Dies Prinzip galt in der gesamten Geschichte der Menschheit. In der Sklavenhaltergesellschaft gab es keine Schutzrechte für Sklaven; sie waren eine Sache, mit der der Sklavenhalter nach Belieben verfahren konnte. Im Feudalismus sind die leibeigenen Bauern an „die Scholle“, an ihren Fürsten gebunden. Gesetze und religiöse Dogmen stellten dies als gerecht und gut dar. Der Kapitalismus brauchte den freien Lohnarbeiter, ohne die Fesseln der Leibeigenschaft. Die Gesetze änderten sich entsprechend. Das Eigentum an den Produktionsmitteln, der Lebensnerv der Kapitalisten allerdings muss geschützt werden. In Deutschland findet das hauptsächlich im „Bürgerlichen Gesetzbuch“ statt.
Dies grundlegende Prinzip gilt bis heute.
Wenn wir wissen, welchen Charakter die geltenden Gesetze haben, was sie schützen und was sie verhindern sollen, dann wissen wir auch, welchen Charakter der konkrete Staat hat, mit dem wir es zu tun haben.
Dies gilt natürlich auch beim Betriebsverfassungsgesetz, der wichtigen rechtlichen Grundlage für die Arbeit der Betriebsräte. Es existiert keine Mitbestimmung bei wirtschaftlichen Angelegenheiten. Was, wann, wo produziert wird, das ist das alleinige Recht der Firmeninhaber, der Kapitalisten – da gilt das Eigentumsrecht. Viele Bestimmungen sollen die Betriebsräte zu willigen Erfüllungsgehilfen der Kapitalisten machen. Sie sollen, damit es nicht so böse klingt, sich als Sozialpartner verstehen und alle weitergehenden Forderungen der Belegschaft im Zaum halten.
Grundsätzlich gilt aber auch im Betrieb, dass alle sinnvollen Forderungen aufgestellt werden können und Mehrheiten dafür organisiert werden. Gesetze, Verordnungen, Tarifverträge sind die Ergebnisse von Machtverhältnissen, der Kräfteverhältnisse in der Vergangenheit. Diese können wir beeinflussen: Die aktuellen Kräfteverhältnisse können in Einzelfragen positiv für uns sein, sie können aber auch das Interesse der Herrschenden widerspiegeln. Wir müssen uns genau ansehen, was in Gesetzen geregelt ist, sie bei unserer Arbeit im Betrieb berücksichtigen und unsere Rechte ausbauen.
Allgemeine Aufgaben des Betriebsrats
Die sogenannten „allgemeinen Aufgaben“ des Betriebsrats sind im Paragraph 80, Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) aufgeführt. Es handelt sich dabei um Kontrollaufgaben des Betriebsrats. Sie umfassen eine Vielzahl von Aufgaben, die jedem Betriebsrat rund um die Uhr beschäftigen können.
Hier einige Beispiele, aus dem § 80 BetrVG:
Der Betriebsrat muss die Durchführung aller „zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze, Verordnungen, Unfallverhütungsvorschriften, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen“ überwachen. Da es für jeden Betrieb eine Vielzahl von Rechtsvorschriften gelten, die ständig in die Praxis umgesetzt werden müssen, hat jedes Betriebsratsmitglied, bzw. die entsprechenden Ausschüsse des Betriebsrats ein weites, zeitlich nicht eingeschränktes Betätigungsfeld. (§ 80 (1), 1 BetrVG)
Der Betriebsrat kann in allen Abteilungen Betriebsbegehungen durchführen und mit den Kolleginnen und Kollegen über alle Fragen, die sie betreffen, sprechen.
Der Betriebsrat hat Maßnahmen, die der Belegschaft dienen, beim Arbeitgeber zu beantragen. (§ 80 (1), 2 BetrVG). Er soll die Durchsetzung der tatsächlichen Gleichstellung von Frauen und Männern, insbesondere bei Einstellung, Beschäftigung, Aus- Fort- und Weiterbildung und beruflichen Aufstieg fördern. (§ 80 (1),2a BetrVG)
Der Betriebsrat soll Anregungen von Arbeitnehmern und der Jugend- und Auszubildenden- Vertretung entgegennehmen und in Verhandlungen mit dem Arbeitgeber auf die Erledigung hinzuwirken. Der Betriebsrat muss die betreffenden Arbeitnehmer über den Stand und das Ergebnis der Verhandlungen mit dem Arbeitgeber zu unterrichten. (§ 80 (1), 3 BetrVG)
Der Betriebsrat hat die Eingliederung Schwerbehinderter zu fördern und die Wahl einer Jugend- und Auszubildenden- Vertretung vorzubereiten und durchzuführen. Er muss die Beschäftigung älterer Arbeitnehmer und die Beschäftigung allgemein, sowie den Arbeitsschutz und den betrieblichen Umweltschutz fördern und sichern.
