Volksinitiative „G9 jetzt“ in NRW kämpft für die Wiedereinführung des Abiturs nach 9 statt nach nur 8 Jahren.
Die Einführung des Abiturs schon nach 8 statt wie bis dahin nach 9 Jahren stellt, wie wir schon in der letzten Ausgabe von AZ festgestellt haben, eine Verschlechterung dar. Wir sind damit nicht die einzigen und in einigen Bundesländern ist dieser Schritt zumindest teilweise zurückgenommen worden. In Nordrhein-Westfalen bemüht sich seit mindestens Mai 2014 die „Volksinitiative G9 jetzt“ um die Wiedereinführung des Abiturs nach 9 Jahren. Genossen und Freunde von AZ unterstützen diese Initiative, die – um eine Neubehandlung des Themas im Landtag zu erreichen, bis Mitte März knapp 67.000 Unterschriften sammeln muss und dieses Ziel mit 64.000 am 20. Februar fast erreicht hat.
Wir sind keine Anhänger des dreigliedrigen Schulsystems, also auch nicht des Gymnasiums. Wir wollen die Einheitsschule. Doch sehen wir die Alternative „8 Jahre schlechte Ausbildung“ oder „9 Jahre etwas bessere Ausbildung“ und da fällt uns die Entscheidung nicht schwer.
Einer der Unterschriftensammler berichtete uns von seinen Erfahrungen, die er bei einer gemeinsamen Sammel-Aktion in einer Ruhgebiets-Großstadt gemacht hat. Der WDR hatte auf diese Aktion in ganz NRW, die Lokalzeitung hatte kreisweit darauf hingewiesen. Insgesamt betrachteten die SammlerInnen die Aktion als Erfolg, denn sie bekamen in 3 Stunden etwa 400 Unterschriften zusammen. Darunter die von 2 Dozenten verschiedener Universitäten, die sich bitter über das niedrige Bildungsniveau vieler Studienanfänger beklagten, für die die Uni erst eigene Einführungskurse einrichten muss. In einem von der Initiative auf ihrer Homepage veröffentlichten Artikel weist Prof. Dr. Rainer Dollase von der Universität Bielefeld noch auf etwas anderes hin:
„Einen besonderen Widerspruch leistet sich das größte Bundesland Nordrhein-Westfalen, in dem es G8 an Gymnasien und G9 Abi an Gesamtschulen fördert, d.h. hier wird von einer rot-grünen Koalition ein Zwei-Klassen-Abitur konstruiert, eines für die Kinder aus bildungsnahen Elternhäusern (G8) und eines für den Rest. Hiermit wird eine Zweiklassengesellschaft bereits in jungen Jahren etabliert und es wird nicht lange dauern, dass man das eine Abi für das Elite-Abi und das andere für das „bac poubell“ (das „Mülleimer-Abitur wie es in Frankreich heißt), hält.“ Die jetzige Kultusministerin hatte sich übrigens früher für G9 ausgesprochen – aber was interessiert mich mein Geschwätz von gestern? Komisch, da ist gar keine Konstanz… (s.o.)
Es gibt weitere Argumente gegen G8, wir nennen hier nur noch eins: ein Jahr früher Einstieg ins Berufsleben plus zwei (?) Jahre später Rente = 3 Jahre mehr Arbeit (bzw. arbeitslos). Das ist übrigens ein Argument der pro-G8-ler: die jetzt Jugendlichen zahlen dann ein Jahr früher in die Rentenkasse ein (die sie durch den Generationenvertrag geplündert haben) – das Letztere sagen sie natürlich nicht!
Viele Passanten antworteten, wenn sie um eine Unterschrift gebeten wurden, etwa so: „Ich habe schon Abi“ – „Mein Kind kommt damit klar“ – „Mein Kind geht nicht zum Gymnasium“. Sie antworteten gewissermaßen aus der „Ich-Perspektive“. Dabei unterstellen wir ihnen keine bösen Absichten oder Gleichgültigkeit, sondern Kurzsichtigkeit: sie übersehen, dass sie und andere dann in einer Gesellschaft leben müssen, deren Mitglieder schlecht ausgebildet sind.
Am Tag vor der Sammel-Aktion war „unser Informant“ im Supermarkt und hörte, wie zwei ältere Frauen sich über das „schreckliche Turbo-Abitur“ unterhielten. Er fand in seiner Tasche die Liste, aber leider keinen Stift. Trotzdem wies er die beiden auf die Sammelaktion, doch die hatten, wie sie zumindest sagten , leider auch keinen Stift, so dass es mit den Unterschriften nichts wurde; immerhin, er machte sie auf Ort und Termin der Aktion am nächsten Tag aufmerksam und sie versprachen, zu kommen. Frustriert wegen des fehlendes Stiftes verließ der Sammler den Markt – solche Versprechen kannte er von früher zur Genüge.
Am nächsten Tag hatten sich die Gruppe der Sammler kaum getroffen und ihre Listen herausgeholt, da tauchte eine der beiden Frauen auf und hatte sogar ihren Mann mitgebracht Ihr Kommentar: „… hab‘ ich doch versprochen!“ Sie hatte das kaum gesagt, da fuhr sie fort: „Ach, da kommt ja auch meine Bekannte!“ und deren Begründung war: „…hab‘ ich doch versprochen!“
Wir meinen, diese beiden Frauen sind es wert, erwähnt zu werden. Jede(r) von uns kennt die Behauptung „Die Menschen sind eben so, jeder denkt nur an sich.“ Es stimmt, solche Menschen gibt es, aber es gibt auch die anderen – und die sollte man ruhig mal bewusst zur Kenntnis und zum Maßstab nehmen, das verhindert Frustrationen.
Übrigens: aus mehreren Nachbarstädten waren Menschen extra zum Unterschreiben in die Großstadt gekommen – eine weitere Bestätigung des eben Geschriebenen.