ermordet am 15. Januar 1919 (Zum siebten Todestag)
Zieht euch die Kappen tiefer ins Gesicht,
wenn ihr an diesem trüben Wintertage
zur Arbeit schleicht.
Wie, Proletarier? Quälen euch die Sorgen,
ob ihr mit euerm Lohn die Woche reicht
und ob man mit der kargen Tüte nicht
euch die Papiere in die Hände schiebt?
Ihr seid es ja gewöhnt zu sehn,
wie Frau und Kinder hungern, die ihr liebt.
Vielleicht
steht morgen der Betrieb schon still.
Wenn es der Fabrikant so will,
wenn er euch nicht mehr braucht,
weil eurer Arbeitskraft Gewinnst
sich ihm nicht mehr nach Wunsch verzinst,
dann stellt euch mit Millionen Arbeitslosen
auch ihr in Frost und Not,
betrogen um der Kinder Brot,
vor Kirchentüren winselnd um Almosen
und bis zum Knöchel watend in den Pfützen.
Vielleicht
schmeißt irgendwer euch einen Bettel in die Mützen.
Zieht euch die Kappen tiefer ins Gesicht.
An diesem Wintertag sind*s sieben Jahre, –
da schlug man euer Hoffen auf die Bahre.
Vergesst es nicht!
Karl Liebknecht, Rosa Luxemburg – sie wussten:
Freiheit und Glück wächst nur aus starker Tat!
Sie starben für das Proletariat…
Doch, sollen sie darum gestorben sein
und alle, die nach ihnen sterben mussten, –
darum schlöss‘ Tausende das Zuchthaus ein,
dass, Proletarier, ihr nach sieben Jahren,
dem Wucher mehr als je verknechtet,
als Paria der Republik entrechtet,
hilflose Sklavenscharen,
den Mördern eurer Helden dienstbar seid?
Nein! Streift die Kappen hoch aus dem Gesicht!
Lasst Licht,
lasst Hoffnung in den Blick! Fasst Mut!
Schaut vor euch und ergebt euch nicht dem Leid!
Schwört euern Toten, die für euch gefallen,
schwört bei der Besten ungerächtem Blut –
und lasst zum Eid die roten Fahnen wallen:
Die Revolution, sie ist nicht verloren!
Das Elend mahnt uns, uns zu befrei’n.
Die Stunde ist nah – wir haben geschworen -:
Ihr Toten, wir woll’n eure Rächer sein!
Erich Mühsam