Kleines Update!
Einfach mal zwei Beispiele:
Deutschlandfunk, 15.02.2018: Bericht über ein Projekt zweier Frauen. Sie wollen ein „digitales Archiv für die Kunst der Sinti und Roma“, das RomArchiv aufbauen. Ein Kunstwerk des britischen Roma-Künstlers Daniel Baker steht derzeit ganz real in einer Ausstellung in Budapest, so der Beitrag. Wenn die vorbei ist, soll das Werk später im RomArchiv zu sehen sein, zusammen mit tausenden anderen Zeugnissen von Kunst und Kultur der Sinti und Roma in Europa, auch in verschiedenen Sprachen. Interessant, ehrenwert, durchaus kontrovers (Vgl. www.deutschlandfunk.de). Aber darum geht es hier nicht, es geht nur um die Schlussbemerkung: Die Radio-Autorin spricht die Zukunftspläne von RomArchiv an: Auf lange Sicht hofften demnach die Initiatorinnen, dass es nicht nur beim Internetprojekt bleibt. „Vielleicht irgendwann auch analog“, heißt es da. Ups!? Analog? Gemeint ist wohl: nicht-digital, ganz real, zugänglich, anfassbar.
Journalistische Ungenauigkeit? Nicht ganz. Analog wird´s mittlerweile immer öfter! Prüfen Sie es selber nach in TV und Radio, im Internet etc. Wo gesagt werden soll, dass digital, im Internet, übers Smartphone u. Ä. vielleicht doch nicht reicht, wo man etwas real vor Augen oder in Händen haben sollte, da heißt es neuerdings analog.
Noch ein Beispiel (neu hinzu gefügt 15. April 2018): Oliver Welke am Freitag, dem 13. April 2018 in der Heute-Show: Gerade hat er sich über die geplanten, lächerlichen Investitionssummen (3,5 Mrd. in 4 Jahren) für die geplante Digitalisierung der Schulen ausgelassen. Und er lästert weiter. Welke wörtlich: „Digitalisierung! Digitalisierung? Es fehlen ohne Ende Lehrer, ganz analoge Lehrer!…“ Was soll´n das sein? Eigentlich brauchen wir doch echte, lebendige engagierte Lehrerinnen und Lehrer (Quelle: https://www.zdf.de/comedy/heute-show/heute-show-vom-13-april-2018-100.html – ca. Minute 9).
Und das gibt´s erst Recht bei hoch gelahrten teutschen Professoren.
Auftritt Harald Welzer (der mit dem Wahlboykott (ixquicken!)), Professor für Transformationsdesign (?) in Flensburg und St. Gallen, außerdem Chef – ´tschuldigung! – Direktor! einer angesagten(?) Stiftung Futurzwei, außerdem natürlich Buchautor.
In seinem Werk „Die smarte Diktatur“ trägt er interessante Enthüllungen über viele brutal kapitalistische, ganz reale Horrorfolgen des „Digitalisierungshypes“ zusammen. Über Daten-Sammel-Wut und Smartphone-Schwachsinn, freiwillige Unterwerfung unter die Daten-gestützte Kontrolle der Google-Apple-Konzerne, faschistische Machtträume der IT-Big-Data- und Internetkapitalist/innen. Auch die Daten-Wirtschaft verursache gewaltige Umweltschäden und einen irren Energieaufwand. Prof. Welzers dürres Gegen-Rezept: ein verbal-radikal aufgebrezelter Reformismus!
Aber voller Emphase schreibt er auf Seite 165 (Die smarte Diktatur, Ausgabe Büchergilde Gutenberg, Frankfurt/M 2016): „… Dass alles, was zum Überleben notwendig ist, aus Boden, Wasser und Luft kommt und nicht schon ursprünglich aus Fabrik und dem Supermarkt, ist weitgehend unsichtbar und daher unbewusst. Das kann soweit gehen, dass man sich allen Ernstes vorstellt, dass eine digitale Gesellschaft die Dinge bereitstellen kann, die man zum Leben und Überleben braucht“. Gut gebrüllt, Löwe! Aber Welzer steigert die Emphase: „Leben ist analog!“
Das gleiche noch mal, 114 Seiten später. Bei „Gebrauchsanweisung zur Erzeugung von Systemstörungen“ heißt´s: „Das Leben ist analog. Beziehungen sind analog. Empathie, Liebe, Hass, Wut, Mitleid und Freunde sind analog…“(ebd. S. 279)
Quatsch, Herr Professor, Sie müssten es eigentlich besser wissen!?? Quatsch, werte Redakteurinnen und Redakteure vieler Medien, die immer mehr von diesem Blödsinn von sich geben! Leben soll analog sein?
