Für alle Beteiligten völlig überraschend trommeln in der Nacht vom 3. auf den 4. Mai 2016 nach Mitternacht in einer Flüchtlingsunterkunft in Stuttgart-Wangen Polizistinnen und Polizisten laut und abschreckend an die Türen einiger albanischer Flüchtlingsfamilien. Die Bewohner des ganzen Hauses werden aus dem Schlaf gerissen. Es sind zumindest 10 bis 15 Beamt/innen. Zwei Familien aus Albanien – in beiden Fällen laufen noch juristische Verfahren zur Sicherung ihres weiteren Aufenthalts in Deutschland! – werden aufgefordert, sofort ihre nötigsten Sachen zusammen zu packen und sich zur Abschiebung bereit zu machen. Andere Flüchtlinge unterrichten telefonisch in der Unterkunft aktive Unterstützer.
Zwei von ihnen kommen sofort. Sie werden aber von der Polizei rüde daran gehindert, zu ihren Freunden vorzudringen. Das gehe sie nichts an, was hier geschieht, so einige der Einsatzkräfte. Kurz darauf werden die Familien bereits mit ihrem Notgepäck abgeführt.
Zu der einen Familie gehören zwei Mädchen, die bekannt sind als gute, hochmotivierte Schülerinnen in zwei Schulen der oberen Neckarvororte Stuttgarts. Sie lassen Freundschaften und viele ihrer persönlichen Sachen zurück, die kleinere weint bitterlich…Ihre Eltern bewahren eine erstaunliche Würde, sie wollen sich nicht fertig machen lassen. Trotzdem stehen auch ihnen Tränen in ihren Augen.
Kleine Kinder werden aus der Obhut der Großeltern gerissen!
Die andere Familie, ein etwas älteres Ehepaar, er von einem Raubüberfall in Albanien schwer traumatisiert, hat neben dem ebenfalls abzuschiebenden jüngeren Sohn auch zwei Enkelkinder bei sich. Nach Auskunft der Polizei hätten diese aber kein Aufenthaltsrecht in dieser Unterkunft in Stuttgart. Die Eltern, die in einem Erstaufnahmelager außerhalb Stuttgarts leben sollen, werden telefonisch nicht erreicht. Die kleinen Enkel (ca. 7 und 5 Jahre alt!!) werden von den Großeltern getrennt und sollen dem Jugendamt übergeben werden. Kleinkinder betreuen – das ist kein Abschiebehindernis.
Die beiden Unterstützer aus dem Wangener Freundeskreis versuchen immer wieder, mit der Polizei zu verhandeln, um die Abschiebungen angesichts dieser Lage doch noch zu stoppen. Einer legt ein Schreiben vor, dass gegen die Ausreiseverfügung eine Beschwerde läuft. Antwort der Polizei: Das sei kein Abschiebehindernis, das Verfahren könne ja von Albanien aus weiter betrieben werden. Wie soll das gehen?! Wer so abgeschoben wird, erhält normalerweise ein langjähriges Einreiseverbot! Die Polizei lässt sich auf nichts ein. Sie teilt noch mit, dass die Familien um ca. 8:00 Uhr vom Flughafen Karlsruhe/Baden-Baden nach Tirana ausgeflogen werden. Sie verweist ans Regierungspräsidium Karlsruhe, das die Abschiebung in Auftrag gegeben habe. Dort läuft der Anrufbeantworter. Ca. 2:20 Uhr fahren die Polizeiwagen mit den Familien weg. Die Polizeitruppe zieht sich zurück.
Sie hinterlässt aufgewühlte, aufgebrachte Menschen, denen man ihre ganze Machtlosigkeit demonstriert hat. Für die Bewohner/innen der Unterkunft ist jedes Gefühl von Sicherheit, ist der letzte Rest Vertrauen dahin. Eine junge Frau aus einer verbliebenen albanischen Familie, die eng mit den Abgeschobenen zusammenlebte, ist in einem so geschockten Zustand, dass ein Notarzt geholt wird. Behörden, Beratungsstellen, die betroffenen Rechtsanwälte – niemand ist erreichbar.
Noch am nächsten Morgen herrscht Schock bei Unterstützern und betroffenen Bewohnern.
Unterstützer/innen sitzen zusammen mit Flüchtlingen und beraten, was zu tun ist. Öffentlichkeit! Ein Unterstützer hat die Schulen der beiden Mädchen unterrichtet, auch dort Erschrecken! Protest und Petition beim Landtag werden erwogen, Presse, Medien…
Realität im Merkel-Deutschland! Viele, die einschlägige Erfahrungen in diesem Bereich haben, viele Helfer, viele Unterstützer, sie sagen: Seit Grün–Rot in Stuttgart (gerade eben noch als Landesregierung im Amt, ab 12. Mai soll Grün-Schwarz folgen) wird besonders hart abgeschoben, deutlich härter als zuvor unter der CDU, die auch nie Samthandschuhe anzog…