Betriebsratswahl 2018: Vertrauensvolle Zusammenarbeit und Geheimhaltungspflicht oder klassenbewusste Betriebsräte?


Für Betriebsräte gibt es im kapitalistischen Deutschland zwei Möglichkeiten, sich zu entscheiden: sich einsetzen für die Sache der Kolleginnen und Kollegen, oder auf der Seite der Kapitalisten stehen. Oft ist es der kompliziertere, der schwierigere, der konfliktreichere Weg, wenn Betriebsräte sich eindeutig auf die Seite der Kolleginnen und Kollegen stellen. Dies bedeutet für klassenbewusste Betriebsräte zusätzliche Arbeit, zusätzliches Lernen, zusätzliche Anstrengung, zusätzliche Überzeugungsarbeit und erfordert die Unterstützung durch die Belegschaft. Dies ist schon heute möglich und wird in Zukunft immer wichtiger.
In der täglichen Praxis finden wir in Betrieben und Verwaltungen leider immer wieder abschreckende Beispiele, wie sich gewählte Betriebsräte verhalten. Diese haben sich für die Klassenzusammenarbeit entschieden, sie verstehen sich als Co-Manager, sie verkaufen ihre Tätigkeit als „alternativlos“, sie fühlen sich als kleine Helfer der Kapitalisten, die jedes Mittel zur Gewinnoptimierung dulden, seien es unbezahlte Praktika, Billiglöhne oder der Einsatz von bis zu 30 Prozent Leiharbeitern. Besonders stolz sind sie auf „hervorragende Sozialpläne“, mit denen sie den Personalabbau des Unternehmens „sozial abfedern“ und mit denen sie uns in die Arbeitslosigkeit und in Hartz IV treiben. Und sie begründen ihr Verhalten auch noch mit dem Text des Gesetzes, das dies Verhalten von Ihnen angeblich fordert.
Im Paragraph 2 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) steht etwas von „vertrauensvoller Zusammenarbeit“ von Arbeitgeber und Betriebsrat „zum Wohl der Arbeitnehmer und des Betriebes“.
Tatsache aber ist: Der Betriebsrat ist von den Arbeitnehmern des Betriebs gewählt, er ist seinen Wählern verantwortlich, und das ganze Betriebsverfassungsgesetz geht von unterschiedlichen Interessen des Arbeitgebers und der Belegschaft aus. Die verschiedensten Strafandrohungen gegen den Arbeitgeber im Betriebsverfassungsgesetz, von Geldstrafen über Einigungsstelle bis zu Haftstrafen, wären nicht nötig, wenn es Harmonie und Klassenfrieden gäbe.
Genauso hat auch das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einem Grundsatzurteil 1983 geurteilt: „Ohne den Interessengegensatz wären die gesetzlichen Regelungen zur Mitwirkung der Arbeitnehmer an sozialen, personellen oder wirtschaftlichen Entscheidungen des Arbeitgebers gegenstandlos. …“
Auch das zweite Argument, mit dem die Arbeitgeber den Betriebsrat auf ihre Seite ziehen wollen, kann nur auf den ersten Blick erschrecken. Arbeitgeber fordern immer wieder die Betriebsräte der Belegschaft auf, zu „Geheimräten“ zu werden, die alle Informationen nur noch mit dem Chef besprechen. Im Betriebsverfassungsgesetz regelt zwar der § 79 diese Geheimhaltungspflicht. Klassenbewusste Betriebsräte lesen diesen Paragraphen allerdings sehr genau, Wort für Wort: „Die Mitglieder …des Betriebsrates sind verpflichtet, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, die ihnen wegen ihrer Zugehörigkeit zum Betriebsrat bekannt geworden und vom Arbeitgeber ausdrücklich als geheimhaltungspflichtig bezeichnet worden sind, nicht zu offenbaren und nicht zu verwerten.“
Diese Geheimhaltungspflicht gilt nur für Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse. Die neueste, noch nicht patentierte Erfindung und die Buchhaltungsunterlagen mit Kunden- und Lieferantenliste fallen hierunter. Allerdings auch dann nicht mehr, wenn schon der ganze Betrieb darüber spricht. Besonders wichtig: Keine Geheimhaltung, wenn der Chef es nicht ausdrücklich als geheim bezeichnet hat. Oft bezeichnen Chefs allerdings auch ihre Planungen gegen die Belegschaft als geheim. Wir aber sehen genau nach: Und die neueste Produktions- und Personalplanung, sowie die neue computergesteuerte Maschine, die neue EDV – Anlage mit neuer Software – das alles sind keine Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse. Im Gegenteil: Das betrifft die Kolleginnen und Kollegen, die uns gewählt haben. Mit denen müssen wir darüber sprechen. Diese Themen müssen auf der nächsten Betriebsversammlung ausführlich behandelt werden, aber auch im nächsten BR-Info veröffentlicht werden, wenn der Betriebsrat so etwas hat.

