Foto: Public domain, pixabay.com
Die sogenannten sozialen Medien sind aus unserem Alltag heute nicht mehr wegzudenken. Vor allem für junge Menschen sind sie unverzichtbarer und selbstverständlicher Bestandteil und Begleiter des täglichen Lebens, sowohl in Studium und Ausbildung als auch im Privatleben. Während in den Anfangszeiten des Aufkommens sozialer Medien in den 0er-Jahren, mit Schüler-/StudiVZ und später facebook, sich die Aktivität vorrangig abends vor dem Computer abspielte, sind wir mit dem Smartphone und den diversen Chat-Apps mittlerweile eigentlich permanent online und verfügbar. Morgens auf der Busfahrt, auf dem Weg zum Bus, auf dem Weg zu Schule, Uni und Betrieb, in der Vorlesung, während des Unterrichts und, wenn der Chef nicht schaut, manchmal auch während der Arbeit.
Was macht das mit uns?
Diese Frage kann im Rahmen dieses Artikels freilich nicht erschöpfend behandelt werden – zumal ohnehin gesicherte Erkenntnisse über etwaige gesundheitliche Folgen bislang nur in Ansätzen vorhanden sind. Das Thema ist umfassend, erfordert eine differenzierte Herangehensweise und muss von verschiedenen Gesichtspunkten aus betrachtet und eingegrenzt werden. Daher wollen wir uns im Folgenden vorrangig mit möglichen Folgen exzessiven Social-Media-Konsums auf die menschliche Psyche befassen. Besteht ein Zusammenhang zwischen Social Media und den immer häufiger auftretenden Fällen von (jungen) Menschen mit Depressionen und Gefühlen der Einsamkeit? ¹
Betrachten wir zunächst zwei der für diese Fragestellung wohl prädestiniertesten Plattformen: facebook und instagram. facebook trat seinen Siegeszug Mitte der 0er-Jahre an und wurde anfangs noch vorrangig von jungen Menschen, Studenten, genutzt. Nachdem fb mittlerweile auch von Eltern oder gar Großeltern „geentert“ wurde, ist es nicht mehr ganz so attraktiv für viele Jugendliche. Apps wie WhatsApp und Snapchat oder Datingapps wie tinder &co werden zunehmend als Alternative verwendet. Dennoch spielt nach wie vor facebook eine zentrale Rolle, weil es nicht nur als reiner Kommunikationsweg genutzt wird, sondern vor allem, um Inhalte zu teilen und sich über die Aktivitäten seiner „Freunde“ und abonnierte Interessen zu informieren. Auf der Jagd nach „Gefällt mir“-Angaben findet ein ständiger Vergleich mit anderen statt. Hat der oder die Bekannte mehr „Likes“ für ihr Profilbild oder ein zuletzt stattgefundenes Ereignis erhalten? Facebook hat eine bisher nie da gewesene Möglichkeit zu individualistischer Selbstdarstellung geschaffen, die es theoretisch einem jeden ermöglicht, ein „Star“ zu werden. Alle Formen des Narzissmus² können hier bedient werden. In der Praxis führt das dazu, dass nicht wenige junge Menschen im Stillen mit ernsthaften depressiven Entwicklungen zu kämpfen haben, weil sie bei diesem Wettbewerb nicht mithalten können. Laut einer Studie der Universität Pittsburgh haben Personen, die häufig in Sozialen Netzwerken unterwegs sind, im Alter zwischen 19 und 32 Jahren, Probleme mit ihrem Selbstbild, was sich u.a. auch in Essstörungen ausdrückt. Hier sei auch instagram besonders hervorzuheben. Ein Viertel der Teilnehmer zeigte eindeutige Merkmale einer Depression.
