„La Voix du Peuple“ (Tunesien) vom 03. Juli 2015
Die terroristische Operation, die vergangenen Freitag in Sousse geschah, stellt, wie es der Sprecher der Volksfront gesagt hat, zugleich eine Katastrophe und einen Skandal dar: eine Katastrophe angesichts der unerwarteten Anzahl von Opfern (39 Tote und gleich viel Verletzte) sowie der Wirkung dieser schändlichen Tat auf den Tourismussektor, der immer noch unter dem Schock des Bardo-(Anschlags) vom März steht und ein Skandal angesichts der Leichtigkeit, mit der der Mörder sein Verbrechen verübte.
In der Tat begegnete letzter keinem der Sicherheitskräfte, die ihm den Weg versperren sollten. Noch schlimmer, diese tauchten erst später als 30 Minuten an dem Tatort auf, das heißt, nachdem der Terrorist den vorbereiteten Plan ausgeführt hatte, der darin bestand, möglichst viele Touristen zu massakrieren; im Moment, wo die Bediensteten vor Ort sein sollten und die Verstärkung ihnen binnen weniger Minuten zu Hilfe kommen sollte. Dies Versäumnis wurde vom Innenminister zugegeben, der erklärte, dass die Zahl der Opfer sehr viel niedriger gewesen wäre und drei bis vier nicht überschritten hätte, wenn nur ein einziger bewaffneter Bediensteter da gewesen wäre. Der Staatspräsident hingegen erklärte, dass die Behörden völlig überrascht gewesen seien und dass dies zugleich Erstaunen und Zorn hervorgerufen hätte und er stellte enorme Fehlleistungen fest.
Tatsächlich fragt sich jeder, wo die im vergangenen März infolge der Ereignisse im Anschluss an den Anschlag im Bardo-Museum, der auch Touristen zur Zielscheibe hatte, angekündigten Maßnahmen bleiben? Wo sind die besonderen Maßnahmen, von denen man sprach, dass sie anlässlich der Tourismussaison hier und da ergriffen würden, anlässlich des Ramadan, wo gewöhnlich die terroristische Aktivität steigt? Darüber hinaus, wer erwartete zu diesen beiden Gelegenheiten wirklich keine terroristischen Attacken? Hat nicht auch der Regierungschef erklärt, dass das Sicherheitsziel seiner Regierung ein Ramadan ohne Terroranschläge sei? Wie kann es der Staatspräsident wagen, von „Überraschung“ zu sprechen?
Einmal mehr hat das terroristische Verbrechen von Sousse an den Tag gebracht, dass die Erklärungen eine Sache sind und die Taten eine andere und dass die Folgen der Fehler schwer sind. Trotzdem, welche Wirkungen? Ist der Innenminister zurückgetreten, vor allem weil er im Hinblick auf seine Stellung der Hauptverantwortliche ist, bei dem was geschehen ist? Gibt es einen unter den hohen Sicherheitsbeamten, die ihrer Aufgabe nicht gewachsen waren und nicht die notwendigen Sicherheitsvorkehrungen getroffen haben, einen, der zurückgetreten ist?
Natürlich nicht, denn man hat sich mit kleinen Maßnahmen gegen die örtlichen Verantwortlichen begnügt, wie man es bei dem Anschlag im Bardo-Museum im letzten März gemacht hat, obgleich die Verantwortung entsprechend der Schwere der Tat nicht nur die einfachen Wachpersonen betrifft und das wirft eine Kernfrage auf: nämlich der Kultur der Verantwortlichkeit, die eine der Fundamente der wirklichen Demokratie darstellt, die bis heute nicht zum Lexikon unserer politischen Führer zu gehören scheint, betrachtet man die Beschränktheit, wenn nicht das Fehlen ihrer demokratischen Kultur
Alles in Allem, die Irrtümer häufen sich und die Verantwortlichen sind immer noch da bis zu dem Augenblick, wo der „Führer“ beschließt, sie zu entfernen, so wie es in der Epoche des Absolutismus von Burghiba und Ben Ali geschah. Wer von den Abgeordneten wird also verlangen, den Innenminister zu befragen? Der Ball liegt, wie es schon wiederholt gewesen ist, im Feld der Abgeordneten der Volksfront; mögen sie ihre Verantwortung auf sich nehmen!