Editorial aus La Forge, Zeitung der PCOF, Mai 2017
Ja, wir hatten Recht, bei der ersten und zweiten Runde der Präsidentschaftswahlen zur Wahlenthaltung aufzurufen!
Wie kann man nicht wütend sein, wenn man sieht, wie die die Funktionäre von Organisationen, die gegen das Gesetz Macron(1) kämpften, darum bitten oder sogar befehlen, für ihn zu stimmen, angeblich um Le Pen zu verhindern.
Wie können sie glaubhaft machen, ihn am 7. an die Spitze des Staates zu bringen und am 8. gegen seine Politik zu mobilisieren? Sie haben eine schwere Verantwortung auf sich genommen, und es ist nicht das erste Mal, wo sie uns sagen, wir sollten die Augen schließen, die Nase zustopfen, während überhaupt keine Gefahr bestand, dass Marine Le Pen diese Wahl gewinnen würde. Schon 2002 sollte Le Pen mit den Wahlzetteln für Chirac „überflutet“ werden. Damals hat unsere Partei deutlich gesagt, dass man diese Erpressung ablehnen und sich der Wahl enthalten müsse.
Diesmal haben sie die gleiche Platte aufgelegt und oft noch den Fluch gegen die „Unverantwortlichen“ hinzugefügt, die sich enthielten oder „blanc“(weiß) wählten. Schließlich ist man ihnen nicht gefolgt, wie es die kumulierten Ergebnisse der Nichtwähler, der „blanc“-Wähler und derer, die ungültig wählten, zeigen: 14 Millionen. Das ist nicht nur ein „Rekord“, das ist eine Missbilligung.
Unsere Partei hat Verantwortung übernommen und zur Wahlenthaltung aufgerufen, die Verantwortung, zu der eine kommunistische Partei verpflichtet ist, eine Partei, die die Interessen der Arbeiterklasse, der Volksmassen und der Völker verteidigt, die weder ihre Fahne noch ihre Positionen versteckt. Am 1. Mai haben wir die Parole gerufen: „Weder Le Pen, noch Macron, in den Fabriken und Stadtvierteln, an den Universitäten und den Siedlungen müssen wir zusammen kämpfen.“ und wir wurden gehört. Manche Demonstranten begleiteten uns ein Stück weit.
Macron, der Kandidat der Oligarchie
Das Programm von Macron ist bekannt, es gab keine „linken“ Phrasen im Versuch, die Zögernden in dem Lager, das nicht seines ist, zu überzeugen, für ihn zu stimmen.
Sein Programm ist nicht nur ein Wahlprogramm: Es ist seine „roadmap“ und er wird keine Zeit damit verschwenden, sich dafür zu entschuldigen oder zu versprechen, dass er „sozialer“ sein wird, als die Wirtschaft es ihm erlaubt. Er hat schon gewarnt, dass er mit Dekreten regieren wird. Sein Konzept des „sozialen Dialogs“ wird höchstens ein Tête-à-Tête mit den Führern der CFDT (2) sein, den Mitverfassern des Gesetzes El Khomri (3). Und wir haben nicht seine Drohungen gegen die „gewalttätigen Demonstranten“ und seine zustimmenden Erklärungen über die Aufrechterhaltung der Ordnung gegenüber einer Marine Le Pen vergessen, die gleich noch mehr verlangte. Wir haben nicht vergessen, dass er ein glühender Anhänger Europas ist, das sich Jahr um Jahr mehr gegen die Völker, gegen die Arbeiter richtet. Wie oft haben wir schon diese Reden gehört über ein Europa, das näher an den Völkern ist, das mehr Schutz bietet… die ständig von der Realität der „Liberalisierung“, der Flexibilisierung des Arbeitsmarkts widerlegt werden… Macron befindet sich völlig den Zielen Hollandes und Merkels verhaftet, der Politik der „europäischen Verteidigung“ neuen Schwung zu geben, die sie heute als Rückgrat Europas darstellen.
Es ist eine Zustimmung zu dieser Politik, die er gefordert hat, und Millionen Wähler haben sich ihm verweigert.
Diese Kampagne, die damit nicht zu Ende ist, hat die Kämpfe nicht erstickt, aber sie aus dem Blickfeld der Kameras gerückt, mit einer Ausnahme, dem der Arbeiter von Whirlpool. Nicht um sie in ihrem verzweifelten Kampf gegen die Schließung zu unterstützen, sondern um Marine Le Pen in die Hände zu spielen. Um das Gerede, das man uns seit Jahren hält, wonach der FN (Front National) die Partei der Arbeiter sei, einzuhämmern.
