Den Auftakt zu einem neuen Jahr bildet traditionell die Gelegenheit, an alle diejenigen, die uns lieb und teuer sind, gute Wünsche zu senden, aber es ist auch der Augenblick, um mit diesen Menschen die Bilanz des vergangenen Jahres zu ziehen, um die persönlichen und kollektiven Bestrebungen, die unseren berechtigten Ambitionen und Träumen dienen sollten, zu bewerten.
Ich habe festgestellt, dass das Jahr 2017 für euch, meine lieben Arbeiter, Bauern, übrige Werktätige, Jugendliche, ein schwieriges Jahr war. Eure Hoffnungen wurden bei weitem nicht erfüllt. Der triumphale Marsch in Richtung „Aufstreben“, der von Ouattara versprochen wurde, hat sich am Ende als ein wahres Trugbild für uns herausgestellt.
Ich habe bemerkt, dass auf wirtschaftlichem und sozialem Gebiet ihr kaum euer tägliches Brot verdient, trotz des ökonomischen Wachstums von 8%, das eurer Arbeit zu verdanken ist und das als Rechtfertigung der Prahlerei der Regierung dient; zwischen 2016 und 2017 fiel der Preis des Kakaos um 36%, der des Kautschuks um 20%; eure Fähigkeit, sich medizinisch zu versorgen und den Schulbesuch für eure Kinder zu finanzieren, hat sich mit der Zunahme der Gelderpressungen bei der Grundversorgung verringert; während ihr Trübsal blast, leisten sich die Herren an der Macht und ihre Clique Urlaub in Europa und Asien in Touristenparadiesen. Sie lassen sich in Frankreich, USA, Marokko und Tunesien medizinisch behandeln. Ihre Kinder sind an den hippen Universitäten des Westens. Ihr lebt im Elend, und das wisst ihr besser als ich. Nur die großen Bourgeois, die an der Spitze des Staates stehen, wagen es, euch zum Hohn von einem Rückgang eurer Armut, von der Verbesserung eurer Lebensverhältnisse zu sprechen.
2017 war die politische Lage für euch noch schwieriger. Die persönlichen und kollektiven Freiheitsrechte wurden in breiter Front mit Füßen getreten: Es gibt noch viele politische Gefangene (Assoua Adou, Hubert Oulai, Samba David, usw.), die ohne Gerichtsverfahren in den Kerkern der Regierung Ouattara schmachten. Laurent Gbagbo und Blé Goudé sind nach Den Haag deportiert. Viele Ivorer sind immer noch zum Exil gezwungen.
Ich habe auch bemerkt, dass unser Land immer noch von der französischen Armee besetzt ist, die im Oktober 2017 ihre Präsenz um 200 Fallschirmjäger verstärkt hat, zu einem Zeitpunkt, in dem sich in der nationalen Armee Unruhe bemerkbar machte; in Erinnerung an die schmerzhafte Periode von 2002 bis 2011 gibt es Grund, Angst zu haben; trotz dieser massiven Militärpräsenz, die uns angeblich schützen soll, gibt es weder im Inneren noch an den Landesgrenzen Sicherheit; die mit Kriegswaffen bewaffneten Gangs, machen in den Großstädten und auf dem Land das Gesetz. Diese Kriminellen greifen ungestört Tag und Nacht Kasernen, Fabriken, Konvois und Menschen an und rauben Güter und Waffen. Noch schlimmer, in der Elfenbeinküste werden in Privatwohnungen Kriegswaffen gelagert, die jederzeit in den Konflikten der Clans der Großbourgeoisie verwendet werden können. Das Volk von der Elfenbeinküste ist wahrhaft in Gefahr.
Ich habe auch bemerkt, dass die Regierung Ouattara in die Korruption und das weitgespannte, gut organisierte Netz der unlauteren Bereicherung verstrickt ist. Die Märkte des stillschweigenden Einvernehmens sind Legion; die berüchtigten Infrastruktur-Arbeiten sind ein Mittel, um die Staatsfonds unter die Mitglieder der politischen Familie der RHDP 1) aufzuteilen. Das aussagekräftigste Beispiel bieten die Arbeiten zur Straßenerneuerung. Das sind Arbeiten, die zu jeder Regenzeit von den gleichen unfähigen Firmen wieder aufgenommen werden. Die Elfenbeinküste wird in der Tat von Geiern, die an die Spitze des Staates gestellt sind, zerrupft.
Im Laufe des Jahres 2017 habt ihr gekämpft: Die Beamten für die Einhaltung der Versprechen der Regierung; die Arbeiter des Privatsektors und der Staatsbetriebe gegen die Massen- und willkürlichen Entlassungen; die Bauern für die Anhebung des Kakaopreises; die kommunalen Angestellten und Zollbeamten für bessere Entlohnung und gegen den Raub ihrer Prämien; die Studenten gegen die Schutzgelderpressungen an der Schule usw.; alle für die Verbesserung eurer Einkommenssituation und eurer Arbeitsbedingungen, gegen die Einschränkung der gewerkschaftlichen Rechte, gegen Korruption und Erpressung. Anstatt mit euch zu reden hat die Regierung Ouattara die Ordnungskräfte gesandt, um euch zu unterdrücken, mit Tränengas vorzugehen und euch zu demütigen; eure Führer wurden ins Gefängnis geworfen und/oder ihnen wurde der Lohn gestrichen. Trotz allem habt ihr Siege davongetragen, auch wenn noch Kämpfe um verschiedene Dinge geführt werden müssen, auch wenn die Gewerkschaftsbonzen die Hosen herunterließen, indem sie einen Sozialvertrag für 5 Jahre unterzeichnet haben. Aber diese Teilsiege sind der Beweis, dass ihr von der Herrschaft der Bourgeoisie ohne Kampf nichts bekommt.
