Konferenz der DIDF am 16. Mai: Türkei vor den Wahlen – Die politische Zukunft des Nahen Ostens

 

Die Föderation Demokratischer Arbeitervereine (DIDF) organisiert am 16. Mai 2015 in Berlin eine Konferenz mit dem Thema „Türkei vor den Wahlen – Die politische Zukunft des Nahen Osten“. Wir finden diese Veranstaltung sehr empfehlenswert und dokumentieren daher an dieser Stelle die Pressemitteilung der DIDF:

Die Föderation Demokratischer Arbeitervereinen (DIDF) organisiert am 16. Mai in Berlin eine Tagung zu der Situation in der Türkei im Hinblick auf die politische Zukunft des Nahen Ostens. An der Tagung werden Hamma Hammami aus Tunesien, Levent Tüzel, Abgeordneter der HDP, Prof. Mithat Sancar, Dozentin Nilgün Ongan aus Istanbul und der Journalist Yusuf Karatas sprechen. Wir haben mit Düzgün Altun (Mitglied der Bundesgeschäftsführung der DIDF) über die Ziele der Veranstaltung gesprochen.

Die Tagung hat zwei Schwerpunkte, die eng miteinander verbunden sind: Die Entwicklungen in den Nahen Osten und die bevorstehenden Wahlen in der Türkei. Zu beiden Themen gab es sicherlich viele Tagungen und Konferenzen. Was sollen die Teilnehmer von dieser Tagung erwarten?

Es stimmt, dass es viele Veranstaltungen über die Entwicklungen im Nahen Osten gab. Auch wir haben als DIDF, vor allem nach unserer Delegationsreisen nach Kobane, viele Informationsveranstaltungen organisiert. Ich weiss aber von keiner Veranstaltung mit Hamma Hammami, der uns aus erster Hand die Situation in Tunesien wiedergeben kann. Es ist deswegen spannend, weil das tunesische Volk mit ihrem Aufstand 2010 den Anstoß für tiefgreifende Entwicklungen in der arabischen Welt gegeben hat. Das tunesische Volk hat nach 40 Jahren Diktatur Ben Ali gestürzt und aus dem Land verjagt. Hamma Hammami war einer der Anführer dieses Widerstandes. Wegen seines politischen Kampfes saß er Jahre lang in tunesischen Gefängnissen. Bei den letzten Staatspräsidentschaftswahlen in Tunesien wurde er auch als Kandidat aufgestellt und hat die drittmeisten Stimmen bekommen. Tunesien spielt in diesem Zusammenhang deswegen eine große Rolle, weil der IS aus Tunesien viele Kämpfer rekrutiert. Die Entwicklungen in Tunesien zeigen deutliche Parallelen mit der Türkei. Auch wenn die AKP in der Türkei noch relativ stabil im Sattel zu sitzen scheint, wird sie nicht so weiter machen können, wie bisher. Deswegen haben wir auch den Journalisten Yusuf Karatas aus Diyarbakir eingeladen, der die aktuelle Situation in Rojava schildern und über die Außenpolitik der Türkei berichten wird.

Wir wissen ja, dass die Staatsgrenzen nach dem Ersten Weltkrieg von den Siegermächten willkürlich gezogen wurden. Diese Grenzen und Staatengebilde befinden sich nun in einem Auflösungsprozess. Dieser Prozess verfügt über zweierlei Dynamik. Die positive Dynamik wird repräsentiert durch die Aufstände und Rebellionen der arabischen Völker. Die negative Dynamik drückt sich in den zerstörerischen Folgen der Kriege und Interventionen der Großmächte in der Region aus.

Wie ist die Tagung aufgebaut?

Wir möchten im ersten Teil auf diese Fragen eine Antwort suchen: Wo steht Tunesien jetzt? Welche Akteure des Aufstandes gewinnen an Einfluss? Ist ein Frieden im Nahen Osten möglich? Wie kann der Frieden, die Demokratie und Freiheit für die Völker des den Nahen Ostens realisiert werden? Welche Rolle spielt die kurdische Frage in dieser Region und in diesem Prozess? Was wollen die Kurden?

