Genosse Hamma Hammami, Vorsitzender der POT und der Volksfront spricht
Rund 300 Teilnehmer/innen kamen am Samstag, den 4.11.17 in Tunis zu einer Veranstaltung der Arbeiterpartei Tunesiens (POT) zum 100. Jahrestag der Oktoberrevolution. 17 marxistisch-leninistische Bruderparteien und -organisationen aus Ecuador, Dominikanische Republik, Burkina Faso, Marokko, Peru, Brasilien, Spanien, Mexiko, Pakistan, Indien, Frankreich, Benin, Elfenbeinküste, Türkei, Iran, Dänemark, Deutschland waren als Gäste anwesend.
Bei den Teilnehmer/innen konnte man ihre Begeisterung für die Oktoberrevolution spüren. In einer Podiumspräsentation nahmen der Vorsitzende der POT, Genosse Hamma Hammami, der Vertreter der Internationalen Konferenz marxistisch-leninistischer Parteien und Organisationen (IKMLPO), Pablo aus Ecuador, sowie Sprecher aller Mitgliedsparteien der Front populaire Tunesiens zur Oktoberrevolution und ihrer Bedeutung für heute Stellung. Neben historischen Fragen, wurde auch aufgeworfen, was man heute aus der Oktoberrevolution lernen kann. Nach dem Podium hatten die Teilnehmer/innen im Saal die Möglichkeit, etwas zum Thema zu sagen. Das wurde eindrücklich, voller Energie und Schwung genutzt. Dabei ging es auch um die Möglichkeiten, in Tunesien eine reaktionäre Entwicklung zu verhindern und die auf halbem Wege stehen gebliebene Revolution voranzubringen. Die Veranstaltung war ein bemerkenswertes Zeugnis des gemeinsamen revolutionären Willens aller fortschrittlichen und revolutionären Kräfte in Tunesien, diesen Weg Richtung Sozialismus weiter zu gehen.
Instabile Lage in Tunesien drängt nach Veränderung
Bei dem Besuch unserer Organisation war die instabile Lage in Tunesien deutlich spürbar. Kurz vor der Veranstaltung gab es im Herzen von Tunis einen islamistischen Anschlag. Auf dem Platz vor dem Parlament wurde ein Polizeioffizier, der dort den Verkehr regelte, von zwei Islamisten enthauptet. Einer der beiden Täter konnte entkommen. Im Zentrum von Tunis, insbesondere vor Ministerien, Behörden, dem Parlament gab es massive Absperrungen. Überall standen Polizei und Militär mit Maschinengewehren im Anschlag. Dazu gab es viele Kontrollen. Es zeigte die Angst und die Schwäche des gegenwärtigen Regimes, unter dem es in Tunesien vor allem für die Arbeiter immer schlechter geht, während sich eine korrupte Klasse ihre Taschen vollstopft.
Seit der Revolution in Tunesien 2010/11, bei der der Diktator Ben Ali gestürzt wurde und mit Hilfe des US-Imperialismus, der EU und des deutschen Imperialismus floh, findet in Tunesien ein Kampf darum statt, welchen Weg das Land gehen sollte. Der Sieg der Revolution wurde von einer breiten progressiven Bewegung erkämpft, an der unsere Bruderpartei, die POT, einen entscheidenden Anteil hatte. Sie war in der Illegalität die Hauptkraft des Kampfes gegen die Ben-Ali-Diktatur. Viele Genossen wurden von der Diktatur gefoltert, getötet oder steckten viele Jahre in den Gefängnissen des Regimes.
Die Flucht Ben Alis brachte die Imperialisten der EU, der USA und Deutschlands in Schwierigkeiten, da sie nicht darauf vorbereitet waren. Zu diesem Zeitpunkt gab es in Tunesien nur zwei Alternativen: entweder die progressive Richtung mit aktiver Beteiligung der POT übernahm die Macht oder die Islamisten. Andere Kräfte waren nicht in Sicht. In ihrer Not setzten die Imperialisten auf die Islamisten, die sich als „gemäßigt“ ausgaben. Sie erhielten Geld und Unterstützung für ihre Wahlkampagne. Eine Macht unter kommunistischer Beteiligung oder gar Führung sollte um jeden Preis verhindert werden. So kam die Ennadha, die islamistische Partei an die Macht, stellte den Präsidenten und die Regierung. Dazu bekam sie die entscheidende Macht in der Verfassungsgebenden Versammlung. Und das nutzte sie, um islamistische Gruppen zu fördern und eine islamistische Verfassung auszuarbeiten, die die Rechte der Frauen und der Arbeiter zerstört hätte. In Tunesien gab es immer mehr politische Morde an progressiven Kräften durch islamistische Terrorgruppen. Dagegen sowie gegen den neuen Verfassungsvorschlag formierte sich eine Massenbewegung, in der die POT eine bedeutende Rolle spielte. Durch diese fortschrittliche Bewegung wurde die islamistische Regierung zum Rücktritt gezwungen und der Verfassungsentwurf überarbeitet.