Das Jahr 2017 geht zu Ende mit der Furcht vor unsicheren und gefährlichen Wahlkämpfen um den Senat und die Kommunen, mit einer Wahlkommission und einem Verfassungsrat, die Parteigänger der RDR 2) sind, undurchsichtigen Wahlbedingungen, einer nicht aktuellen Wählerliste, einem schwachen Service zur Ausstellung von Personalausweisen, insgesamt einem Willen dazu, den Wahlbetrug zu organisieren. Auf gesellschaftlicher Ebene endet das Jahr mit zahlreichen, nicht erfüllten Forderungen (Lehrer, Ärzte, Grenzbeamte, kommunale Beamte etc.), die Zuspitzung bei Schutzgelderpressungen von Schülern und Studenten, der Lehramtsanwärter usw. Dazu kommt noch eine galoppierende Inflation seit dem Anstieg der Benzinpreise.
Die Realität ist heute, dass das Leben des Volkes immer schwerer wird. Die ausposaunten, fantastischen Zahlen füllen nicht den Einkaufskorb, erlauben den Kindern keinen Schulbesuch, bezahlen nicht den Arzt. Tatsache ist, dass das dank eurer Arbeit erzielte Wachstum nicht dem Volk zugute kommt. Heute fallen in der Elfenbeinküste all die, welche von ihrer Arbeit leben (dauernd oder gelegentlich Beschäftigte, Handwerker und Bauern, Händler oder Marktfrauen) täglich tiefer ins Elend. Aber gefühllos für die Leiden der Arbeiter und des Volkes, taub für die Schreie der Verzweiflung, singt die Regierung der Bourgeoisie das Lied: „Alles ist gut“. Tatsache ist, dass ihr einer demagogischen und repressiven Herrschaft gegenübersteht. Diese Herrschaft will, dass ihr ihr zujubelt, auch wenn alles schlecht läuft, auch wenn ihr im Elend lebt.
Wir bewegen uns ganz sicher auf das Chaos zu. Ist das unabwendbar? Nein und nochmals nein. Ich höre nicht auf zu wiederholen, dass die Elfenbeinküste nur das sein wird, was seine Völker wollen. Ich höre nicht auf, euch zum Kampf aufzurufen, um der Herrschaft der Großbourgeoisie, welche die Freiheit tötet und euch aushungert, die Quelle aller Übel, ein Ende zu bereiten.
Meine Überzeugung ist, dass nur die Macht der Arbeiter, Bauern und anderer Werktätiger in der Lage sein wird, eine moderne Wirtschaft im Dienste der Volksmassen in die Wege zu leiten und Rechtschaffenheit, Gerechtigkeit und den Rechtsstaat in einer befreiten Elfenbeinküste zum Leitbild der Herrschaft zu machen.
Für das beginnende Jahr 2018 möchte ich euch allen im Namen der Revolutionären Kommunistischen Partei der Elfenbeinküste (PCRCI) meine Wünsche für Gesundheit, Freude, Erfolg und Wohlstand übermitteln; dass alle die Hoffnung haben mögen, in einer Elfenbeinküste der Freiheit, der Demokratie und des sozialen Wohlstands leben zu können. Ich wünsche den Völkern der Elfenbeinküste den notwendigen Mut und Willen, ihre Löhne, Gehälter, die öffentliche Schule zu verteidigen, allen Angriffen auf die Freiheitsrechte und die Demokratie zu widerstehen, gegen die Stationierung der französischen Armee und aller ausländischen Armeen in der Elfenbeinküste zu protestieren und ihren Abzug von unserem Territorium zu verlangen, um in einem patriotischen Anlauf eine Front der politischen Kräfte zu bilden, die das Ende des neokolonialen Systems und der räuberischen Macht wollen, um zur Volksmacht, der einzigen politischen Alternative, die dem Volk dient, zu kommen. Gutes und glückliches Jahr 2018.
Abidjan, den 25. Dez. 2017
Achy Ekissi (Generalsekretär der PCRCI)
1) RHDP : „Rassemblement des houphouëtistes pour la démocratie et la paix“ ist ein Zusammenschluss von fünf ivorischen, liberal-konservativen Parteien, der sich bei der Präsidentschaftswahl 2010 im 2. Wahlgang hinter den Kandidaten Alassane Ouattara gestellt hat.
2) RDR: „Rassemblement des républicains“ ist eine liberale Partei in der Elfenbeinküste. Sie ist Mitglied der liberalen Internationale. Seit 1999 ist Alassane Outtara ihr Vorsitzender.