weg zur Novemberrevolution geschildert: Die Umwandlung der SPD zur Kriegspartei, die den imperialistischen Weltkrieg auf Seiten des Kaisers, der Feudalen und des Kapitals unterstützte. Der Kampf der Revolutionäre gegen den Krieg sowie die Inhaftierung von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg mit Hilfe der SPD.
In „Arbeit Zukunft“ Nr.3/18, S. 6 haben wir in einem zweiten Teil dargestellt, wie die Novemberrevolution am 3.11.1918 in Kiel ausbrach, sich rasch über ganz Deutschland ausbreitete und schließlich am 9.11. zur Abdankung des Kaisers, dem Sturz der Monarchie und der Ausrufung einer sozialistischen Republik durch Karl Liebknecht sowie der Ausrufung einer bürgerlichen Republik durch Phillip Scheidemann, SPD als Gegenprojekt. Damit begann der Kampf um die Macht.
Wer diese beiden Teile nicht hat, kann „Arbeit Zukunft“ Nr.1/18 und Nr.3/18 bei uns bestellen oder die Artikel im Internet unter
nachlesen. In der nächsten Ausgabe von AZ folgt der vierte und letzte Teil.
Die Sozialdemokraten wollen die Revolution erdrosseln
Friedrich Ebert, SPD, hatte am 9. November, zur gleichen Zeit zu der Karl Liebknecht die sozialistische Revolution ausrief, eine bürgerlich-parlamentarische Demokratie ins Leben gerufen, die er aber nach außen als „Revolutionsregierung“ und als „Rat der Volksbeauftragten“ aus SPD und USPD verkaufte. Er rief dazu auf, Ruhe zu bewahren, damit die Regierung arbeiten könne. Bereits am 10. November 1918 traf er mit dem obersten General und Militärführer Groener ein geheimes Abkommen, um die Revolution zu ersticken. Ebert sicherte zu, dass alle alten, reaktionären Offiziere ihre Posten und ihre Macht behielten sowie dass er gegen die Arbeiter-und Soldatenräte vorgehen werde. Dafür erhielt er die Unterstützung des reaktionären Militärs.
1922 erklärte Phillipp Scheidemann, einer der Führer der SPD, bei einer Versammlung in Friedrichhain:
„Eine antimonarchistische Propaganda, eine positiv republikanische Tätigkeit hat die Sozialdemokratie nie getrieben, weil für uns diese Frage bis zu einem gewissen Zeitpunkt nebensächlich erschien…
Die Unterstellung, dass die Sozialdemokratie die Novemberrevolution gewollt oder vorbereitet hat, ist eine lächerliche, törichte Agitationslüge unserer Gegner…“
Unmittelbar nach der Revolution trafen sich vom 9.-12.11. Vertreter der Großindustrie und die Führer der deutschen Gewerkschaften in Berlin. Am 15.11.18 unterzeichneten sie einen Geheimvertrag, in dem die Gewerkschaftsführer zusagten,
– „wilde Streiks“ zu beenden und
– für eine geordnete Produktion zu sorgen,
– den Einfluss der Räte zurückzudrängen und
– eine Enteignung des Kapitals zu verhindern.
Das Kapital gewährte dafür den 8-Stunden-Tag und einen Alleinvertretungsanspruch der Gewerkschaften in den Betrieben. Das Letztere war vor allem gegen die Räte gerichtet, die beseitigt werden sollten. Den 8-Stunden-Tag hatte allerdings bereits die Revolution erkämpft. In vielen Betrieben hatten die Arbeiterräte, die faktisch die Macht hatten, bereits den 8-Stunden-Tag durchgesetzt. Es war also gar kein „Erfolg“, den die Gewerkschaftsführer den Arbeitermassen präsentierten.
Die SPD sorgte in den folgenden Tagen dafür, dass sowohl das alte Militär als auch der alte Staatsapparat unangetastet wurden. Am 12. November gab der „Rat der Volksbeauftragten“ einen Erlass heraus:
„Das Vorgesetztenverhältnis des Offiziers bleibt bestehen. Unbedingter Gehorsam im Dienste ist von entscheidender Bedeutung für das Gelingen der Zurückführung in die deutsche Heimat. Militärische Disziplin und Ordnung im Heere muss deshalb unter allen Umständen aufrecht erhalten werden.
Die Soldatenräte haben zur Aufrechterhaltung des Vertrauens zwischen Offizier und Mann beratende Stimme in Fragen der Verpflegung, des Urlaubs, der Verhängung von Disziplinarstrafen. Ihre oberste Pflicht ist es, auf die Verhinderung von Unordnung und Meuterei hinzuwirken.”