Man muss eine geschlagene Arbeiterklasse zeigen, die sich vor dem Schwindel einer Demagogin verbeugt, die sich nur für sie interessiert, um „einen Mediencoup zu landen“. Macron ging hin, um mit den Funktionären, insbesondere denen der CFDT, zu diskutieren, um ihnen klarzumachen, dass sie die Politik der Industrie- und Bankkonzerne akzeptieren, die Streikposten und die Besetzung aufheben und den Streik beenden müssten.
Dagegen fanden die zig Streiks und Kämpfe für die Löhne weder in den Medien noch in den Wahlkampfdebatten ihren Platz. Wer erfuhr schon von den vierwöchigen, aufeinanderfolgenden Streiks der Arbeiter der Werft von Saint-Nazaire für eine Prämie anlässlich der Auslieferung eines Passagierschiffs? Oder von denen, die in den Konzernen wie Saint-Gobain, McDo und vielen anderen stattfanden?
Man muss sagen, dass der Kampf um Lohnerhöhungen den dringenden Erfordernissen der Arbeiter entspricht, die weder ein noch aus wissen; aber er hat auch einen ideologischen Inhalt: es ist die Bekräftigung der Klasseninteressen, besonders der der Arbeiterklasse, die den Appellen zur Einheit hinter der nationalen Fahne, die von Macron, Le Pen und Co. geschwenkt wird, zuwiderläuft.
Der Widerstand gegen diese Politik, hat schon begonnen, sich bemerkbar zu machen
Wie wir gesagt haben, gibt es unter denen, die sich der Wahl enthalten haben oder „blanc“ gewählt haben, eine große Zahl, die weiß, dass die Angriffe vor dem Sommer kommen werden. Es gibt keine soziale Waffenruhe, weder von Seiten Macrons, noch von Seiten der Arbeiter und der Aktivisten, die an den verschiedenen Fronten des sozialen Protests kämpfen. Niemand kann sagen, ob es einen Anstieg der Kämpfe geben wird und ob der Widerstand unmittelbar erfolgen wird. Aber sicher ist, dass es Kreise gibt, die in „hab‘ Acht-Stellung“ sind, die schon begonnen haben, auf die Straße zu gehen. Es sind noch wenige, sie können sich auch isolieren. Wir denken, dass man dafür arbeiten muss, diesen Willen zu Kampf und Widerstand zu verankern „in den Unternehmen, den Stadtteilen und -vierteln“, im Wissen, dass der sich ankündigende Kampf ein grundsätzlicher, langandauernder sein wird. Wir vergessen nicht, dass wir einem Staat, der seine Unterdrückungs- und Überwachungsmöglichkeiten verstärkt hat, „gegenüber“ stehen. Wir wissen, dass sie uns „gegenüber“ nicht zögern werden, Provokationen zu starten.
Aber wir wissen auch, dass die Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung aus dem Kampf gegen das Gesetz El Khomri und allen vorhergehenden Kämpfe gelernt haben; dass wir alle aus dem Kampf zur Anprangerung des Polizeistaats gelernt haben. Neue Kampffelder eröffnen sich, wie das zur Frage des Kampfs gegen die Kriegspolitik, gegen die imperialistischen Militärbündnisse, sei es die NATO oder die, welche Merkel, Macron und Co. auf europäischer Ebene aufbauen wollen.
Seien wir entschlossen in diesen Kämpfen dabei und arbeiten wir mit denen zusammen, die dazu bereit sind.
aus La Forge, Zeitung der PCOF, Mai 2017
Anmerkungen des Übersetzers:
1) Gesetz Macron: Von Macron in seiner Funktion als Wirtschaftsminister vorgeschlagenes und später von der Nationalversammlung angenommenes Gesetz „für Wirtschaftswachstum, Wirtschaftstätigkeit und wirtschaftliche Chancengleichheit“. Der Wissenschaftler Rioufreyet bezeichnete dieses Gesetz, das u.a. Sonntags- und Nachtarbeit sowie die Arbeitsgerichtsbarkeit neu regelt, als eindeutig neoliberal.
2) CFDT: zahlenmäßig größte, klassenversöhnlerische Gewerkschaft, die ihre Wurzeln in der christlichen Gewerkschaftsbewegung hat. Mitglied des Europäischen Gewerkschaftsbundes und der ILO.
3) Gesetz El Khomri: „Gesetz über die Arbeit, die Erneuerung des sozialen Dialogs und der Absicherung der beruflichen Laufbahn“, kurz „Arbeitsgesetz“ genannt, betrifft die Arbeitszeit, Entlassungen, die Arbeitsverträge und weitere Arbeitsgesetze. Gegen das Gesetz gab es heftigen Widerstand und zahlreiche Demonstrationen und politische Streiks. Es wurde nicht von der Nationalversammlung verabschiedet, sondern per Dekret am Parlament vorbei in Kraft gesetzt. Das Gesetz ist nach der damaligen Arbeitsministerin El Khomri benannt.