Die 209 verschiedenen Verbindungen der PCB-Gruppe gehören zum „Dreckigen Dutzend“, den 12 giftigsten Stoffgruppen – künstlich hergestellt und daher auf natürliche Weise kaum abbaubar. Sie sind wasserunlöslich, lagern sich aber im Körperfett ab und reichern sich dort an. AZ hat im Zusammenhang mit dem fast fünf Jahre dauernden Envio-Prozess in Dortmund immer wieder darüber berichtet – das soll es deswegen als Vorinformation sein.
Von einem Mitarbeiter der Bürgerinitiative für die Aufklärung des PCB-Skandals in Dortmund erhielten wir nun folgenden Bericht:
Viele PCB-belastete Menschen werden seit Jahren an der Technischen Universität Aachen von einem Forscherteam unter der Leitung von Prof. Kraus im Rahmen des Betreuungsprogramms untersucht – vor allem ihre Blutwerte. Einer der Untersuchten fragte in einem Brief in Aachen nach, warum denn das Blut auf die PCB-Menge hin untersucht würde – dort sei es doch nur kurze Zeit und werde bald in fetthaltigen Geweben in großer Menge und für lange Zeit abgelagert. Er machte sich zu Recht Sorgen darüber, wie hoch die PCB-Menge in seinem Körperfett ist.
Von einem Mitarbeiter des Aachener Teams erhielt er nun eine ausführliche Antwort, die zu Hoffnung Anlass gibt. Er schrieb z.B., das gefährliche PCB sei eigentlich nicht das im Fettgewebe, sondern das im Blut; im Fettgewebe seien die PCB-Moleküle gewissermaßen gebunkert und gelangen deswegen kaum zu gefährdeten Körperorganen. Anders bei PCBs im Blutkreislauf: die werden von der Blutflüssigkeit z.B. zu Milz, Leber und Niere transportiert und richten dort gesundheitliche Schäden an wie z.B. Krebs.
Er schrieb weiter, dass die PCB-Verbindungen im Fettgewebe zu denen im Blut in einer bestimmten Relation vorliegen, z. B. im Verhältnis von x : 1. Das heißt: wenn man den PCB-Wert im Blut kennt, so braucht man diesen Wert nur mit dem Faktor x zu multiplizieren, dann hat man ziemlich genau den PCB-Wert der Fettgewebe. Blutwerte kann man leicht erhalten, man braucht dem Kreislauf nur etwas Blut zu entnehmen und es zu untersuchen – das erspart dann natürlich ein Herumschnippeln an Körperorganen oder –geweben.
Das leuchtet uns ein, es gibt aber noch etwas viel Erfreulicheres: der Mitarbeiter aus Aachen teilte dem Briefschreiber mit, dass bei fast allen PCB-Typen, auf die hin sein Blut untersucht wurde, die Werte viel weiter zurückgegangen waren als erwartet in den wenigen Jahren des Betreuungsprogramms, nämlich um etwa 50 Prozent – nur bei PCB 29 war der Rückgang nicht so stark. Wie gesagt, mit Hilfe des „Faktors x“ ergibt das, dass auch die Körperfettbelastung viel geringer ist als befürchtet – PCB-Verbindungen werden offenbar doch schneller vom Körper abgebaut bzw. ausgeschieden, als man bisher annahm.
Da könnten sich die Verursacher der PCB-Vergiftung und ihre Helfershelfer in Politik, Justiz und Umweltbehörden jetzt zufrieden die Hände reiben: „Sieh’ste, so schlimm ist das alles gar nicht“. Und der deutsche Michel kann sich seine Zipfelmütze wieder über Augen und Ohren ziehen und weiterschlafen. Doch für uns bleibt der PCB-Skandal um die Dortmunder Firma Envio weiterhin ein Umwelt-, Justiz- und Politikskandal, die dafür Verantwortlichen sind nicht nur juristisch (der Prozess in Dortmund wurde eingestellt, also kein Freispruch), sondern auch moralisch verantwortlich.
„Angst ist ihr ständiger Begleiter“ – so beginnt der Sprecher der WDR-Dokumentation „Grünkohl, Gift und Gschäfte“ seine Information. Wir hoffen, dass die neuen Informationen aus Aachen dazu beitragen, dass die Vergifteten nun ein bisschen ruhiger leben und schlafen können.