Innenminister Ulbig und die sächsische Polizeiführung gehören entlassen!
Die Videos aus Clausnitz gehen bereits um die Welt. Eine Nazi-Horde und ein von Nazis aufgehetzter Mob von etwa 100 Personen bedrohen mit aggressivem Gebrüll (in den Videos in kaum erträglicher Weise dokumentiert!) einen Bus, blockieren ihn und bedrohen massiv die Flüchtlinge im Inneren. Der Bus soll ca. 25 Flüchtlinge in eine Unterkunft im Ortsteil Clausnitz, Gemeinde Rechenberg-Bienenmühle bringen. Ein Video zeigt ein Kind in Panik. Es traut sich angesichts der gebrüllten Drohungen nicht aus dem Bus: „Wir sind das Volk! Verpisst Euch! Rückwärtsgang! Ab nach Hause! Weg mit Euch!“. Das ist so deutlich, dass angesichts dieser Hetze sogar der Berichterstatter der Frankfurter Allgemeinen dem Bürgermeister von Rechenberg widerspricht, der meinte, die meisten Leute da seien nicht „auf Krawall gebürstet“. Der Junge weint, kehrt zu den Eltern im Bus zurück. Auch andere Flüchtlinge trauen sich angesichts des bedrohlichen Hass-Gebrülls nicht raus. Bemerkenswert ist, dass aber auch eine Frau im Bus ihre Empörung deutlich macht, eine empörte Geste zeigt und den Nazis draußen etwas entgegenschreit.
Wieder ist zunächst kaum Polizei vor Ort. Das kennt man aus Freital oder Heidenau, wo schon im letzten Sommer Nazis pogromartige Ausschreitungen organisierten, die die Polizei und ihre Führung nicht verhinderten. Da waren ebenfalls viel zu schwache Kräfte vor Ort. Auch dort gerieten Flüchtlinge in existenzielle Gefahr. In Clausnitz musste laut dem Bericht der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (21.02.2016) der Flüchtlingsbus eineinhalb Stunden vor der Unterkunft warten, da die Zufahrt von zwei Autos und einem Trecker, sowie diesem Mob blockiert war.
Aber in Clausnitz kam es schlimmer: Als endlich ca. 30 Polizisten, darunter auch Bundespolizei, vor Ort waren, wured genau der Junge mit brutaler Gewalt fast wie ein Stück Vieh von einem Polizisten aus dem Bus in den Hauseingang gezerrt. Wie eindeutig diese Handlung ist und wie eindeutig sie von dem grölenden Mob aufgenommen wird, ergibt sich in dem zweiten Video geradezu dramatisch: Sein Vorgehen wird mit Jubel und Beifall begleitet. Dieses Verhalten hat eine klare Aussage: Genau so gehört das! Ein Kind! Auch weitere Flüchtlinge wurden unter Gewaltanwendung in die Unterkunft gebracht.
Der Polizeiskandal:
* Der zuständige Polizeipräsident, Uwe Reißmann, aus dem nahen Chemnitz sah keinerlei Anlass zur Kritik an seiner Polizei. Die Situation hätte es erfordert, die Flüchtlinge schnell aus dem Bus zu bringen, da sei Zwang angebracht. Sonst wären eventuell Steine oder anderes geflogen. Dass Steine auf Schutzsuchende fliegen könnten, führt bei dieser Polizei also zu Gewalt gegen die Bedrohten, nicht gegen den drohenden Mob!
Nein, Reißmann ist es wichtiger, Vorwürfe gegen die bedrohten Menschen zu konstruieren: Dass Flüchtlinge die Situation durch ihr Verhalten verschärft hätten. Die Flüchtlinge selbst hätten durch Gesten provoziert. Er meint wohl die erwähnte Frau. Seit Samstagabend geht die Meldung durch die Medien, es liefen bereits Ermittlungen gegen Flüchtlinge aus dem Bus.
An die Polizei und ihren Chef heute die Ansage: Es gibt Menschen, die nicht so sind, wie Nazis und die sächsischen Polizei sich das vorstellen. Auf die Erniedrigung reagieren sie mit Gegenwehr, nicht mit der Unterwerfung, die sich Nazis erwarten. Sie verteidigen sich und damit ihre Menschenwürde – auch in einer so üblen, beleidigenden und demütigenden Situation! Ihre Aufgabe, werter Herr Polizeipräsident, ist es, die Würde dieser Menschen zu schützen. Das steht wortwörtlich so in Artikel 1 des Grundgesetzes. Aber nein, als erstes werden schon wieder aus den Opfern Täter gemacht, die typische Nazi-Methode. Ein Skandal, der längst politische Konsequenzen erfordert!