Nein, Leben ist real! Ganz materiell! Anfassbar, laut, leise, schwer, leicht, duftend, stinkend, hell, dunkel, weich, hart! Es handelt sich hier um nichts weniger als die Realität, um die – jawohl! – Wirklichkeit. Leben ist real, Leben ist wirklich, ist schön oder furchtbar, begeisternd oder bedrückend, duckmäuserisch oder aufrührerisch.
Aber was ist dann analog? Das ist auch nur eine Art, diese Wirklichkeit, diese Realität in Medien (grafisch, fotografisch, akustisch, in aufbereiteten Daten, im TV, im Kino etc.) wiederzugeben und widerzuspiegeln, nur älter, in Teilen rückständig. Beispiel: Die alten Filme!
Beispiel Vinyl-Schallplatte: Musik oder Sprache, all das bebende akustische Schallwellengewaber wurde einst über komplizierte elektroakustische und mechanische Maschinen liebevoll in eine rotierende Vinyl-Platte hineingeschnitten. Elektroakustische Plattenspieler mit winzigen Diamanten oder Saphiren fahren die Rille nach, und die Musik erklingt wieder. Wenn´s gut gelingt, so sagen Musikgourmets auch heute noch, ist die analoge Musikaufnahme mindestens so gut wie eine digitale.
Weiteres Beispiel aus der Industrie: Gerne wurde mit der Polaroid-Technik (Foto in 5 Minuten) von bestimmten, z.B. komplizierten Maschinen oder Vorrichtungen Bilder aufgenommen. Die dienten als Dokumentation für einen späteren Wiedereinsatz des Objekts. Perfekt in 5 Minuten! Analog! Jeder weiß: heute geht’s mit Digital-Kamera oder Smartphone leichter, sekundenschnell. Man kann auch noch digital speichern und genauso schnell wieder löschen. Leitz-Ordner, in die früher das Polaroid-Foto zur Aufbewahrung wanderte, also die analogen Vorgänger des digitalen folders, braucht man dafür nicht mehr.
Was besonders das dritte Beispiel zeigt und nur zu gerne übersehen wird: Digital und analog sind kein echter Gegensatz, sondern zwei Stufen auf der Leiter des technischen Fortschritts. Fingere ich noch ein altes Polaroid-Foto aus dem alten Ordner, ich kann auch heute noch sehr wohl etwas damit anfangen. Digitale Bilder sind einfach viel praktischer, man kann sie bei Bedarf auch vergrößern, um Details besser erkennen zu können. Bekanntlich gehen aber die Möglichkeiten der digitalen Techniken über die komplexester analoger Systeme exponentiell hinaus.
Korinthenkackerei? Nein! Wenn solch ein Phänomen in Medien und Öffentlichkeit in peinlichem Umfang um sich greift, dann passiert was um uns herum.
Als erstes fällt auf, dass eben trotzdem aus digital und analog ein scharfer Gegensatz gemacht wird, der real gar nicht existiert! Damit aber gerät der wesentliche Gegensatz aus dem Blick: der zwischen Medienwiedergabe und der ihr zugrunde liegenden, handfesten Wirklichkeit. Der zwischen den in Medien existenten Datensätzen und -sammlungen und der brutalen, harten, greifbaren, begreifbaren Wirklichkeit mit ihren von der einzelnen Person unabhängig wirkenden Entwicklungsgesetzen. Wenn der zweite Begriff entsorgt und durch „analog“ überkleistert wird, wird die Wirklichkeit vollends aus dem Blick geschafft!
War da nicht was? Fake-News? Alternative „Fakten“?
Etwas wird eliminiert, was in unserer Erkenntnis zentral ist. Der echte, real vorhandene Gegensatz wird verfälscht, verzerrt, gelöscht zu Gunsten eines völlig falschen! So wird erreicht, dass die Menschen ihre Urteilskraft verlieren! Es handelt sich um einen Angriff auf unsere Urteilsfähigkeit und auf die großartige Errungenschaft Materialismus. Nicht auf platten, mechanischen Materialismus (Geldgier gehört einfach zur Natur des Menschen uam.), sondern auf den dynamischen, den historischen und dialektischen Materialismus.
Honi soit qui mal y pense!“ – Ein Schuft, wer Böses dabei denkt!1
Lenin hat gezeigt, dass in der Philosophie so wie auch in anderen realen Bereichen der Gesellschaft sich unbedingt die reaktionärsten Tendenzen niederschlagen. Reaktionärer, wissenschaftsfeindlicher Unsinn sollte nicht unwidersprochen bleiben!
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- Das schrieben die alten englischen Feudalherren als Drohung gegen ihre Plebejer in unnachahmlichem Zynismus und schönem Französisch auf ihren höchsten, auf den Hosenband-Orden (Order of the Garter)