Wir sprachen mit einem Genossen der Vereinigung der revolutionären Jugend (UJR) über die aktuelle Situation in Frankreich.
AZ: In Frankreich finden gerade Kämpfe gegen das Gesetz El Khomri statt. Welche Rolle spielt die Jugend in diesen Kämpfen?
UJR: Wie wir in einem Flugblatt der UJR Anfang März geschrieben haben, „zielt diese perverse Reform darauf ab, die Unsicherheit zu verewigen und für die Jugendlichen jede Hoffnung auf eine bessere Gesellschaft zu beseitigen“. Als der Gesetzesentwurf am 17. Februar veröffentlicht wurde, ist ein bedeutender Teil der Jugend aus dem Volk aufgestanden. Jugendliche youtube-Nutzer haben Aussagen von Jugendlichen online gestellt (siehe: # on vaut mieux que ça), die sehr schnell einen gewaltigen Erfolg hatten. Seit dem 23. Februar haben die Schüler und Studenten zahlreich an den vielen Demonstrationen teilgenommen, die aufeinander folgten. Die jungen Arbeiter beteiligen sich in großer Zahl an den gewerkschaftlichen Demonstrationszügen.
Die Verbindungen, die sich zwischen der Bewegung der Jugend und der gewerkschaftlichen Bewegung gebildet haben, sind eine der großen Errungenschaften dieser Aktionen. Die Parole „die Jugendlichen in der Galeere, die Frauen leben prekär, die Alten im Elend – eine solche Gesellschaft wollen wir nicht! Wir bekämpfen sie!“ zeigt anschaulich diese große Kampfbereitschaft und die Freude, alle gemeinsam zu kämpfen!
Eine andere Parole, die weit verbreitet ist, lautet: „Polizei überall, Gerechtigkeit nirgends!“ In den 4 Monaten, die die Kämpfe nun dauern, war die Unterdrückung sehr stark. Viele Videos, die im Internet herumgehen, zeigen, dass Polizeibeamte junge Demonstranten schlagen. Es hat viele Verhaftungen und Urteile gegeben. Parallel zu dieser polizeilichen und juristischen Gewalt sah man auch eine Gruppe Jugendlicher bei sehr gewalttätigen Aktionen gegen Symbole der kapitalistischen Gesellschaft (z.B. besonders gegen die Schaufenster der Banken) und gegen die Polizei. Die Medien berichten viel über diese organisierten Gruppen, die sie die „Schrotthändler“ nennen, um zu versuchen, zu spalten und Angst zu machen. In Paris hat dies der Regierung als Vorwand gedient, um zu versuchen, die Demonstration vom 23. Juni zu verbieten, aber sie musste das aufgeben.
AZ: Wie beteiligt sich die UJR?
UJR: Wir haben zu den Aktionen aufgerufen, um den Gesetzesentwurf EL Khomri zu verhindern, und wir waren bei den Demonstrationen mit unseren Fahnen, unseren Flugblättern und unseren Parolen: Gegen das neue Arbeitsgesetz und noch mehr „Gegen diese Gesellschaft, die die Aktionäre bereichert und der Jugend nur Unsicherheit bietet!“ Wie wir es auf der Jugendseite geschrieben haben, die uns die Zeitung „La Forge“ (Zeitung der Kommunistischen Arbeiterpartei Frankreichs, d.Übers.) jeden Monat zur Verfügung stellt, sind wir gegen die Sparmaßnahmen und die Unsicherheit engagiert, die die Profite garantieren; gegen den Polizeistaat, der zunimmt, um den Widerstand zum Schweigen zu bringen; gegen die imperialistischen Kriege und für eine radikale Umwälzung der Gesellschaft: „Wir lehnen die Unsicherheit ab, und die niedrigen Gehälter, die CDD (Contrats de travail à dure déterminée; befristete Arbeitsverträge), die als Kettenarbeitsverträge abgeschlossen werden und ihre falsche Freiheit ‚des Überarbeitens‘, die Logik des Marktes, der die Arbeitgeber von allen Schranken auf Kosten unserer Freiheit und unserer Würde befreit. Wir lehnen es ab, mit unserem Leben zu bezahlen, um die Monopole und die Arbeitgeber zu verteidigen, die die wahren Gauner sind.“ Deshalb lautet eine unserer Parolen: „Wir sind weder Futter für das Kapital noch Kanonenfutter: Eine solche Gesellschaft wollen wir nicht, wir bekämpft sie!“
AZ: Wie wirken sich diese Kämpfe auf die gesellschaftliche Atmosphäre aus?
UJR: Dieses Gesetz hat das Fass zum Überlaufen gebracht! Der ganze Zorn, der sich in den letzten Jahre angesammelt hat, hat sich in Mobilisierung umgewandelt. Die allgemeine Atmosphäre ist Kampf und immer mehr klagen diese Gesellschaft, dieses System an. Die Unterdrückung ist stark, aber es gibt einen Willen standzuhalten, sich nicht einschüchtern zu lassen, sich zu wehren. Die Mehrzahl der Jugendlichen hat kein Vertrauen in die politischen Institutionen und die Parteien mehr, die damit verbunden sind. Das bedeutet nicht, dass sie sich nicht für Politik interessieren. Im Gegenteil! Wie wir geschrieben haben: „Dieser Protest hat als unmittelbares Ziel das Arbeitsgesetz, aber er geht weiter: Er zielt auf ein ganzes System, auf eine Realität, die sich beständig verschlimmert, insbesondere für die Jugendlichen, die Arbeiter und das Volk.“ In diesem Zusammenhang hat die UJR ihre Arbeit zur Demaskierung der Politik des französischen Imperialismus insbesondere in Afrika und ihre Solidarität mit den Völkern fortgesetzt, die dagegen kämpfen. Die Reise einer Gruppe von Jugendlichen des UJR nach Burkina Faso im letzten Herbst auf Einladung unserer Genossen der ODJ (Demokratische Organisation der Jugend), haben wir genutzt, einen Film zu erstellen, den wir als Unterstützung für die Solidaritätsarbeit und bei Diskussionsveranstaltungen nutzen. Das ist eine Möglichkeit, der Parole „Diese Gesellschaft wollen wir nicht! Wir bekämpfen sie!“ eine konkrete Perspektive zu geben, denn die internationalistische Solidarität ergreift Partei im Kampf für eine revolutionäre Veränderung der Gesellschaft.
AZ: In den deutschen Medien wird viel gegen die „streikenden Franzosen“ gehetzt, die „die Fußball-EM stören“. Gibt es internationale Solidarität mit Eurem Kampf?
UJR: Weder der Ausnahmezustand (eine Maßnahme unter dem Vorwand des „Kampfes gegen den Terror), der seit den Attentaten vom November 2015 ständig verlängert wird, noch die Flutkatastrophe, noch die EM konnten die Bewegung aufhalten. Der Widerstand ist immer noch da! Die Gewerkschaften haben unzählige Solidaritätsbotschaften aus Europa und darüber hinaus erhalten. Dass wir uns unter Jugendorganisationen und zwischen jungen Revolutionären austauschen können, ist sehr wichtig. Die Kämpfe der Arbeiter und der Jugend der anderen Länder kennenlernen und weiter verbreiten, bedeutet eine Ermutigung und eine Stärkung unserer gemeinsamen Kämpfe. Deshalb danken wir Euch für dieses Interview und wünschen uns, diesen Austausch fortsetzen zu können.
Hoch die internationale Solidarität!