Von İhsan ÇARALAN, aus der türkischen Tageszeitung Evrensel
Erdoğan und seine AKP-Regierung haben den für den 2. Februar geplanten Metallerstreik verboten.
In den laufenden Tarifverhandlungen mit dem Arbeitgeberverband MESS hatten die Gewerkschaften einen Streik beschlossen, an dem 130 Tausend Metallarbeiter teilnehmen sollten. Der Streik wurde nun mit einem Kabinettsbeschluss untersagt, dem auch der Staatspräsident zustimmte. Der Verbotsbeschluss wurde wenige Stunden vor dem Treffen der Regierung mit MESS verkündet. Genau so, als wollte man sagen: “Jetzt könnt ihr ohne Streikandrohung auf eurer Position beharren.”
Die “nationale Sicherheit” erlaubt alles!
Das Verbot wurde damit begründet, dass der “Streik gegen die nationale Sicherheit” gerichtet sei. Mit anderen Worten: Die Forderungen nach einer Lohnerhöhung, die über dem von MESS gemachten Angebot von 6,4 % liegt, dass die Tarfiverträge für einen Zeitraum von 2 und nicht wie bisher 3 Jahren abgeschlossen werden und Forderungen nach der Lösung des Alterszulageproblems im Sinne der Arbeiter sind “gegen die nationale Sicherheit gerichtet”. Im Umkehrschluss kann die Schlussfolgerung aus den obigen Feststellungen nur lauten: Unter “nationaler Sicherheit” verstehen Erdoğan und die AKP-Regierung den Schutz der Arbeitgeberinteressen und von MESS.
Anders ausgedrückt: Das von MESS unterbreitete Angebot von 6,4 % Lohnerhöhung, das Festhalten an dreijährigen Tarfiverträgen, die Arbeitsmarktpolitik, mit der die Löhne der Metallarbeiter auf die Höhe des Mindestlohnes heruntergedrückt werden – das alles ist nicht gegen die “nationale Sicherheit” gerichtet, sondern dient dem nationalen Schutz, aber wenn Arbeiter für bessere Arbeits- und Lebensbedingungen kämpfen und dabei ihre verfassungsmäßigen Rechte in Anspruch nehmen wollen, gefährden sie die “nationale Sicherheit”!
Was macht jetzt die Gewerkschaftsführung?
Die AKP-Regierung hatte bereits im Juli 2003, also im ersten Jahr ihrer Regierungszeit das erste Streikverbot verfügt. Mit ihrer arbeiterfeindlichen Politik verbot sie in ihrer insgesamt 15-jährigen Regierungszeit 13 Streiks. Das vorliegende Streikverbot ist also inzwischen das 14. Verbot. Vor diesem Hintergrund konnten sich viele Arbeiter ausmalen, dass die AKP auch diesen Metallerstreik verbieten würde. Sie befürchteten bereits, dass die traditionell arbeiterfeindliche Regierungslinie unter den Bedingungen des herrschenden Ausnahmezustands und unter “Kriegsbedingungen” aufgrund der Militäroperation gegen Afrin-Syrien verboten würde. Viele waren jedoch zuversichtlich: “Wir müssen im Falle des zu erwartenden Verbots trotzdem streiken, um unsere Foderungen durchzusetzen.”
Vor MESS nicht in die Knie gehen
Der Vorsitzende der Gewerkschaft Birleşik Metal-İş (Mitglied im Gewerkschaftsbund DISK), Adnan Serdaroğlu, hatte bei der Verkündung de Streikbeschlusses betont, dass die 12.000 Mitglieder seiner Gewerkschaft am 2. Februar auf jeden Fall in den Streik treten würden: “Sollte der Streik verboten werden, erklären wir heute hier, dass wir uns über das Verbot hinwegsetzen werden.” Der Gewerkschafsvorstand unterstrich diese Entschlossenheit und beschloss in seiner Sitzung nach dem Kabinettsbeschluss am Festhalten am geplanten Streik.
In sozialen Medien wurde betont: “Unser Streik wurde verboten. Er soll gegen die nationale Sicherheit gerichtet sein. Wir haben es satt! Wir erkennen diese Verbotsverfügung nicht an! Wir werden nicht stillschweigend zusehen, wie der MESS und die Regierung gemeinschaftlich unseren Kampf unterdrücken!”
Diese Ankündigung ist entscheidend. Denn wer unter den heutigen Bedingungen nicht in den Streik tritt, geht vor dem MESS in die Knie und liefert sich ihm aus.
Was bedeutet das Verbot von Aussperrungen?
Im von Erdoğan gebilligten Kabinettsbeschluss wurden nicht nur der Streik, sondern auch die vom MESS beschlossenenen Aussperrungen verboten. Die Unterstützer der Militäroperation und regierungsnahe Medien verweisen darauf und sagen, die Regierung behandele Arbeiter und Unternehmen gleich. Das Verbot von Aussperrung hat jedoch praktisch keine Bedeutung. Denn Aussperrung würde nur im Falle von einem Streik greifen. Und ohne Streiks gibt es auch keine Aussperrung, für die in diesem Falle kein Verbot notwendig wäre.
Der Kabinettsbeschluss ist also kein Ausdruck für die Gleichbehandlung von Arbeitern und Kapital. Ganz im Gegenteil: mit dem Streikverbot wird das Kapital begünstigt. Den Fortgang dieses Kampfes wird die Haltung der Arbeiter bestimmen. Es sind viele Anzeichen da, dass sie sich nicht ergeben werden.