* In die sofort aufbrandende Protestwelle in sozialen Medien schaltet sich die sächsische Polizei mit einem Post ein, der auf eine empörte Äußerung eines Teilnehmers eingeht. Dort heißt es – trotz großem Bedauern und auch Entsetzen über die unleugbaren Vorfälle: „Wir als Polizei müssen die Neutralität in unseren Einsätzen wahren. Das fällt uns in dieser Situation wirklich schwer.“ (Quelle: https://www.facebook.com/polizeisachsen.info/).Was für eine Neutralität soll das denn sein? Allein die Blockade und Behinderung einer möglichst friedlichen Ankunft der Flüchtlinge dürfte mehrere Straftatbestände wie Nötigung, ggf. Haus- und/oder Landfriedensbruch, Beleidigung, Bedrohung erfüllen. Aufgabe der Polizei ist hier nicht Neutralität, sondern ein konsequente Verhinderung solcher Straftaten und die sofortige Verfolgung von Täter/innen! Oder etwa nicht? Was hat das mit Neutralität zu tun?
* Arbeit Zukunft sagt es immer wieder: Die Polizei kennt keinerlei Hemmungen, wenn Linke, antifaschistische Demonstranten Widerstand leisten gegen die dreistetsten Naziaktionen –. Einkesselung, brutale Gewaltanwendung, Festnahmen, erkennungsdienstliche Behandlung und In-Gewahrsamnahmen unter oft entwürdigenden Umständen, Strafanzeigen und Gerichtsverfahren… Das ist zigfach dokumentiert.
* Was sind das für Offiziere, die diese Polizei führen, was für Leute befinden sich in ihren Reihen. Wer trägt die politische Verantwortung?
Die skandalösen Vorfälle in Clausnitz werfen weitere Fragen auf:
* Wieso leitet ein Mitglied der AfD die Unterkunft? Der Mann hatte sich öffentlich gegen die Flüchtlingsunterbringung ausgesprochen.
* Das Video taucht zuerst auf einer Nazi-Webseite auf. Es soll Verbindungen zur bereits berüchtigten Naziszene im fernen Döbeln geben. Auch hier kam es bereits zu Naziübergriffen. Die Annahme liegt nahe, dass die Clausnitzer Vorfälle von Nazis organisiert worden sind.
Solidarität!
Erfreulich ist immerhin, dass sich der Bürgermeister von Rechenberg-Bienenmühle von den Vorfällen distanzierte. Und: eine spontane Demonstration in dem Ort solidarisierte sich mit den Flüchtlingen, was in Sachsen oft persönlichen Mut erfordert. Das zeigt deutlich, dass es nicht angemessen ist, die Menschen dort pauschal anzugreifen. Im Gegenteil, demokratisch aktive Menschen sind selbst oft bedroht und werden von genau dieser Polizei genau so wenig geschützt.
Und schon geht es weiter: Am Morgen des 21.02.2016 behinderten mehrere Menschen aktiv und aggressiv die Löscharbeiten beim Brand eines (zum Glück noch unbewohnten) Flüchtlingsheims in Bautzen, ebenfalls in Sachsen. Andere haben angesichts des Brandes Beifall geklatscht.
Tatenlos schaut der Staat offensichtlich dem Treiben dieser Nazis und deren Sympathisanten zu.
Die gesamte Lage wirft erneut die Frage nach der politischen Verantwortung, speziell in Sachsen, auf. Weder Innenminister Ulbig (CDU), noch sein Ministerpräsident Tillich(CDU) sind fähig oder willens, hier Konsequenzen zu ziehen. Es ist längst an der Zeit, dass wenigstens dieser Innenminister entlassen wird. Aber auch die Polizeiführung Sachsens gehört entlassen. Denn Rechenberg-Clausnitz ist alles andere als ein Einzelfall, sondern ein weiteres Glied in einer endlosen Kette solcher Vorfälle. Herr Tillich, Herr Ulbig! Könnt ihr oder wollt nichts daraus lernen? Wen wundert’s, dass heute weltweit vermutet wird, dass in Eurem Bundesland in Wirklichkeit eine Kumpanei mit Rechten, mit Nazis und mit „völkischen“ Hetzern herrscht? Insbesondere die Tatsache, dass die Polizei vor laufenden Kameras (Handy?) die Gewalt gegen Opfer anwandte, die die Hetzer vor der Unterkunft verlangten, und sie eben nicht gegen diese nötigenden, hetzenden Leute anwandte, das gibt diesem Vorfall seine besondere Qualität.
So darf es nicht weitergehen. Ein tiefgehende gesellschaftliche Diskussion und eine breite Bewegung sind mehr als überfällig.
ft