Fake-Fotos
Instagram ist eine Plattform, um ausschließlich Fotos zu posten. Anders als bei fb gibt es hier keine „Freunde“, wovon die meisten ohnehin keine sind, sondern „Follower“. „Likes“ und eine Kommentarfunktion gibt es auch hier. Auf instagram werden in der Regel mit Photoshop bearbeitete Bilder veröffentlicht. Zum einen entsteht durch diese geschönten Fotos ein verzerrtes, idealistisches Bild von der Wirklichkeit, zum anderen wird dieser Effekt durch die Auswahl der Bilder überhaupt, welche ja immer nur ein Ausschnitt aus der Lebensrealität der Individuen sein können, verstärkt. Bilder, die den Stress des Alltags, Niederlagen, persönliche Misserfolge, Trauer und Einsamkeit darstellen würden, finden sich dort kaum. Ein besonders verheerende Rolle spielen Bilder, auf denen der menschliche Körper der dargestellten Person, derart verändert wurde, dass nicht nur die Haut, sondern auch die Körperform, die Figur signifikant verändert wurde. So machen sich manche Frauen gerne mal eine schlankere Hüfte oder die Männer einen größeren Bizeps. Im Internet finden sich dazu z.T. höchst bizarre Beispiele. Manche davon sind allerdings auch so schlecht gemacht, dass sie schon zum Lachen sind, wenn es nicht so traurig wäre. „Bodyshaming“ lautet hier der geläufige Begriff, um die durch Vergleich mit anderen ausgelöste Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper auszudrücken. Eine Studie der Royal society for public health von 2017, bei der Probanden zwischen 14 und 23 Jahren untersucht wurden, kommt zu dem Ergebnis, dass eben insbesondere instagram negative Auswirkungen auf die Psyche, vor allem junger Frauen, hat.
Mutige Gegenbewegung
Mittlerweile wird eine Kennzeichnungspflicht für bearbeitete Bilder diskutiert. Darüber hinaus entwickelt sich begrüßenswerterweise eine „Body-positivity“-Bewegung. So posten beispielsweise einige junge Frauen mittlerweile selbstbewusst Bilder von ihren Körpern, die den von den Medien verbreiteten Idealvorstellungen nicht entsprechen.
Verstärkung depressiver Tendenzen
Dennoch bleibt die Frage, ob Soziale Medien Einsamkeit, Depressionen und Bodyshaming nun auslösen oder „nur“ verstärken. Während ersteres umstritten bleibt, kann doch zumindest ein Verstärkungseffekt festgestellt werden. Wer mehr Zeit mit Social Media verbringt, hat logischerweise weniger Zeit für real-life-Kontakte. (Gruppen-)bilder etc. von Erlebnissen, bei denen man selbst nicht dabei war, können das Gefühl der Isolation und des Ausgeschlossenseins, bei sozial eher zurückgezogenen Menschen, in jedem Fall verstärken. Gerade in jungen Jahren, die eine Phase der Orientierung und Entwicklung bilden, führt der Kampf mit einer verzerrten Realität und Illusionen zu Verwirrung und Versagensängsten.
Wie nutzen wir die sozialen Medien?
Als politisch interessierte Menschen und als politische Organisation bieten uns facebook & co viele Möglichkeiten und Chancen. Information können schnell massenhaft Menschen zugänglich gemacht werden. Die Umwälzungen in der arabischen Welt sind ein bekanntes Beispiel für die Wirkmächtigkeit sozialer Medien. Der Austausch mit Gleichgesinnten aber auch mit politisch Andersdenkenden in Gruppen, unter geteilten Artikeln usw. ist eine gute Möglichkeit, Menschen zu erreichen. Aber auch für nicht-politische Zwecke können diese Plattformen sinnvoll sein, so z.B. für Fragestellungen und Probleme, die Menschen in ihren Lebens- und Arbeitsbereichen haben. Die Kommunikation kann so untereinander sogar verbessert werden – vorausgesetzt, dass gewisse soziale Normen auch hier gelten. Das ist leider nicht immer der Fall: Auch eine Kultur der Oberflächlichkeit, Beliebigkeit und Unverbindlichkeit können wir in den sozialen Medien beobachten, wenn auf Nachrichten nicht reagiert wird oder man einfach „geghostet“ wird. Darüber hinaus ermöglichen sie auch reaktionären Kräften, ihre rassistische Propaganda zu verbreiten. Bisherige Maßnahmen dagegen werden nur halbherzig umgesetzt. Wir empfehlen Social Media für die Verbreitung fortschrittlicher Ideen und für den solidarischen Austausch untereinander, als Hilfsinstrument sinnvoll zu nutzen. Dazu brauchen wir keinen individualistischen Konkurrenzkampf um gephotoshopte Bilder untereinander. A.N.
Fußnoten
¹Laut Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung erkrankt jeder Deutsche mit einer Wahrscheinlichkeit von 16-20% einmal in seinem Leben an einer Depression. Zahlen der WHO besagen, dass 350 Millionen Menschen weltweit an Depressionen leiden; bis 2020 wäre das die zweithäufigste Krankheit überhaupt.
²stark ausgeprägte, übertriebene Selbstliebe