Der Gewerkschaftsverband DISK (Konföderation der Türkischen Revolutionären Arbeiter-Gewerkschaften) hat vor kurzem seine Position zu den Parlaments- und Präsidentschaftswahl erklärt. Anhand eines Berichtes wurden die Arbeits- und Lebensbedingungen der letzten 16 Jahre analysiert und veröffentlicht.
Der Bericht beginnt mit folgenden Sätzen:
„Im Auftrag des Kapitals wurden die Rechte der Arbeitnehmer und wesentliche Grundrechte beschnitten. Mit der Einleitung der Präsidenten- und Parlamentswahl geht es den Regierenden um einen Regimewechsel bzw. einen Umbruch. Dieses neue Regime stellt für die Mehrheit der Gesellschaft, also für die arbeitende Bevölkerung, für die Republik, und unsere Zukunft eine ernste Gefahr dar.
Welche Klassen darunter leiden, welche Klassen wiederum davon profitieren ist seit längerem bekannt.“
Ausnahmezustand: Perfekte Bedingungen fürs Kapital!
Weiter wird im Bericht festgestellt, dass der Ausnahmezustand dazu genutzt wurde, um Streiks zu verbieten, Gewerkschaftsrechte und Freiheiten der Bevölkerung auszuhebeln und zu beschneiden. Insgesamt wurden 15 Streiks von 193.000 Beschäftigten verboten, 7 davon alleine im Ausnahmezustand. Die meisten Arbeitskämpfe wurden unter dem Vorwand der ,,Nationalen Sicherheit“ unterbunden. Unter der AKP wurde der Rahmen für Möglichkeiten, um Streiks zeitlich zu verschieben und zu verbieten, ausgeweitet. Somit gibt es kaum noch ein Streikrecht. Erdogan hat selbst in einem Treffen eines Arbeitgeberverbands folgendes erklärt: ,,Durch den Ausnahmezustand können wir umgehend auf Streiks reagieren und intervenieren, und dann sagen wir nein, hier erlauben wir nicht zu streiken.“
Die DISK bewertet die aktuelle Situation der Gewerkschaftsarbeit wie folgt: „Es ist kaum noch möglich, als Gewerkschaft in der Öffentlichkeit eine Unterschriftenaktion durchzuführen, geschweige denn sich zu versammeln. Jegliche Aktivitäten, um Rechte einzufordern, sind stark eingeschränkt. Sich juristisch dagegen zu Wehr zu setzen, ist kaum möglich.“
Nach Verhängung des Ausnahmezustandes wurden 140.000 Staatsbeschäftigte ohne ein gerichtliches Verfahren aus dem Dienst entlassen. Außerdem wurden diesen Beschäftigten auch die Pässe entzogen, somit gibt es keine Möglichkeit mehr ins Ausland zu reisen.
Profitmaximierung für Unternehmer, schlechte Arbeitsbedingungen für die anderen!
In Zeiten des Ausnahmezustands ist es kaum möglich die Arbeits- und Lebensbedingungen zu verteidigen bzw. zu verbessern. Das Programm der regierenden Partei lautet schon seit Jahren Flexibilisierung des Arbeitslebens, so die DISK. So wurde das Arbeitsgesetz zugunsten der Unternehmer verändert.
Weiter heißt es in der Erklärung des Gewerkschaftsverbandes: „Die Profite des Kapitals werden in Schutz genommen, und die Mehrheit der Gesellschaft ist katastrophalen Arbeitsbedingungen und Armut ausgesetzt“. Es gibt 6,2 Millionen Arbeitslose, die AKP konnte die Zahl der Arbeitslosen nicht verringern. 20% der Jugendlichen sind arbeitslos. Die AKP Regierung ist Spitzenreiter beim Privatisieren. 88% der in der Türkei privatisierten staatlichen Betriebe wurden unter der AKP für 47 Milliarden Dollar verkauft. Die neoliberale Politik der Regierung führt das Land in eine gefährliche Krise. Die Türkei ist inzwischen unter den 10 Ländern mit den schlechtesten Arbeitnehmerrechten und zwar weltweit.
Lange Arbeitszeiten und Arbeitsunfälle sind der Alltag!
Unter den OECD-Ländern und Europa liegt die zweithöchste Arbeitszeit für ArbeiterInnen in der Türkei. Diese liegt bei 49,3 Stunden die Woche. 74% der Beschäftigten arbeiten mehr als 40 Stunden die Woche. 95% der Arbeitnehmer sind nicht in den Gewerkschaften organisiert und arbeiten für Hungerlöhne. Die Bedingungen für ArbeiterInnen, sich in den Gewerkschaften zu organisieren, ist mit dem damaligen Militärputsch aus dem Jahre 1980 erschwert worden. Die Gewerkschaft ist erst im Betrieb vertreten, wenn mehr als 50% der Belegschaft sich organisiert hat. Der Unternehmer macht es sich einfach, er kündigt schnell organisierte ArbeiterInnen und verhindert somit, dass die Gewerkschaft im Betrieb vertreten ist. In diesen Fällen kommt es eventuell zu Arbeitskämpfen gegen diese Kündigungen.
Streikende Flormar-Arbeiterinnen
Aktuell gibt es einen Streik der Flormar-Arbeiterinnen in der Stadt Gebze/Türkei. Flormar ist ein Internationaler Make-Up Produzent, der z.B. in Gebze Nagellack produzieren.
Außerdem sind die Arbeitsunfälle unter der AKP-Regierung stark gestiegen. In den Jahren 2002 bis 2016 sind 17.000 Arbeiter durch Arbeitsunfälle umgekommen. Die Türkei hat nach China die meisten Arbeitsunfälle. Das Arbeitssicherheits- und Gesundheitsgesetz wurde durch die Regierung immer wieder gelockert.
DISK: Die Arbeiterklasse muss aufstehen!
Die Maßnahmen, die in den letzten 16 Jahren durch die Regierung durchgesetzt wurden, waren eine Katastrophe für die Arbeiterklasse. Die DISK ruft alle ArbeiterInnen auf, sich gegen diejenigen, die Arbeits- und Lebensbedingungen verschlechtern und den Rückschritt bringen, aufzustehen und jetzt reicht´s zu sagen. Am 24 Juni geht es um das Schicksal der Republik. Wir alle müssen jetzt für Laizismus, Demokratie und einen Rechtsstaat aufstehen. Um in eine Zukunft voller Hoffnung zu schauen, müssen wir die Parteien und Kandidaten wählen, die für Arbeit, Frieden, Brüderlichkeit und Demokratie stehen.
Mahir Sahin