Wo stehen wir als Betriebsrat
Für viele Kolleginnen und Kollegen, die für die nächste Betriebsratswahl im Frühjahr 2018 kandidieren wollen, stellen sich Fragen, wie sie sich in konkreten Fällen verhalten sollen, für welche Positionen sie im Betrieb und im Betriebsrat eintreten.
Zwei Praxis – Beispiele sollen dies verdeutlichen:
Beispiel eins:
Immer wieder beantragt der Arbeitgeber beim Betriebsrat die Zustimmung zur Entlassung einer Kollegin, oder eines Kollegen, der des Diebstahls bezichtigt wird. Wichtigste Grundeinstellung von klassenbewussten Betriebsräten ist es, dass wir unsere eigene Rolle, unsere eigene Aufgabe eindeutig klären. Wir sind keine Richter, die ermitteln müssen, warum was angeblich gestohlen wurde. Wir sind die Anwälte der Angeschuldigten. Wir stellen uns vor sie. Wir müssen alles tun, damit keine Entlassung erfolgt. Wir wissen, dass von Arbeitslosigkeit eine ganze Familie betroffen sein kann, dass nach spätestens einem Jahr der Absturz in Hartz IV erfolgt. Deshalb müssen wir in einem solchen Fall alle Argumente für die Kollegin oder den Kollegen zusammentragen. D.h. im Regelfall auch: Mit der oder dem Betroffenen selber zu reden! Im Betriebsrat sollten wir die Ablehnung der Kündigung beschließen.
Achtung – Stolperfalle: Die jeweils geltenden Fristen und Formvorschriften müssen genauestens beachtet werden!
Und – Wir sind keine Geheimräte! Natürlich informieren wir die Belegschaft, natürlich machen wir klar, dass wir uns für jede Kollegin / jeden Kollegen genauso einsetzen. Private Angelegenheiten des oder der Beschuldigten, die wir als Betriebsrat erfahren, behandeln wir selbstverständlich diskret und vertraulich. Sie werden nicht im Betrieb, sondern nur im Betriebsrat besprochen.
Beispiel zwei:
Immer wieder versuchten der Geschäftsführer oder der Personalchef den Betriebsrat vor ihren Karren zu spannen. Wenn es zum Beispiel zu einer nicht von der Gewerkschaft getragenen Arbeitsniederlegung kommt, so soll der Betriebsrat die Streikenden zur Wiederaufnahme der Arbeit bewegen. Dazu ist der Betriebsrat nicht verpflichtet. Im Gegenteil: Er kann mit den Streikenden sprechen, die Gründe für den Streik mit ihnen diskutieren und versuchen den Streik zu einem Erfolg zu führen. Der Betriebsrat darf dabei allerdings, so das Betriebsverfassungsgesetz, nicht als Organisator des Streiks in Erscheinung treten. Wenn einzelne Betriebsratsmitglieder bei einem spontanen Streik eine Rede halten, so müssen sie bei Beginn ihrer Rede klarstellen, dass sie jetzt als Vertrauensmann und nicht als Betriebsrat sprechen.