Der Fall Yücel und die deutsch-türkischen Beziehungen

Zeitgleich mit der in München stattgefundenen NATO-„Sicherheitskonferenz“ wurde der seit einem Jahr in der Türkei ohne Anklage und Prozess in Haft gehaltene deutsche Journalist Deniz Yüzel frei gelassen. Ohne Begründung wie er vor der Kamera aussagte, genau so wie er ohne rechtliche Begründung verhaftet wurde.

Nicht zu Unrecht stellt die Süddeutsche Zeitung in einem Artikel vom 18.2. folgende Zusammenhänge fest:

Die Türkei setzt die Bundesregierung unter Druck, nachdem sie den Journalisten Deniz Yüzel freigelassen hat.

Am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz sagte der türkische Regierungschef Yildirim, er wünsche sich eine deutsche Beteiligung am Bau von Kampfpanzern.

Am Freitag, dem Tag nach Yüzels Freilassung, wurden in Istanbul drei prominente türkische Journalisten zu lebenslanger Haft verurteilt, die sie fast vollständig in Isolation verbringen müssen.“

Vor allem das zeitliche Zusammentreffen der Freilassung Yüzels mit dem Angriff des türkischen Militärs auf Afrin (mit Panzern, die von Deutschland geliefert worden sind) ist mehr als augenfällig. Auch wenn Außenminister Sigmar Gabriel vor laufenden Kameras beteuert, es habe «keinen politischen Handel» gegeben, so muss das nicht unbedingt der Wahrheit entsprechen.

Der türkische Ministerpräsident Yildirim äußerte jedenfalls die Hoffnung auf eine Verbesserung der deutsch-türkischen Beziehungen. Dazu zählte er ausdrücklich die deutsch-türkische Rüstungskooperation. Ankara, so Yildirim am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz, wünsche sich eine Beteiligung am geplanten Bau des türkischen Kampfpanzers Alty. Die Türkei plant den Bau von etwa 1.000 Kampfpanzern im Wert von sieben Milliarden Euro.

Als „selbstverständlich“ verteidigte Yildirim den Einsatz deutscher Panzer vom Typ Leopard 2 bei der Offensive gegen Afrin und die kurdischen Milizen der YPG: „Wir haben sie ja für Tage wie heute gekauft, wenn wir angegriffen werden. Wann sollten wir sie denn sonst einsetzen?“

Die Bundesregierung hatte sich nach dem Einmarsch der türkischen Verbände auf syrisches Gebiet zunächst geweigert, die Panzer mit Minenschutz nachzurüsten. Dazu der türkische Ministerpräsident: „Wenn wir es von Deutschland bekommen: gut. Wenn nicht, haben wir Alternativen, und zwar immer.“ Er lockt also mit fetten Rüstungsaufträgen. Ob da die Bundesregierung auf Dauer widerstehen kann?

Zwischen 2006 und 2011 wurden insgesamt 345 Leopard 2 geliefert – ohne Auflagen für den Einsatz. Die Türkei ist ja auch NATO-Partner!

Beredt ist ebenfalls das Schweigen und die Leisetreterei gegenüber dem türkischen Regime angesichts der Verurteilung der drei prominenten türkischen JournalisInnen Ahmet Altan (67), Mehmet Altan (65) und Nazli Ilicak (73) zu lebenslanger verschärfter Haft wegen angeblicher Unterstützung des Putschversuchs im Juli 2016. Alle drei hatten dies vor Gericht bestritten.

Es ist jedoch nicht so, dass die türkische Regierung, Erdogan, Yildirim usw. die „Bösen“ sind, die die deutsche Regierung „erpressen“. Man muss die Bundesregierung nicht dazu „erpressen“, im Sinne der deutschen Rüstungskonzerne zu handeln und Ausfuhrgenehmigungen für Rüstungsgüter aller Art zu erteilen, Panzer in die Türkei und nach Saudi-Arabien, atomwaffenfähige U-Boote nach Israel, Kleinwaffen überall dorthin wo Kriege und Bürgerkriege geführt werden.

Welche Rolle der „Flüchtlingsdeal“ zwischen der EU und der Türkei, bei dem die Türkei 3 Milliarden Euro für das Aufhalten der Flüchtlinge aus Syrien und Irak erhält, in den Treffen zwischen Gabriel und Yildirim gespielt hat, wissen wir nicht. Über „schmutzige Geschäfte“ schweigt man lieber.

Schluss mit Rüstungsexporten!

Keine Zusammenarbeit mit der türkischen Erdogan-Diktatur!

S.N.