Der Betriebsrat hat die Integration ausländischer Arbeitnehmer im Betrieb und das Verständnis zwischen ihnen und den deutschen Arbeitnehmern zu fördern. Der Betriebsrat muss Maßnahmen zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit beantragen.
Diese Aufgaben kann der Betriebsrat allerdings nur durchführen, wenn er umfassend und rechtzeitig durch den Arbeitgeber unterrichtet wird. Der Betriebsrat hat das Recht Kolleginnen und Kollegen als sogenannte „betriebliche Auskunftspersonen“ in die Arbeit einzubeziehen und kann auch außerbetriebliche Sachverständige zu Unterstützung anfordern.
Ein Ausschuss des Betriebsrats hat das Recht in die Bruttolohn- und Gehaltslisten Einsicht zu nehmen. Erst wenn der Betriebsrat dieses wichtige Recht genutzt hat, kann er mit Fakten versehen für die Gleichstellung von Mann und Frau im Betrieb eintreten, kann er nachweisen, in welchen Abteilungen Niedriglöhne gezahlt werden, ob die Mindestlöhne – auch bei Leiharbeitnehmern im Betrieb – ob die Tarifverträge insgesamt eingehalten werden.
Alle Betriebsräte, die sich vor den vorgeschriebenen Betriebsversammlungen drücken und meinen, „warum sollen wir denn alle ¼ Jahr eine Betriebsversammlung durchführen – es gibt ja nichts Neues zu berichten“ – diese Betriebsräte schlafen, sie nehmen ihre Aufgaben nicht ernst, sie stehen nicht auf der Seite der Belegschaft – solche Betriebsräte müssen abgewählt werden.
§ 87 BetrVG – Mitbestimmungsrechte
Der Paragraph 87 des Betriebsverfassungsgesetzes regelt die sogenannte „echte“ Mitbestimmung. Scheitern Verhandlungen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber bei den Themen die hier gennat sind, kann die Einigungsstelle angerufen werden. Im Einigungsstellenverfahren entscheidet letztendlich ein externer Vorsitzender, in der Regel ein Arbeitsrichter, über die abzuschließende Betriebsvereinbarung.
Natürlich ist es im Grundsatz klar, wie dieser Richter entscheidet, wessen Interessen er vertritt.
Aber: Die Einigungsstellen ist für den Arbeitgeber eine teueres Verfahren. Der Vorsitzende und alle externen Beisitzer erhalten eine Entschädigung, die schnell den Rahmen der „Portokasse“ sprengen. Viele Arbeitgeber wollen diese Kosten in Zukunft vermeiden und sind schneller zu Regelungen im Interesse der Belegschaft bereit.
Ein kämpferischer, klassenbewusster Betriebsrat, der faule Kompromisse und Sozialpartnerschaft ablehnt, findet im § 87 BetrVG sehr viele Möglichkeiten, positiv für die Belegschaft zu wirken.
Der Betriebsrat hat, „soweit keine gesetzliche, oder tarifliche Regelung besteht“ mitzubestimmen bei dem Beginn und dem Ende der täglichen Arbeitszeit. Die zeitliche Lage der Pausen und die Verteilung der Arbeitszeit an einzelnen Wochentagen müssen mit dem Betriebsrat vereinbart werden.
Jeder Betriebsrat kann Betriebsvereinbarungen abschließen zu folgenden Fragen: Auszahlung der Arbeitsentgelte, Urlaubsgrundsätze, Einsatz von technischen Einrichtungen zur Verhaltens- und Leistungskontrolle, Verhütung von Arbeitsunfällen, Gestaltung von Sozialeinrichtungen, Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, Festlegung von Akkord- und Prämiensätzen, Regelung des betrieblichen Vorschlagswesens, Einführung von Gruppenarbeit.
Kurzarbeit und Überstunden kann der Arbeitgeber nicht „nach Gutsherrenart“ anordnen. Es muss die Zustimmung des Betriebsrats vorliegen. Hier liegt ein wichtiger Hebel für klassenbewusste Betriebsräten zusammen mit der Belegschaft wichtige Regelungen im Betrieb zu erreichen. Kein Betriebsrat muss Überstunden zustimmen, wenn die laufende Tarifrunde vom Arbeitgeberverband blockiert wird, wenn Abteilungen geschlossen werden sollen, wenn Entlassungen anstehen.
Zwar gilt auch in diesen Fällen: Erfolgt keine Einigung mit dem Arbeitgeber kann die Einigungsstelle angerufen werden. Der Spruch der Einigungsstelle entscheidet – aber die Einigungsstelle dauert und ist teuer für den Arbeitgeber.
Sprechstunde des Betriebsrats
Nach Paragraphen 39 des Betriebsverfassungsgesetzes kann ein Betriebsrat feste Sprechstunden einrichten. Durch den Besuch der Sprechstunde dürfen den Kolleginnen und Kollegen keine Nachteile entstehen, die notwendige Zeit ist wie Arbeitszeit zu bezahlen.
