Ende Mai erlebte Italien das, was unsere Genossen von der Kommunistischen Plattform für die Kommunistische Partei des Proletariats Italiens als „schwerste politische und institutionelle Krise des republikanischen Italien“ analysieren.
Das Erdbeben des 4. März 2018
Durch den Sturz der Regierung Renzi (infolge eines Verfassungsreferendums, das sie verloren hatte) waren allgemeine Wahlen und die Auflösung des Parlaments im Dez. 2017 nötig. Sie wurden von der „5-Sterne“-Bewegung mit ca. 32% der Stimmen gewonnen. Diese von dem Kabarettisten Beppe Grillo gegründete populistische Partei, surft auf der Zersetzung der politischen Klasse und der Institutionen in Italien. Angeblich „gegen das System“, verschrieb sie sich doch der schlechtesten aller Koalitionen, die Italien je erlebte: einem Regierungsbündnis mit der ehemaligen „Lega Nord für die Unabhängigkeit Padaniens“, einer extrem rechten Partei, die sich als „Lega“ neu gegründet hat, um in ganz Italien Kandidaten antreten zu können (19% der Stimmen). Die Proteststimmen des 4. März waren das K.O. für alle so genannten mitte-rechts und mitte-links Parteien, die im Rahmen der EU eine Sparpolitik und eine neoliberale, arbeiter- und volksfeindliche Politik durchgeführt hatten. „Von da an war es das Problem der herrschenden Kreise der Bourgeoisie, die populistischen Kräfte zu benutzen, um sie gegen die Arbeiterklasse und die Volksmassen loszulassen.“ Es brauchte drei Monate Verhandlungen und Machenschaften „Erpressungen, Einmischungen und des einheimischen und internationalen Drucks, allen voran von Seiten der EU und der NATO“, damit Italien endlich eine neue Regierung erhielt.
Harte Verhandlungen unter dem ungeduldigen Auge der EU
Am 23. Mai beauftragte der Präsident der Republik Mattarella… Giuseppe Conte mit der Regierungsbildung. Paolo Savona, der sich zu Europa bekennt, aber sehr kritisch gegenüber dem Euro und Deutschland ist, wurde als Wirtschaftsminister vorgeschlagen. Mattarella legte sein Veto gegen seine Ernennung ein und am 27.Mai kündigt Conte an, von der Regierungsbildung zurückzutreten. Mattarella beauftragte dann Cotarella („einen Vertreter der Troika EU-EZB-IWF“) mit der Bildung einer so genannten technokratischen Übergangsregierung.
„Dieser schändliche Handstreich findet statt, während die Einmischungen und der Druck der Vandalen des Großkapitals und seiner Institutionen sich verstärkt haben mit Hilfe der Erpressung mit dem Spread (den Unterschieden in der Höhe des Zinses), dem Rating und den Manövern der Börsenspekulanten… Es brauchte eine Regierung, die total „marktfreundlich“ ist, weil das das Monopolkapital immer mehr verlangt und nicht die geringste Abweichung von der neoliberalen Spar- und Kriegspolitik gestattet. (…) In einem kapitalistischen, imperialistischen Land wie Italien kann keine Exekutive gegen den Willen der herrschenden Gruppen des Finanzkapitals gebildet werden. Diese beeinflussen und bestimmen ihre Zusammensetzung, kontrollieren ihre Arbeit, schenken oder entziehen ihr das Vertrauen lange vor dem Parlament.
So enthüllt sich der wahre Charakter der so genannten „freien“ und „demokratischen“ bürgerlichen Wahlen. Die politische Macht und das Kapital bleiben immer in den Händen einer Minderheit von Ausbeutern, während die Arbeiter unterdrückt und ins Elend gestürzt werden. Die bürgerliche Demokratie existiert nur für die Reichen und Parasiten, sie ist ihre Diktatur!“
(Erklärung vom 28. Mai der Kommunistischen Plattform für die Kommunistische Partei des Proletariats Italiens)
Aber am 31. Mai schlugen die „5 Sterne“ und die „Lega“ Mattarella eine neue Regierung vor, deren Zusammensstzung er billigte. Der EU und die EZB (Europäische Zentralbank) wurden mit der Ernennung von Giovanni Tria (der den Ideen der Liga zur Fiskalpolitik nahe steht, aber für den Verbleib Italiens im Euro ist) als Wirtschafts- und Finanzminister Garantien gegeben… Savona (ex-Minister, ex-Bankier und ex-Generaldirektor des Unternehmerverbandes Confindustria) ist nicht mehr für die Wirtschaft, sondern für europäische Angelegenheiten zuständig.