Im zweiten Teil sitzen Levent Tüzel, Prof. Mithat Sancar, Nilgün Ongan und Yusuf Karatas auf dem Podium. Themenschwerpunkte sind die reaktionäre Politik der AKP- Regierung, die Demoktratiebewegung und die Wahlen am 7. Juni.

Ich denke gerade auf diese “brennenden Fragen” wird die Tagung eine Antwort suchen. Seit 13 Jahren regiert die türkisch-nationalistisch-konservative Partei AKP (Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung) alleine. Am 7. Juni wird sich entscheiden, ob die AKP weiter alleine regieren kann und ob sie sogar Zweidrittel der Abgeordneten bekommt, um auch Verfassungsänderung vorzunehmen, die die Einführung des Präsidialsystems, die Islamisierung des Landes und Beschneidung der Grundrechte begünstigen würden.

Die Türkei ist gewissermaßen die Brücke zwischen West und Ost. Sie spielt aus mehreren Gründen, für die weiteren Entwicklungen im Nahen Osten eine erhebliche Rolle.

In diesem Zusammenhang werden wir mit unseren Gästen darüber reden, ob und wie es möglich ist, die AKP zurück zu drängen.

Was haben Türkeistämmige mit den Wahlen in der Türkei zu tun?

Wir sind der Meinung, dass der Ausgang der Wahlen auch auf Europa einen Einfluss haben wird. Alle bisherigen Regierungen setzten alles daran, die hier lebenden Menschen politisch an sich zu binden und einen finanziellen Vorteil daraus zu erlangen. Es geht sogar soweit, dass diese Politik einen erheblichen Einfluss auf die Lebenseinstellung und Gestaltung hat. Das heisst im Umkehrschluss, wenn es in der Türkei eine wirkliche demokratische Regierung wäre, würde diese einen positiven Einfluss auch auf die Türkeistämmigen hier haben. Und das würde sich auch auf die Bemühungen eines besseren Zusammenlebens auswirken.

Doch zu diesem Thema und vor allem zu der Rolle des Westens wollen wir im Herbst eine weitere Veranstaltung organisieren.

Es ist für uns besonders wichtig, dass die Teilnehmer auch mit diskutieren können und Fragen stellen können. Deswegen werden wir nach jedem Teil genug Zeit für Fragen und Antworten einplanen.

Redner auf der Konferenz:

Levent Tüzel (geb. 1961), Rechtsanwalt. Er war Vorsitzender des Zeitgenössischen Anwaltsvereins Istanbul sowie der Partei der Arbeit (EMEP). 2011 wurde er als Parteiloser in das Türkische Parlament gewählt, später trat er in die Fraktion der Demokratischen Partei der Völker (HDP) bei. Bei der Parlamentswahl am 7. Juni 2015 kandidiert er erneut auf der HDP-Liste.

Mithat Sancar (geb. 1963), Hochschullehrer. Er war Mitglied der sog. „Weisenkommission“, die von der Regierung zwecks Unterstützung des Friedensprozesses gegründet wurde. Zum Thema “kurdische Frage” schrieb er zahlreiche Artikel bzw. moderierte Fernsehsendungen. Er ist HDP-Kandidat bei der kommenden Parlamentswahl.

Nilgün Ongan (geb. 1973), Hochschullehrerin. Sie verfasste zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten zu den Themen “Beziehungen der Türkei zur EU”, “Wirtschaftliche Problemstellungen in der Türkei” und “Gewerkschaftsarbeit in der Türkei”.

Yusuf Karatas (geb. 1974), Journalist. Er lebt in Diyarbakir und ist Kolumnist der Tageszeitung “Evrensel”.

Hamma Hammami, (geb. 1952), Politiker. Er kämpfte jahrelang gegen die Repressionen in Tunesien und war mehrere Jahre inhaftiert. Er übernahm bei den Ereignissen in Tunesien, die den Auftakt des so genannten “arabischen Frühlings” darstellten, eine wichtige Rolle. Er was Sprecher der von linken Kräften gegründeten Volksfront und trat als deren gemeinsamer Kandidat zu der Präsidentschaftswahl im Jahr 2014 an.