In der Praxis hat es sich herausgestellt, dass es besser ist, wenn der Betriebsrat keine festen Sprechstunden beschließt, sondern die Kolleginnen und Kollegen den Betriebsrat nach Bedarf aufsuchen. Kämpferische, klassenbewusste Gewerkschafter, Vertrauensleute und Betriebsräte können andererseits die Sprechstunde des Betriebsrats für den Kampf der Belegschaft um wichtige Entscheidungen im Betrieb nutzen. Es ist nicht verboten, wenn eine ganze Abteilung die Sprechstunde des Betriebsrats besucht und zeitlich begrenzt ist dies auch nicht. Wichtige Informationen, zum Beispiel über den Stand der laufenden Tarifrunde, über eine gescheiterte Verhandlung zu einer Betriebsvereinbarung erreichen mit diesen gemeinsamen, „spontanen“ Besuchen beim Betriebsrat schnell viele Kolleginnen und Kollegen. Und der Arbeitgeber muss diese Sprechstunde des Betriebsrats wie Arbeitszeit bezahlen.
Mogelpackung bei Kündigung
Die Regelungen des §102 Betriebsverfassungsgesetz sind eine absolute Mogelpackung. Dies beginnt bei der Bezeichnung des Paragraphen als „Mitbestimmung bei Kündigung“ und endet bei der Praxis vor den Arbeitsgerichten, eine Weiterbeschäftigung durch die Zahlung einer Abfindung zu umgehen. § 102 BetrVG regelt keine Mitbestimmung, sondern lediglich ein „Anhörungsrecht“ des Betriebsrats.
Trotzdem gibt es einige positive Aspekte, die von Betriebsräten genutzt werden müssen:
„Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist unwirksam“ – diesen Fehler, die Kündigung auszusprechen, bevor der Betriebsrat sich abschließend geäußert hat, diesen Fehler muss man für den Betroffenen ausnutzen, aber ihn macht der Arbeitgeber nur einmal.
Der Arbeitgeber muss dem Betriebsrat alle Umstände der geplanten Kündigung mitteilen. Der Betriebsrat muss die/den Betroffene/n anhören und zusätzliche Informationen erfragen.
Und der Betriebsrat muss innerhalb festgelegter Fristen (bei ordentlicher Kündigung eine Woche) gegen die Kündigung entweder schriftlich Bedenken äußern, oder, wenn möglich, nach einer vorgeschriebenen Liste von Gründen Widerspruch einlegen.
Dies alles bedeutet nicht, dass damit die geplante Entlassung vom Tisch ist. Nein! Der Arbeitgeber kann trotzdem kündigen, er fügt lediglich die Antwort des Betriebsrats seinem Kündigungsschreiben bei.
Die, bzw. der Betroffene hat nach Erhalt der Kündigung 3 Wochen Zeit, vor dem Arbeitsgericht Kündigungsschutzklage zu erheben. Und hier ist der einzigste Punkt, an dem ein Betriebsrat etwas Positives gegen die Kündigung bewirken kann.
Hat der Betriebsrat innerhalb der geltenden Frist, in der vorgeschriebenen Form, ohne selbst einen Formfehler zu begehen der Kündigung widersprochen, kann die / der Betroffene die Weiterbeschäftigung bis zum Urteil in der letzten Instanz beim Arbeitsgericht verlangen. Diese Möglichkeit verschenkt der Betriebsrat, wenn er unsauber arbeitet, wenn er Fristen versäumt, wenn er selbst Fehler bei der Einladung und Durchführung der Betriebsratssitzung begeht. Auch wenn dies nur ein sehr kleiner Punkt im ganzen Kündigungsverfahren ist, jeder Betriebsrat muss diese Chance für die / den Betroffenen ergreifen.
Zur Realität vor deutschen Arbeitsgerichten gehört allerdings auch, dass eine Zurückweisung der Kündigung, die Wiedereinstellung recht selten vorkommt. Durch massiven Druck des Gerichts wird während des gesamten Kündigungsschutzverfahrens auf eine „gütliche“ Einigung hingearbeitet. Mit einer Abfindung, mit Zusagen zur Betriebsrente, mit einem „guten“ Zeugnis wird versucht, eine Klagerücknahme zu erreichen, eine Weiterbeschäftigung im Interesse der Kapitalisten zu verhindern.
Wirklich verhindert werden Kündigungen nur durch den geschlossenen, massiven Widerstand der gesamten Belegschaft. Das ist schwierig. Es gibt aber immer wieder Fälle, wo die Solidarität unter den abhängig Beschäftigten größer ist, als alle Bestechungsversuche der Kapitalisten, wo die Gekündigten zurück in den Betrieb kommen und weiterarbeiten können.