Das Zukunftsforum Stuttgarter Gewerkschafter und die Föderation demokratischer Arbeitervereine (DIDF) hatten Gerwin Goldstein, Betriebsrat bei Daimler Bremen, und Gerhard Kupfer, ehemals Betriebsrat bei Daimler Bremen – jetzt Rentner, zu einer Solidaritätsveranstaltung eingeladen. Moderiert wurde die Veranstaltung von dem Journalisten Serdar Derventli.
Der Hintergrund:
Nach jahrelangen Kämpfen gegen Fremdvergabe und Leiharbeit im Bremer Daimlerwerk und mehrere spontanen Kampfaktionen haben in der Nachtschicht vom 11. auf den 12. Dezember 2014 rund 1300 Kolleg/innen von ihrem Recht auf Information durch den Betriebsrat Gebrauch gemacht. Sie wollten Informationen über ein Sparprogramm holen, mit dem zwei Milliarden eingespart werden sollen. Anschließend beschlossen die Kolleg/innen spontan nach hause zu gehen, um gegen die geplanten Maßnahmen zu protestieren. Die Produktion stand damit weitgehend still.
Sehr lebendig, voll Witz und spürbarer Kampfeslust berichtete zunächst Gerhard Kupfer von der Vorgeschichte, wie eine Minderheit der Betriebsräte zusammen mit großen Teilen der Belegschaft seit Jahren gegen Leiharbeit, Fremdvergabe und alle Arten von unsicherer Beschäftigung kämpfen. Er sagte dabei offen, dass der Gegner das Kapital sei, aber die IG Metall-Verantwortlichen oftmals zur Gegenseite gehören und den Kampf abschwächen und verraten würden. Mit einem Lächeln meinte er, dass er den IG Metall-Bevollmächtigten immer als den Beohnmächtigten bezeichne, weil der häufig sage, da könne man halt nichts machen. Bei vielen Anwesenden rief das ein Schmunzeln hervor. Denn sie kannten das Problem aus ihrer betrieblichen Praxis.
Mit typisch norddeutscher Zurückhaltung, aber deutlich merkbarer Begeisterung schilderte dann Gerwin Goldstein die Ereignisse in der Nachtschicht vom 11. auf den 12. So berichtete er, wie ihn Kolleg/innen um 23 Uhr anriefen, es bestehe Informationsbedarf. In der Halle sei schon eine ganze Gruppe, die nicht mehr arbeite und auf den Betriebsrat wartete. Natürlich schliefen um diese Zeit die Betriebsräte, die auf Co-Management-Kurs sind friedlich und hatten keine Ahnung von der Stimmung im Werk. Und die Kolleg/innen wussten, dass man sie nicht stören darf. Aber es gab ja kämpferische Betriebsräte, die sich zu jeder Tages- und Nachtzeit einsetzen und ansprechbar sind. Als die Betriebsräte kamen, war die Masse der Kolleg/innen bereits angeschwollen. Diese machten dann einen Marsch durch weitere Hallen, bis sich schließlich ca. 1300 informieren ließen. Nach der Information gingen sie zum Haupttor, durch das Tag und Nacht LKWs ein- und ausfahren. So entstand ein langer Stau auf der Zufahrtsstraße. Danach wurde die Arbeit komplett eingestellt.
In den folgenden Tagen reagierte die Geschäftsleitung panisch. Hunderte Kolleg/innen wurden einzeln zu einem Verhör durch jeweils zwei Mitarbeiter der Personalabteilung abgeholt. Fragen wie, wer war der Rädelsführer, wer hat gesprochen, wer hat angefangen, gingen auf die Betroffenen nieder. Doch kein/e Kolleg/in konnte sich an etwas erinnern oder nichts sehen, weil es dunkel war. Genervt musste die Geschäftsleitung diese Verhöre aufgeben. Stattdessen verschickte sie kurz vor Weihnachten 761 Abmahnungen. Die Empörung war groß. Doch durch die Weihnachtspause war es schwer, den Widerstand dagegen zu organisieren. Die IG Metall-Führung verweigert jede Unterstützung, obwohl die beiden Kollegen Gerwin Goldstein und Gerhard Kupfer betonten, sie seien überzeugte Gewerkschafter. Kolleg/innen, die angesichts der schäbigen Haltung der Führung austreten wollten, hätten sie mühsam davon überzeugt, Mitglied zu bleiben und selbstbewusst in der Gewerkschaft aufzutreten sowie Verantwortung zu übernehmen. Nun bereite man die nächste Betriebsversammlung vor, um das Thema wieder auf die Tagesordnung zu bringen. Zudem würde man in Zusammenarbeit mit renommierten Anwaltsbüros eine Grundsatzklage für das Recht auf kollektive Information und gegen die Einschränkung des Streikrechts in Deutschland vorbereiten. Auch wenn man nicht auf das Recht hoffe, wolle man das nutzen, um das Thema stärker ins Bewusstsein zu rufen.
Serdar Derventli leitete zur Diskussion über. Daran beteiligten sich mehrere Kolleg/innen von Daimler Sindelfingen und Untertürkheim. Aber auch aus anderen Metallbetrieben und Gewerkschaften wie verdi waren Kolleg/innen anwesend. In der Diskussion gab es zwei Hauptthemen:
– Was ist mit den Gewerkschaften los? Was können wir darin tun, um einen selbständigen, selbstbewussten Kampf der Arbeiterklasse zu ermöglichen?
– Wie können wir Solidarität mit den 761 Abgemahnten organisieren?
Alle waren sich einig, dass man alle Möglichkeiten nutzt, um den Fall bekannt zu machen und dafür Unterstützung zu organisieren. So brachten Kolleg/innen von Daimler Sindelfingen mehrere volle Unterschriftenlisten, die sie in ihrem Werk unter den Kolleg/innen gesammelt haben.
Mehr Informationen gibt es unter:
http://www.labournet.de/category/branchen/auto/auto-daimler/daimler-bremen/