Die Imperialisten nutzten die Situation. Mittlerweile brauchten sie die Islamisten nicht mehr, denn sie hatten aus den Reihen der Anhänger der Diktatur und anderen reaktionären Kräften mittlerweile angeblich „demokratische“ Parteien geschaffen und diese mit Geld und Beratern unterstützt. Diese wurden nun zur führenden Kraft aufgebaut, um eine fortschrittliche Regierung unter Beteiligung oder gar Führung von Kommunisten erneut zu verhindern.
Eine positive Folge der Entwicklung war es, dass es der POT gelang, andere fortschrittliche Parteien und Kräfte zu überzeugen, eine gemeinsame Front, die „Front populaire“ (Volksfront) aufzubauen, die bei Neuwahlen drittstärkste Partei wurde. Bei den Präsidentschaftswahlen kam der Kandidat der Volksfront, Genosse Hamma Hammami, der Vorsitzende der POT, ebenfalls auf den dritten Platz.
Bis heute konnten die Genossen gestützt auf eine fortschrittliche Volksbewegung verhindern, dass Tunesien wieder zu einer Diktatur der alten Ben-Ali-Kräfte wird wie in Ägypten oder zu einem unumschränkten Tummelplatz für islamistische Terroristen wie in Libyen, Syrien oder Irak. Das ist ein großer Erfolg. Doch die Genossen selbst sagen: Das reicht nicht. Auf Dauer ist eine solche instabile Situation für die Arbeiter und das Volk gefährlich. Es schreit nach einem weiteren Schritt. In diesem Sinne haben sie ein Zukunftsprogramm ausgearbeitet, dass sie derzeit landesweit vorstellen, um die Menschen für einen neuen Schritt Richtung Sozialismus vorzubereiten und die gegenwärtige Stagnation und Labilität des Landes zu überwinden. Wir wünschen ihnen dabei viel Erfolg.
Bei einer Regionalkonferenz
Auf Einladung der POT nahm ein Genosse unserer Organisation sowie von Bruderparteien aus Marokko, Peru, Brasilien und Benin an einer Regionalkonferenz nördlich von Hammamet teil. Es war eine beeindruckende Versammlung. Der Versammlungsort war voll. Viele Kolleg/innen und Genoss/innen folgten den Ausführungen der Referenten zur Oktoberrevolution und ihrer Bedeutung. In diesen Tagen werden in Tunesien neben der zentralen Veranstaltung am 4.11. in Tunis zahlreiche regionale Konferenzen abgehalten, um möglichst viele Menschen zu erreichen und mit ihnen über die Oktoberrevolution und ihre Bedeutung für heute zu sprechen.
Im Anschluss an die Referate gab es eine lebhafte Diskussion. Der Genosse unserer Partei ging in einem kurzen Beitrag darauf ein, wie die Bolschewiki es schafften, die Mehrheit der Arbeiter und Bauern zu gewinnen. Es gelang mit einem einfachen Programm: „Frieden, Brot, Land!“ Dieses Programm drückte die Interessen und Bedürfnisse der großen Mehrheit aus und vereinten die Menschen um die Bolschewiki. War das Programm auch „einfach“, so war es ungleich schwerer und bedurfte unermüdlicher Arbeit, die Mehrheit davon zu überzeugen, dass die bürgerlichen Parteien ein solches Programm niemals verwirklichen würden und dies nur durch eine Revolution möglich sei. Als das schließlich im Alltagskampf der Menschen für ihre Interessen gelang, war der Weg für eine Revolution offen.
Zufrieden und voll Schwung verließen die Teilnehmer das Treffen und die ausländischen Gäste kehrten nach Tunis zurück, um in ihre Länder abzureisen.
dm