Als ob das drohende neue Polizeiaufgabengesetz nicht schon genug wäre (AZ berichtete: https://www.arbeit-zukunft.de/2018/04/18/neues-polizeiaufgabengesetz-in-bayern-perfektionierung-des-repressionsapparats/#more-4024) legt die CSU nun noch eins drauf: Das bisherige Unterbringungsgesetz soll aktualisiert und euphemistisch in „Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz“ umbenannt werden!
Bayern ist das Bundesland mit den höchsten Unterbringungszahlen in psychiatrischen Einrichtungen. Das wird als Hauptgrund für die Notwendigkeit eines neuen Gesetzes gesehen. Allerdings widmen sich in dem neuen Entwurf gerade einmal die ersten vier Artikel dieser Frage: So soll die Versorgung durch flächendeckende Krisendienste verbessert werden, um präventiver handeln zu können und um damit angeblich die Zahl der Zwangseinweisungen reduzieren zu können.
Heribert Prantl von der Süddeutschen Zeitung bezeichnete den Namen des Gesetzes zu Recht als „Täuschung“. Denn die weiteren 35 Artikel widmen sich vor allem der Unterbringung zur Gefahrenabwehr. Auch der Landesverband der Psychiatrieerfahrenen kritisiert das heftig. Fachleute befürchten, dass psychisch Kranke nun noch mehr stigmatisiert und kriminalisiert werden. Da vom PsychKHG nicht nur Straftäter, sondern auch präventiv-untergebrachte Menschen betroffen sind. So können beispielsweise Besuche mit der Videokamera überwacht werden. Das ist aber noch vergleichsweise harmlos, im Vergleich zur geplanten zentralen Unterbringungsdatei, nach der selbst ein kurzer Aufenthalt in der Psychiatrie ausreicht, um fünf Jahre gespeichert zu werden. Auf diese Datei, samt Aufnahmegrund und Diagnose, wird auch die Polizei Zugriff haben. Entsprechend muss die Klinik eine etwaige Entlassung der Polizei melden. Wir hätten es hier mit einer „massiven Grundrechtseinschränkung“ zu tun, so der leitende ärztliche Direktor der Gesundheitseinrichtungen des Bezirks Oberfranken, Prof. Dr. Thomas Kallert. Wir zitieren hier den kritischen Artikel:
Art. 35
Unterbringungsdatei
(1) ¹Jeder Träger einer Einrichtung hat für jede untergebrachte Person folgende Daten zu
erfassen:
1. Name, Vornamen, sonstige Namen,
2. Geburtsdatum und Geburtsort,
3. Geschlecht,
4. Familienstand,
5. Staatsangehörigkeit,
6. Angaben zu einem besonderen Sicherungsbedürfnis,
7. Einrichtung,
8. Rechtsgrundlage der Unterbringung,
9. Untersuchungsbefund,
10. Tag der gerichtlichen Entscheidung,
11. vom Gericht angeordnete Unterbringungsdauer,
12. Tag der Aufnahme,
13. Beginn und Ende einer Entweichung oder eines Missbrauchs einer Stufe der Belastungserprobung,
wenn der Missbrauch eine Fahndung zur Folge hat,
14. Tag und Grund der Entlassung.
²Er übermittelt diese Daten auf dem jeweils gegenwärtigen Stand an die Fachaufsichtsbehörde.
³Die Fachaufsichtsbehörde ist verpflichtet, die Daten zu sammeln (Unterbringungsdatei) und
stets auf dem Laufenden zu halten.
(2) ¹Die Fachaufsichtsbehörde kann die übermittelten Daten zu folgenden Zwecken verarbeiten:
1. Erstellung eines Registers im Sinne des Art. 17 Abs. 3 des Internationalen Übereinkommens
vom 20. Dezember 2006 zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen
(BGBl. 2009 II S. 932; 2011 S. 848),
2. Ausübung der Fachaufsicht über die öffentlich-rechtliche Unterbringung (Art. 10),
3. Auskünfte und Berichte an den Landtag,
4. Auskünfte und Berichte an das Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration,
5. Durchführung von Unterbringungs- und Betreuungsverfahren,
6. Verhinderung oder Verfolgung von Straftaten,
7. Maßnahmen der Strafvollstreckung oder strafvollstreckungsrechtliche Entscheidungen,
8. Maßnahmen der Gerichtshilfe, Jugendgerichtshilfe, Bewährungshilfe oder Führungsaufsicht,
9. Entscheidungen in Gnadensachen,
10. Abwehr von Gefahren für Leben, Gesundheit oder Freiheit einer Person oder für bedeutende
Sachwerte,
11. Suche nach Vermissten oder Identitätsfeststellung von unbekannten Toten,
12. statistische Zwecke und
13. wissenschaftliche Zwecke.
²Eine Übermittlung an andere Behörden, Stellen oder Dritte ist nur zulässig, soweit das den in
Satz 1 genannten Zwecken dient. ³Soweit dies zur Erfüllung des jeweiligen Zwecks ausreicht,
ist eine Übermittlung auf anonymisierte oder pseudonymisierte Daten zu beschränken. ⁴Die
Fachaufsichtsbehörde hat mindestens nach fünf Jahren zu überprüfen, ob die Speicherung der
Daten noch erforderlich ist.
Darüber hinaus fällt bei genauerer Durchsicht des Entwurfs, und nach Abgleich mit dem noch gültigen „Unterbringungsgesetz“, außerdem eine Ergänzung in der Frage der Gestaltung der Unterbringung auf. Bisher wurde das in Artikel 14 lapidar geregelt:
Art. 14
Persönliche Ausstattung des Unterbringungsraums und persönlicher Besitz
Der Untergebrachte hat das Recht, seine persönliche Kleidung zu tragen und persönliche Gegenstände in seinem Zimmer zu haben, soweit hierdurch keine gesundheitlichen Nachteile für ihn zu befürchten sind oder die Sicherheit oder Ordnung der Einrichtung nicht erheblich gestört wird.
Nun regelt das Artikel 21, aus dem wir den seltsamen Absatz 5 zitieren:
Persönlicher Besitz und Ausstattung des Unterbringungsraums
(5) Die untergebrachte Person darf Presseerzeugnisse in angemessenem Umfang durch
Vermittlung der Einrichtung beziehen, sofern diese nicht geeignet sind, die Ziele der Unterbringung
zu gefährden.
Das erinnert an das Polizeiaufgabengesetz, wonach der Zugang zu Rundfunk und Fernsehen unterbrochen werden kann! Diese Stelle ist bisher noch gar nicht kritisiert worden! Das ist ein Angriff auf die Informationsfreiheit! In der Begründung der Staatsregierung zu dem Entwurf, wird darauf nicht eingegangen. In welcher Weise können denn bitte Presseerzeugnisse die Ziele der Unterbringung gefährden?! Vor allem ist es wieder derart allgemein formuliert, dass es sehr weit auslegbar ist.
Pikant: In der Begründung zu den Voraussetzungen für eine Unterbringung (Artikel 5) heißt es ferner: Eine Gefährdung der Allgemeinheit kann beispielsweise bei einem Angriff auf geparkte Polizeifahrzeuge vorliegen.
Hier wird klar, wer gemeint ist. Ja, die Institution Psychiatrie ist ein beliebtes Instrument, um sich auch politisch Andersdenkender bequem zu entledigen. Lasst uns also sowohl gegen das drohende neue Polizeiaufgabengesetz, als auch gegen das sog. „Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz“ protestieren!
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