Fast alle kaiserlichen Minister und hohen Beamten behielten ihre Posten. Die Kleinstaaterei wurde nicht abgeschafft, sondern zur Spaltung benutzt. Auch in den Ländern blieben fast überall die alten Minister und Beamten.
Ein Problem hatten die SPD-Führer jedoch: Sie hatten keine funktionsfähige Gewaltmaschine. Das Heer war fast vollständig zersetzt. Truppen, die man gegen die Revolution einsetzen wollte, weigerten sich, auf Arbeiter und Soldaten zu schießen.
Daher machten sich die SPD-Führer auch rasch und mit allen Mitteln daran, diesen Mangel zu beseitigen. Bis sie aber wieder über eine zuverlässige Gewaltmaschine verfügen konnten, mussten sie sich mit Täuschung und Demagogie durchmogeln. Öffentlich waren sie „Revolutionäre“. Intern waren sie voll Hass gegen die Revolution. Mit dem Geheimpakt zwischen Friedrich Ebert (SPD) und dem obersten General und Militärführer Groener waren die Weichen gestellt. Ebert gab den alten Reichswehr-Offizieren freie Hand, neue zuverlässige Truppen aufzustellen. Das geschah vor allem durch die Schaffung von so genannten Freikorps. Aus Spenden des Großkapitals und Geheimfonds der Reichswehr wurde die Bildung solcher bezahlter Mordbanden ermöglicht. Gesammelt wurden die reaktionärsten Kräfte. Oft gingen die Freikorps ein paar Jahre später direkt zu den Nazis über und stellten deren militärisches Rückgrat dar. Die SPD-Führung machte Druck, denn sie brauchte solche zuverlässigen, reaktionären Truppen, die bereit waren, Blut zu vergießen, um den Kapitalismus zu retten. Die Zusammenstellung, Ausbildung und Ausrüstung der Freikorps war aber nicht in kurzer Zeit und in ausreichender Menge zu bewerkstelligen, sodass es bis Anfang Januar 1919 dauerte, bis genügend zuverlässige, reaktionäre militärische Einheiten zur Verfügung standen.
1919: Hetzplakat der SPD gegen Spartakus. Die Gegner der Revolution behaupten „Wir haben die Revolution gemacht…“
Bis dahin mussten die SPD-Führer taktieren, lavieren, täuschen und betrügen. Sie traten als „Revolutionäre“ auf.
Kurz vor dem „ Ersten Allgemeinen Kongress der Arbeiter- und Soldatenräte“, der am 16.12.18 begann, versuchte der SPD-Führer Ebert zusammen mit Groener durch einen militärischen Putsch, diesen zu verhindern. Der Putsch scheiterte, weil ein Regiment zu früh losschlug.16 Revolutionäre wurden dabei ermordet. Allerdings war Ebert offiziell nicht der Urheber dieses militärischen Gewaltstreiches, der scheiterte, sondern ein „Gegner“. Obwohl Ebert den Kongress nicht wollte, sah er sich gezwungen, dort als „Revolutionär“ und „Sozialist“ aufzutreten, den „ Ersten Allgemeinen Kongress der Arbeiter- und Soldatenräte“ zu manipulieren und sich mit Tricks und Lügen eine Mehrheit zu schaffen. So hatten sie im Vorfeld dafür gesorgt, dass nur ein Drittel der Delegierten Arbeiter und Soldaten waren, dafür ein weiteres Drittel aus sozialdemokratischen Bürokraten, die sich die Unterstützung der ebenfalls vertretenen bürgerlichen Kräfte sicherten. So bestätigte der Kongress die Position Eberts und des „Rates der Volksbeauftragten“.
Militärisch war Berlin in dieser Zeit in der Hand der Revolutionäre. Doch diese waren nicht gut genug organisiert, ideologisch und politisch zersplittert. Es fehlte eine Kommunistische Partei, die den Aufstand anführen und zum Sozialismus führen konnte. Diese Schwäche konnten sich die reaktionären Kräfte und die SPD-Führer zunutze machen, um die Revolution schrittweise zurückzudrängen und schließlich auszulöschen. Doch das war angesichts der Machtverhältnisse ein weiter und grausamer Weg.