Eine populistische und fremdenfeindliche Regierung
Luigi Di Maio und Matteo Salvini sind beide Vizepremiers. Ersterer befindet sich an der Spitze eines großen Ministeriums für wirtschaftliche Entwicklung, Arbeit und Soziales, wo er die Versprechungen des „Regierungsvertrags“ umsetzen soll: Absenkung des Renteneintrittsalters, Einführung eines „Bürgereinkommens“ von monatlich 780 Euro, Politik der Ankurbelung des Wirtschaftswachstums durch drastische Steuersenkungen. Salvini jedoch übernimmt die Führung des Innenministeriums, wo er sein Versprechen, 500.000 illegale Migranten auszuweisen, umzusetzen gedenkt! Die Analyse, die unsere Genossen in ihrer Erklärung vom 23. Mai machten, ist immer noch zutreffend:
Der „Pakt“, den diese Regierung in die Tat umsetzen will, ist „ein Sammelsurium von Chauvinismus und bürgerlichem Autoritarismus, von arbeiterfeindlichen Maßnahmen, Militarismus, Fremdenfeindlichkeit und Repression. Es sieht die Stärkung des militärisch-industriellen Komplexes und die Schließung von Firmen (…), die allgemeine Senkung der Löhne und Gehälter und die Zerschlagung der kollektiven Tarifverträge vor (…), die Demontage der Arbeiterrechte, (…) Almosen des Staats und die Bankenrettung mit öffentlichen Geldern, neue Geschenke an die Unternehmer und die Reichen (…), die Abschiebung der Migranten und deren Einsperrung in Camps, eine Kriegspolitik, die dem „nationalen Interesse“ (d.h. dem Interesse der italienischen Monopole) näher steht. Alle Maßnahmen, welche die Finanzoligarchie und die Kommission in Brüssel störten, wurden beseitigt oder abgeschwächt.“
Welches sind die Folgen?
„Die populistische, nationalistische und imperialistische Politik dieses gelb-grünen Paktes werden die Arbeits- und Lebensbedingungen des Proletariats erschweren. Es wird daraus eine neue Konzentrierung des Reichtums in den Händen einer ausbeutenden Minderheit und die Vergrößerung des Elends der Arbeiter hervorgehen. Sie wird den Graben zwischen dem Norden und dem Süden des Landes vertiefen und der noch wilderen Plünderung der abhängigen Länder neuen Schwung geben.“
Könnte es anders sein?
„Nein, denn da es keine revolutionäre Bewegung des Proletariats gibt, können sich die Vertreter der Klein- und mittleren Bourgeoisie nur auf reaktionären Positionen verständigen, in dem sie sich hinter die Oligarchie, die Eigentümer der hauptsächlichen Produktionsmittel, und hinter das Kapital stellen, das an der Spitze des Staates steht und feste internationale Beziehungen unterhält. Diese Elite ist ihrerseits daran interessiert, zu Kompromissen mit den machtgierigen Populisten zu gelangen, um die Arbeiterklasse im Kontext der tiefen Krise des Reformismus weiter unterdrücken zu können.“
Was ist die Antwort darauf?
„Wir müssen mit aller Kraft für die Abschaffung des Gesetzes Fornero kämpfen, des „Jobs Act“ und des „Good School“-Gesetzes (italienisches Arbeitsgesetz und Schulreform), gegen die Maßnahmen zu Gunsten der Reichen und Unternehmer, gegen Entlassungen, gegen die Ausländerfeindlichkeit, den Autoritarismus und die Unterdrückung, gegen die Kriegspolitik, für Arbeit, Brot und Frieden!“
„Wir rufen dazu auf, den Kampf und die Bildung von Einheitsfront-Organisationen neu aufzunehmen: Räte und Komitees der Arbeiter und Arbeitslosen, der ausgebeuteten Werktätigen, der Jugend und der Frauen aus dem Volk. Stellen wir an jeder unserer Arbeitsstellen, in allen Schichten des Volkes, in allen Gebieten und im ganzen Land die Aktionseinheit der proletarischen Kräfte her, die gegen diese Regierung der Demagogie und des Knüppels kämpfen wollen.
Das wird die politische und soziale Massenopposition gegen die neue Regierung der Unternehmer und der Reichen sein.“
Wie kommen wir voran?
„Es scheint immer klarer, dass es unmöglich ist, aus dem Scherbenhaufen, in den uns die Bourgeoisie hineinzieht, zu entkommen, ohne die ausbeutende und parasitäre Klasse zu schlagen und eine revolutionäre Regierung der Arbeiter und anderen ausgebeuteten Werktätigen zu errichten, die aus der Bewegung des Massenkampfes hervorgeht und auf ihren Organisationen basiert, um eine höhere Form der gesellschaftlichen Organisation aufzubauen.
Um in dieser Perspektive voranzukommen, der einzigen, die in der Lage ist, die Ketten des Imperialismus zu sprengen und die Gesellschaft umzuwandeln, müssen sich die Kommunisten und fortgeschrittensten Arbeiter klar und deutlich von den Opportunisten aller Art trennen und sich organisieren, um den wissenschaftlichen Sozialismus und die Arbeiterbewegung zu vereinen und zur Bildung einer politischen Partei des Proletariats voranzuschreiten, die von allen politischen Parteien und Gruppierungen der besitzenden Klassen unabhängig und verschieden ist und zu ihnen in Opposition steht.“
Übersetzung aus La Forge, Zentralorgan der PCOF, Juni 2018 (leicht gekürzt)