Am 24.Oktober 2017 haben die regionalen Tarifkommissionen der IG Metall für die Metall- und Elektroindustrie für die kommende Tarifrunde 6 Prozent mehr Geld und eine Wahloption zur Reduzierung der Arbeitszeit auf 28 Stunden für bis zu 24 Monate gefordert.
Zu Recht verweisen sie auf die gute Lage und das kräftige Wachstum der Wirtschaft; in Deutschland, Europa, weltweit. Die deutsche Metall- und Elektroindustrie erreiche Rekordwerte bei Auslastung, Umsatz und Renditen. Die Tarifkommissionen sähen keinen Grund zur Zurückhaltung und fordern einen Anteil der Beschäftigten am wirtschaftlichen Erfolg, den sie selber erarbeitet haben.
Bereits Mitte November sollen erste Verhandlungen starten. Am 31. Dezember endet die sogenannte Friedenspflicht. Ab dem 1. Januar 2018 sind dann Warnstreiks zulässig. Aber schon vorher wird es Aktionen geben. Im Bereich Baden-Württemberg sind am 14. Dezember Aktionen geplant, z. B. eine Großdemo in Ludwigsburg, die Druck auf die Verhandlungen machen soll.
Unsere Kritik an den Forderungen
Mit 6% mehr Lohn, Gehalt und Ausbildungsvergütung ist die Geldforderung etwas höher als die 5%-Forderung der Tarifrunde 2016. Diese wurde selbst von Bezirksleiter Roman Zitzelsberger (Baden-Württemberg) als „bisher bescheidenste Tarifforderung“ bezeichnet. 6% mehr sind kaum anspruchsvoller. Aus Betrieben waren wieder deutlich höhere Forderungen gestellt worden.
Die Arbeitgeber heulten sofort nach Bekanntwerden rituell auf. Sie warfen der IG Metall sogleich „tarifpolitische Geisterfahrt“ vor. Sie jammerten, wenn „in Zeiten des Fachkräftemangels“ Mitarbieter/innen ihre Arbeitszeit selber herabsetzen könnten, wäre es kaum möglich Ersatz zu beschaffen. Hier müssen alle Kolleg/innen hellwach in der Gewerkschaft dafür sorgen, dass wir vom Kapital verlangen, endlich mehr Jugendliche zu qualifizieren bzw. Auszubilden. Dann gibt’s auch keinen Fachkräftemangel.
Wie auch immer, schon jetzt ist klar: Ohne entschiedenen Kampf, ohne baldige Urabstimmung und Streik wird es weder etwas mit einer auch nur in Nähe von 6% reichenden Entgelterhöhung noch mit der ebenfalls geforderten Wahloption zur Reduzierung der Arbeitszeit.
Arbeitszeit ist nicht nur eine individuelle Frage!
Gut an dieser zweiten Forderung ist, dass das Thema Arbeitszeit und Arbeitszeitverkürzung von der IG Metall endlich wieder offiziell aufgegriffen wird. Dies entspricht auch der Meinung der Mitglieder und wurde auf den letzten Gewerkschaftstagen immer wieder gefordert und beschlossen. Zu lange wurde die Abkehr von der geltenden 35-Stunden-Woche geduldet. Zu lange wurde der Kardinalfehler der 35-Stunden-Woche nicht angegangen. Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich ist zwar erkämpft worden – Arbeitszeitverkürzung bei vollem Personalausgleich wurde nicht vereinbart. Dies führte zu Leistungsverdichtung besonders in den Bereichen, in denen die Arbeitsleistung nicht durch Vorgabezeiten oder Akkord-Stückzahlen definiert ist. Zudem ist es ein „offenes Geheimnis“, dass genau aus diesem Grund viele Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie viel unternommen haben, um zahlreiche Tätigkeiten aus Vorgabezeit- bzw. akkordähnlich bezahlten Tätigkeiten in den Zeitlohn zu pressen.
Scharf zu kritisieren ist an der beschlossenen Forderung der individuelle Charakter der Wahloption bei der Arbeitszeit. Mitglieder der IG Metall sollen eine Wahloption auf Reduzierung der individuellen regelmäßigen Arbeitszeit erhalten – auf bis zu 28 Stunden in der Woche für eine Dauer von bis zu 24 Monaten – zum Teil mit, zum Teil ohne Lohnausgleich. Im Einzelfall, z.B. bei Kinderbetreuung oder Pflege von älteren Familienangehörigen hilft eine kürzere Arbeitszeit sicher einzelnen Beschäftigten. Als Arbeitszeit-Forderung für eine Tarifrunde ist diese Forderung schädlich.