Unterstützung erhielten die SPD-Führer durch die Führung der USPD. Von ihren Mitgliedern her war die USPD eine revolutionäre Partei mit starkem Einfluss in der Arbeiterklasse. Aber die Führung war im Gegensatz dazu opportunistisch und bremste die Revolution nach Kräften unter vielen „revolutionären“ Phrasen. Sie traten am 9. November in den „Rat der Volksbeauftragten“ ein und regierten mit Ebert gegen die Revolution. Auch sie hofften darauf, die Revolution beenden zu können. Während die Masse der Arbeiter und Soldaten nach Russland schaute, wo der erste sozialistische Staat entstand und gute Beziehungen zur Sowjetregierung wollte, stand im Protokoll des Rates der Volksbeauftragten vom 19. November:
„1. Fortsetzung der Besprechung über das Verhältnis Deutschlands zur Sowjetrepublik. Haase (Führer der USPD, d. Red.) rät dilatorisch (d.h. hinhaltend) vorzugehen… Kautsky (damals für die USPD Unterstaatssekretär im Auswärtigen Amt, d. Red.) schließt sich Haase an: Die Entscheidung müsse hinausgeschoben werden. Die Sowjetregierung würde sich nicht mehr lange halten, sondern in wenigen Wochen erledigt sein…“
Die Rolle der USPD entspricht ungefähr der der Linkspartei. „Links blinken, rechts abbiegen“ ist das passende Motto. Um die kämpferische Basis zu beruhigen und zu betrügen, findet man scharfe Worte zur Verurteilung des Kapitalismus und der Kriege. Wo immer man aber regiert oder mitregiert, macht man das, was das Kapital erzwingt und braucht. Für die Massen gibt es ein paar Krümel vom Tisch der herrschenden Klasse, die dann als große Reformen und Siege gefeiert werden.
Kein Geringerer als Gregor Gysi hat das am 30.3.1994 gegenüber der Illustrierten Stern treffend erklärt: „Die Klügeren unter unseren Gegnern werden irgendwann anerkennen, dass die PDS die bessere Art ist, den Protest einzufangen.“
Der Kampf spitzt sich zu
Nach und nach hatte Ebert in Berlin zuverlässige reaktionäre Truppen stationieren lassen. Mit diesen wollte er vor Weihnachten endlich einen militärischen Schlag gegen die Revolution führen. Dazu wurden Konflikte mit der „Volksmarinedivision“ genutzt. Nach dem 9. November hatte die Regierung zu ihrem Schutz die neu gebildete Volksmarinedivision von Kiel nach Berlin beordert. Doch diese war der Revolution treu. So hatte sie sich geweigert, an dem Putsch gegen den „ Ersten Allgemeinen Kongress der Arbeiter- und Soldatenräte“ teilzunehmen. Otto Wels, SPD, verweigerte ihnen nun ihren Sold und wollte die Einheit auflösen.
Am 23. Dezember besetzten die Matrosen die Reichskanzlei, stellten den „Rat der Volksbeauftragten“ unter Arrest und nahmen Otto Wels gefangen. Statt aber die Regierung aufzulösen und die Macht zu übernehmen, verlangten sie nur ihren Sold.
Friedrich Ebert, ein Meister der Intrige, kontaktierte über eine geheime Telefonleitung die Oberste Heeresleitung, die sich vorsichtshalber in Kassel verkrochen hatte. Am 24. Dezember gab Ebert den Befehl, dass reaktionäre Truppen das Stadtschloss, in dem die Volksmarinedivision untergebracht war, stürmen sollten. Rücksichtslos und brutal wurde mit Mörsern und Granaten angegriffen. Doch die Volksmarinedivision wehrte sich tapfer und bescherte den Angreifern eine heftige Niederlage. Sie mussten sich nach erheblichen Verlusten geschlagen zurückziehen. 56 Regierungssoldaten, elf Matrosen und einige Zivilisten verloren dabei ihr Leben. Ebert führte danach Verhandlungen. Die Matrosen erhielten ihren Sold und das Versprechen, dass die Volksmarinedivision nicht aufgelöst würde. Dafür räumten sie das Stadtschloss im Zentrum Berlins und ließen Otto Wels frei.
Damit war offensichtlich, dass der „Rat der Volksbeauftragten“ mit SPD und USPD keinerlei Macht besaßen. Die Macht lag in den Händen der bewaffneten Arbeiter und Soldaten. Doch diese nutzten ihre Macht nicht, um eine Räteregierung zu errichten. Während die Revolutionäre zögerten, unklar voller Illusionen und uneins waren, war das die Gegenseite nie. Sie bereitete sich auf den Gegenschlag vor.
Im November folgt Teil 4.