Arbeit-Zukunft beim 4. Camp der UJR in Nyons (Frankreich)

Seminar beim Sommercamp der UJR, Frankreich

Inmitten der malerischen Landschaft der südfranzösischen Provence organisierte die UJR (Union Junger Revolutionäre) Ende Juli über ein Wochenende ihr viertes landesweites Camp. Gerne nahmen wir als Arbeit Zukunft die Einladung der französischen Genossen wahr an ihrem diesjährigen Camp erstmals teilzunehmen, denn dadurch bot sich uns die Chance aus erster Hand von ihren Kämpfen und ihrem Ringen um den Aufbau einer revolutionären Jugendorganisation zu lernen.
Die UJR ist eine revolutionäre, internationalistische Jugendorganisation, die zwar noch klein ist, aber in den Kämpfen der vergangenen Monate eine aktive Rolle gespielt hat. Sie pflegt freundschaftliche Beziehungen zu unserer Bruderorganisation, der PCOF (Kommunistische Arbeiterpartei Frankreichs). Genoss/innen der UJR waren bei den Massenprotesten gegen die Reform der Arbeitsgesetzgebung – die so genannten El-Khomri-Gesetze – und bei den Nuit-Debout-Kundgebungen im ganzen Land präsent und verankert. Daneben engagiert sich die UJR u.a. auch in Studentengremien und leistet Solidaritätsarbeit für die kämpfende Jugend Burkina Fasos. Vertreter der befreundeten ODJ (Demokratische Jugendorganisation) aus Burkina Faso haben ebenfalls das Camp besucht und viele wertvolle Beiträge geliefert.
Zum Diskutieren trafen wir uns in einem Café in der sehr hübschen Kleinstadt Nyons, in der die Spuren der römischen Vergangenheit noch deutlich sichtbar sind. Auf Wunsch der UJR berichtete ich als Vertreter von Arbeit Zukunft am Freitag zunächst über die Entwicklungen in Deutschland. Dabei wurden Parallelen zwischen der „Agenda 2010″ und den derzeit laufenden Angriffen auf die Arbeitsgesetze in Frankreich gezogen. Auch berichtete ich von den Montagsdemonstrationen gegen Hartz IV, ihren Erfolgen und Misserfolgen. Die „Agenda 2010″ war so konzipiert, in Deutschland einen riesigen Niedriglohnsektor vor allem durch die Verbreitung der Leiharbeit zu schaffen. Arbeitsplätze wurden nur auf dem Papier durch Teilzeitjobs geschaffen. Das gleiche Ziel verfolgen die französischen Kapitalisten derzeit ebenfalls, u.a. durch die El-Khomri-Gesetze. Natürlich berichtete ich ebenfalls selbstkritisch von dem antifaschistischen Kampf gegen PEGIDA, der grassierenden rassistischen Gewalt und über die jüngsten Erfolge der AfD – ein Thema an dem die Genoss/innen aufgrund des Aufstiegs der französischen FN (Nationale Front) ebenfalls besonderes Interesse zeigten. Die anwesenden Genossen der PCOF zeigten Interesse unseren Beitrag in der kommenden Ausgabe ihrer Zeitung „La Forge“ zu verwenden. Es folgten dann weitere Berichte der Genossen aus Burkina Faso und eine Vorstellung der UJR.
Am folgenden Tag referierte ein Genosse der PCOF über die Frage der vom Staat ausgehenden Gewalt. Polizeigewalt und staatliche Repressionen haben bei den Protesten der vergangenen Monate stark zugenommen, was verdeutlicht dass die staatlichen Gewaltorgane letztlich der Verteidigung des Eigentums dienen. Der Ausnahmezustand diente der Regierung sogar als Vorwand unliebsame Demonstrationen zu behindern mit dem Ziel sie zu verbieten, was ansonsten in Frankreich eher unüblich ist. In der folgenden Diskussion wurden auch Erfahrungen über die revolutionäre Gewalt ausgetauscht. Es wurde deutlich, dass Gewalt kein Selbstzweck und nicht jede zerbrochene Fensterscheibe „revolutionär“ ist, sondern dass es darauf ankommt wem die Gewalt nützt. So gab es in Frankreich beispielsweise bereits früher Erfahrungen mit Aktionen der Elektrizitätsarbeiter, die den Strom im Regierungsviertel abgestellt, für Schuldner jedoch angestellt haben. Solche Aktionen haben für viel Sympathie in der Bevölkerung gesorgt, auch weil sie dem Volk direkt genützt haben.
Bei weiteren Diskussionen über die Streiks und Demonstrationen gegen die El-Khomri-Gesetze resümierten die Genoss/innen, dass es gelungen sei die Zurückhaltung der großen Gewerkschaft CGT gegenüber politischen Aktionen zu überwinden und dass das französische Volk viel über den Charakter des bürgerlichen Staates und der sozialdemokratischen Regierung gelernt hat, was sich in kommenden Auseinandersetzungen auszahlen wird. Obwohl die El-Khomri-Gesetze bereits verabschiedet wurden, werden die progressiven Kräfte im September nach der „Sommerpause“ versuchen, die Demonstrationen und die Nuit-Debout-Kundgebungen wiederzubeleben. Wir wünschen ihnen größtmöglichen Erfolg bei diesem wichtigen Kampf!
Abschließend stellte die UJR einen Kurzfilm über eine Reise nach Burkina Faso vor, der von der Arbeit der ODJ unter der Stadt- und Landbevölkerung und dem Kampf gegen das Regime des gestürzten Präsidenten Compaore handelt. Er zeigt die Menschen bei ihren Kämpfen, anstatt nur ihre Armut auszumalen, wie das bei bürgerlichen Berichten über Afrika sonst üblich wäre. Den Film zeigt die UJR derzeit in verschiedenen Städten und demnächst auf dem Pressefest der Zeitung L’Humanité. Er ist sehr eindrucksvoll und sehenswert.
Neben den politischen Diskussionen blieb natürlich auch viel Zeit zum Kennenlernen bei einem Glas Wein, oder für eine Abkühlung im nahe gelegenen Bach. Ich fühlte mich sehr herzlich aufgenommen und alle gaben sich große Mühe, die Sprachbarrieren zu überwinden, beim Übersetzen zu helfen, etc. Unsere Organisation beabsichtigt die Kontakte zur UJR aufrechtzuerhalten und zu vertiefen.
rh