Schlecht an der Forderung ist zudem, dass mit ihr einer Zersplitterung der Belegschaft Vorschub geleistet wird. Und das in einer Situation, in der die Arbeitgeberverbände die Aufweichung aller Arbeitszeitregelungen fordern, in der eine neue Bundesregierung die neoliberalen Angriffe auf alle Beschäftigten verstärken wird. Diese Forderung hilft nicht „gemeinsam stark“ zu sein, bzw. „stark zu werden“. Sie fördert die Zersplitterung.
Dazu passt allerdings das Logo der Arbeitszeitkampagne des Vorstands der IG Metall genau: „Mein Leben – meine Zeit“.
Es geht erst in zweiter Linie um mich, um mein Leben, um meine Zeit. Die Gewerkschaftsbewegung ist entstanden und stark geworden gerade durch den Schritt vom ICH zum WIR. Der kollektive Tarifvertrag war die Keimzelle der Gewerkschaftsbewegung. Es gibt keinen Grund, dies heute aufzugeben.
Wir müssen die Frage der generellen Arbeitszeitverkürzung wieder auf die Tagesordnung setzen. Das ist, nicht zuletzt, wenn man auf die bedrohten Jobs der Automobilindustrie blickt, eine gesellschaftliche Auseinandersetzung, keine auf Einzelbetriebe beschränkte Frage. Wir müssen weitere Schritte hin zur 30-Stunden-Woche beschließen und durchsetzen. Wir müssen dabei Regelungen für alle durchsetzen und alles Trennende zur Seite schieben.
Ohne Streik wird´s nichts!
Wer nicht erleben will, dass auch diese Tarifrunde wieder in dem üblichen Tariftheater versackt, hat keine andere Wahl: „Jetzt geht’s los!“ ist der berüchtigte Kampfruf vieler kämpferischer Metallerinnen und Metaller in den letzten Jahren. Also: Gemeinsam vorwärts zu baldigen Urabstimmungen und zum vollen Streik! Streik schafft Solidarität und Kraft. Lassen wir nicht zu, dass diese Kraft von rechten Spaltern untergraben wird.
In Zeiten der rechten Hetze, immer offener auch in den Betrieben, und einer fast 100köpfigen AfD-Fraktion im Bundestag, die uns gegeneinander aufhetzen wollen, ist es wichtiger denn je: Gegen Spaltung, für kämpferische Einheit!
Ein entschiedener und solidarischer Kampf ist neben der Notwendigkeit, der Forderung nach 6% mehr Entgelt und Arbeitszeitverkürzung Nachdruck zu verleihen, heute die stärkste Antwort der Arbeiterinnen, Arbeiter und Angestellten auf die rechte und rassistische Hetze überall im Land. Unter kämpfenden Kolleg/innen ist Solidarität traditionell selbstverständlich, egal woher sie stammen, ob Deutsche oder Zugewanderte, egal ob Atheist, Christ oder Moslem!
Streik ist die stärkste Waffe gegen die gezielte Spalterei, die bürgerliche Parteien, besonders aber die Faschisten um die arbeiterfeindliche AfD genüsslich zwischen die Menschen zu treiben versuchen. Deshalb befürwortet Arbeit-Zukunft, dass es nicht nur baldige Warnstreiks gibt, sondern unverzüglich die Urabstimmung und der flächendeckende Vollstreik angepackt werden.
Nachtrag – kurz vor Redaktionsschluss
Nachdem die regionalen Tarifkommissionen entsprechende Beschlüsse gefasst haben, hat der Vorstand der IG Metall die oben genannten Forderungen für die nächste Tarifrunde bestätigt. Im letzten Augenblick wurde aber das offensichtlich doch zu individualistische Logo der Tarifrunde umgeändert. Es lautet jetzt: „Miteinander für morgen“.
Dies ist ein richtiger Schritt. Jetzt kommt es darauf an, ein Tarifergebnis zu erkämpfen, in dem eine wirkliche Arbeitszeitverkürzung mit vollem Personalausgleich für alle vereinbart wird.