„Ländermonitor berufliche Bildung 2015″: Erschreckender Rückgang der Ausbildungsplätze und zunehmende Diskriminierung, vor allem in Ostdeutschland

Karikatur von Gaspritz, Wikimedia commons, Creative Commons Attribution-ShareAlike License

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Ende November veröffentlichte die Bertelsmann Stiftung eine Studie unter dem Namen „Ländermonitor berufliche Bildung 2015″. Nun sollte man bekanntlich keiner Statistik trauen, die man nicht eigenhändig gefälscht hat. Außerdem ist Skepsis gegenüber einer neoliberalen Stiftung, die als Anhängsel eines Medienkonzerns agiert und sich regelmäßig für die Marktorientierung der Ausbildung und die Verschulung des Universitätssystems stark macht und beste Beziehungen zur Regierung pflegt, angebracht. Trotzdem lohnt ein kritischer Blick in die Studie, die die Entwicklung der Berufsausbildungen (ohne Studium) in den letzten Jahren unter die Lupe nimmt und dabei versucht, Unterschiede zwischen den Bundesländern hervorzuheben.

Laut dem „Ländermonitor“ ist das Ausbildungsplatzangebot in Deutschland zwischen 2007 und 2013 (es wird fast ausschließlich dieser Zeitraum betrachtet) um rund 12% zurück gegangen – im Osten sogar um 40%! Gleichzeitig ist jedoch die Nachfrage nach Ausbildungsstellen noch stärker gesunken, so dass unter dem Strich heute sogar etwas weniger Bewerber auf eine offene Ausbildungsstelle kommen als noch 2007. Trotzdem ist das kein Grund zum Feiern, denn noch immer gibt es rein rechnerisch nur für rund 90% der Bewerber eine freie Stelle – von freier Berufswahl kann also keine Rede sein. Des weiteren macht die Studie darauf aufmerksam, dass immer mehr Auszubildende ihre Ausbildung vorzeitig abbrechen und zwar besonders in Ostdeutschland, wo dies heute auf rund ein Drittel aller Ausbildungen zutrifft. Da die meisten Auszubildenden ihren Abschluss dann aber in einem anderen Betrieb machen, lässt dies nur den einen Schluss zu: Mit dem massiven Abbau von Ausbildungsstellen sank auch die Qualität der Ausbildung. Gleichzeitig werden jetzt die wenigen noch verbliebenen Auszubildenden öfter übernommen (zumindest im Osten), sprich die wenigen Auszubildenden werden um so stärker ausgesiebt.

Dafür spricht auch die offenkundige Benachteiligung von Hauptschülern und Migranten bei der Aufnahme einer regulären Ausbildung. Jeder zweite Bewerber mit Hauptschulabschluss bekommt nicht gleich einen Platz und wird in eine der vielen „Übergangsmaßnahmen“ gesteckt; landet in einem prekären Job oder bleibt arbeitslos. In Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern geht es heute im Vergleich zu 2005 rund 30% mehr Hauptschulabsolventen so. Unter den Hauptschulabsolventen haben es Menschen ohne deutschen Pass am schwierigsten, eine Ausbildung aufzunehmen.

Für die Kapitalisten, die den absehbaren „Fachkräftemangel“ und steigende Löhne fürchten, erscheint diese Entwicklung ein Buch mit sieben Siegeln. Für alle negativen Entwicklungen geben sie letztlich uns die Schuld: Hauptursache für die sinkende Zahl der Azubis sei der Geburtenrückgang bzw. der „demografische Wandel“. Den gab es besonders im Osten, aber Schuld daran ist die rasante Verarmung der ostdeutschen Bevölkerung dank der marktradikalen Genesungskur nach 1990. Schuld daran sind die Armutslöhne, die einfach keinen Platz lassen für Familienplanung. Auch die Massenabwanderung wird von den Autoren der Studie ignoriert, dabei hält sie immer noch an und wird sich durch die noch unattraktivere Situation auf dem Ausbildungsmarkt eher verschlimmern. Außerdem ließe die Qualität unserer Arbeitskraft zu Wünschen übrig, jammern die Kapitalvertreter, während sie gerade die Hauptschulen verwahrlosen lassen. Gleichzeitig wird uns das Klischee des dummen nutzlosen Hauptschülers tagtäglich in den Konzernmedien (und sogar den Schulen!) eingetrichtert. Die Betroffenen sollen so klein gemacht und gedemütigt werden. Es ist kein Zufall, dass dem Bertelsmann-Konzern auch VOX und RTL gehören. Sogar die Unattraktivität der Ausbildung und der „Karriere“ in einem unterbezahlten Beruf wird uns zur Last gelegt: Es gäbe leider einen Trend hin zur akademischen Laufbahn. Verschwiegen wird, dass der Bertelsmann-Konzern mit seiner Unterstützung des Bologna-Prozesses und der Etablierung des Studiums als Ersatz für eine Berufsausbildung an diesem „Trend“ kräftig mitgeholfen hat.

Die Situation auf dem Ausbildungsmarkt und die weitere Verödung der ostdeutschen Bundesländer lässt sich aber nur durch Forderungen gegen das Kapital verbessern. Daher verlangen wir:

Ausbildungsplatzgarantie und unbefristete Übernahme aller Auszubildenden!

Die Schulschließungen in ländlichen Gebieten müssen aufhören!

rh