La voix du peuple, Tunesien, 13. Feb. 2015: Die Regierung und die dringenden Maßnahmen

Seit der Ankündigung der neuen Regierungsbildung und ihrer Bestätigung durch die Versammlung der Volksvertreter beginnt sich die öffentliche Meinung um die kommenden hundert Tage Sorgen zu machen. Tatsächlich sind die Mehrheit der sozialen Klassen und Berufsgruppen sowie alle Regionen von den Schwierigkeiten des Lebens hart getroffen, und das nicht nur in der Zeit, die auf die Parlaments- und Präsidentschaftswahlen folgte, sondern vor allem während der drei Jahre, die der Prozess des Übergangs dauern sollte. Die Armut, die Arbeitslosigkeit, die Marginalisierung und die Korruption, welche die Flammen der Revolution vom 17. Dezember bis 14. Januar angefacht hatten, haben sich mit den Regierungen von Beji Caid Essebsi, der Troika und der von Mehdi Jommaâ noch verschärft. Und das so sehr, dass das Land in eine scharfe Wirtschaftskrise gestürzt wurde, die den Bankrott bedeutet und das Herannahen einer höchst angespannten sozialen Lage, sowie eines Sicherheitsrisikos, das zusätzlich zu der Verschlechterung der Lebensbedingungen und der Qualität der grundlegenden sozialen Dienste, der Ausbreitung des Phänomens des Terrorismus den Weg ebnet. Die offizielle und halboffizielle Propaganda hat auch alles getan, dass der Ausweg aus der Krise auf Rechnung des Übergangs von der Übergangsperiode zur Periode der Stabilität gehen sollte, insbesondere mit der Wahl eines neuen Parlaments, eines neuen Präsidenten und der Bildung einer „ständigen“ Regierung.

Das tunesische Volk hat diese Regierung und die neuen Regierungsinstitutionen mit großen Erwartungen aufgenommen; das erfordert, dringende Maßnahmen zu ergreifen, von denen einige bis zur Reform des Staatsapparats auf ökonomischem (Produktion, Verteilung, Investitionen, Banksystem und Finanzwesen…), sozialem (Löhne, Preise, Finanzausgleich, soziale Absicherung und Erziehung…) und politischem (Verwaltungs-, Sicherheitsreform, Reform des Nachrichtenwesens, der Kommunalverwaltung und die Wiederbelebung der Übergangsjustiz…)Gebiet noch anstehen.

Dessen ungeachtet denken wir, dass die Regierung einige dieser Erwartungen nicht unberücksichtigt lassen kann, die im Wesentlich betreffen:

  • das Einfrieren der Preise der Basisprodukte,

  • die Gewährung einer Unterstützung für jeden Arbeitssuchenden,

  • einen Schuldenerlass für die Kleinbauern (5 Millionen Dinar) und den Verzicht auf entsprechende administrative Maßnahmen,

  • die Wiederbeschaffung und Neuverteilung der Staatsgüter zu Gunsten von jungen Menschen und arbeitslosen Akademikern und die Gewährung von materiellen Hilfen und Darlehen, als Motivation zur Bestellung dieser Ländereien,

  • den Neubeginn von sozialen Verhandlungen und die Anhebung der Löhne und des Mindestlohns in der Industrie und in der Landwirtschaft,

  • die Überführung der Gelegenheitsarbeiter und der prekär Beschäftigten in geregelte Arbeitsverhältnisse,

  • die Gewährung einer doppelten Pension und kostenlosen Pflege für Behinderte aus bedürftigen Familien,

  • die Erfassung armer Familien und Beginn der Errichtung von Sozialwohnungen zugunsten der Antragsteller,

  • die Ausstattung der Gemeinden und die Organisierung einer Kampagne für Sauberkeit in den Städten, auf dem Land und öffentlichen Plätzen,

  • die Annullierung der willkürlichen Entscheidungen des Ministeriums für Erziehung und Hochschulwesen, in Erwartung einer nationalen Beratung betreffs der Reform des Erziehungs-, Schul- und Bildungssystems,

  • die Durchführung einer ernsthaften Untersuchung betreffs des Mordes an den zwei Märtyrern Chokri Belaid und Mohamed Brahmi und die Aufklärung des Verdachts, der auf den interessierten politischen und geheimdienstlichen Kreisen liegt,

  • die Annahme eines Aktionsplans gegen den Schleichhandel und die Strukturierung der Parallelwirtschaft,

  • die Wiederöffnung der Akten über Korruption, die vertuscht worden sind,

  • die Reaktivierung der Übergangsjustiz und die Entschädigung der Märtyrer und Opfer während und nach der Revolution,

  • die Wiedereröffnung unserer Botschaft in Syrien,

  • die Intensivierung der Anstrengungen für die Freilassung von Soufiane Chourabi und Nadhir Ktari.

Wer diese Maßnahmen genau betrachtet, kann leicht feststellen, dass sie nicht viel kosten, aber dass sie notwendig und möglich sind und von der Regierung nur den ernsthaften politischen Willen und ein Minimum an Mut und Kühnheit erfordern, wenn letztere wirklich eine Botschaft aussenden will, die vom Volk ernst genommen werden soll. Dass die Regierung sich mit einfachen Beruhigungsmitteln, die von den Medien stark aufgebauscht werden, begnügt, lässt die Explosion der Wut nur aufschieben. Aus diesem Grund werden wir den Verlauf der 100 Tage abwarten, um die Regierungs-Tätigkeit zu begutachten und damit das Volk die Wahrheit über diese Regierung erkennen kann.

 

Übersetzung aus La Forge, 03/2015, Zeitung der Kommunistischen Arbeiterpartei Frankreichs