So hetzt BILD gegen Griechenland und das griechische Volk!
Die Rosskur, die „Brüssel“ Griechenland für den Weg aus der vom Volk nicht verschuldeten Krise verordnet hat, ist beeindruckend:
Hatte Griechenland im Jahr 2008 – vor Beginn dieser Rosskur – eine Staatsverschuldung von 80 Milliarden €, so sind daraus nach sechs Jahre „Hilfe“ 320 Milliarden € geworden. Und das, obwohl EU, EZB und IWF durch den aufgezwungenen Sparkurs aus der arbeitenden bzw. arbeitslosen griechischen Bevölkerung herausgepresst haben, was nur herauszupressen war.
Die jetzt abgewählte Regierung aus Pasok und Nea Demokratia kürzte gehorsam die Renten; die Kaufkraft sank um etwa 50 Prozent; etwa 50 % der Menschen leben an oder unterhalb der Armutsgrenze; etwa 1000 Schulen haben Lebensmittelhilfe beantragt, damit die Kinder etwas zu Essen bekommen – 145.000 Kinder sind mangelernährt; die Troika besteht auf Massenentlassungen, der Einschränkung des Streikrechts, Stilllegung großer Betriebe ohne Entschädigung der Entlassenen , die Selbstmordrate stieg um 27 Prozent… Diese Horrorliste ist leider noch viel länger. Doch die EU, die nicht nur in Brüssel verantwortlichen Politiker, allen voran Merkel und Schäuble, sahen (bis vor der Wahl!) Griechenland auf einem guten Weg! Über wie viele Leichen wollen sie denn noch gehen, auf dem „guten Weg“, den Euro bzw. die Banken zu retten?
Die Banken sind wesentlich beteiligt an der Krise nicht nur Griechenlands. Wenn sie für die Folgen ihres Verhaltens aufkommen müssten, wären sie pleite. Doch wenn ein Gigant zu Boden stürzt, erschlägt er alles andere unter sich – also muss er „gerettet“ werden auf Kosten derer, die er sonst erschlagen würde. Sieht man sich das Verhalten so mancher „Leih-mal-Brothers“ an, so sieht man, dass sie ohne Rücksicht auf (wessen ?) Verluste die alte Finanzpolitik weitermachen, denn sie können davon ausgehen, dass sie auch bei einem neuen Crash wieder „gerettet“ werden.
„Ich glaube, dass unsere zukunftslose Jugend eines Tages zu den Waffen greift und die Vaterlandsverräter auf dem Syntagma-Platz aufhängt.“ (aus dem Abschiedsbrief eines vor mehreren Jahren in den Selbstmord Getriebenen)
Doch es sind nicht die Banken allein. „Der gesamte Verlust durch Steuerhinterziehung und Steuervermeidung beträgt in der Europäischen Union über 1.000 Milliarden € pro Jahr. Wenn wir nur 10 % davon hätten – in welch guter Verfassung wäre die europäische Wirtschaft!“ (Nicholas Shaxson, britischer Journalist, der im Tax Justice Network für Steuergerechtigkeit und gegen Steueroasen kämpft). Und EU-Parlamentspräsident Schulz dazu: „…dann müssen wir davon ausgehen, dass, wenn wir nur schon 10 % davon hätten, die Haushaltsprobleme der Krisenländer schon gelöst wären.“
Zehn Prozent – das wären „nur“ 100 Milliarden € und die finanziellen Probleme aller (!) Krisenländer wären also gelöst. Doch Griechenland erhielt nicht nur 100 Mrd, sondern sogar 320 Mrd € und die Menschen dort leben immer noch im Elend – der neuen Regierung wünschen wir, dass es ihr gelingt, dieses Elend nicht nur zu lindern. Doch halt – wer hat eigentlich diese 320 Mrd € bekommen? Jedenfalls nicht das griechische Volk, bei dem sind nämlich von 100 € nur 1,60 € angekommen, der Löwenanteil von 98,40 € landete gleich wieder bei den (nicht griechischen) Banken u.ä.
Stell Dir einmal vor, Du leihst Dir bei der Bank 1,60 € und sollst dafür 98,40 € Kreditgebühren zahlen – das sind über 6000 %, nicht einmal die Geldverleiher der Mafia verlangen solche Wucherzinsen. Doch jeder weiß, wie die Mafia und ähnliche Banden reagieren, wenn der Schuldner seine Schulden nicht bezahlen kann: sie schicken ihre Schläger und notfalls Killer aus, um das Geld einzutreiben. Wer übernimmt denn nun bei der EU diese Aufgabe und mit welcher Methode?
Die Wahlen in Griechenland waren ein Aufschrei des gequälten und geschundenen Volkes, vor allem der Arbeiterklasse. Das Ergebnis ist ein starkes Signal: So kann es nicht weitergehen!
Die neue griechische Regierung ist demokratisch gewählt worden – sie ist ihren Wählern, sie ist dem griechischen Volk gegenüber verpflichtet und hat dessen Interessen – auch gegen die EU – zu vertreten.
Doch in dieser EU zählen Wahlen nicht mehr. Die Banken haben das Sagen. So machte Wolfgang Schäuble, der deutsche Finanzminister, aggressiv klar, dass Griechenland zu schlucken habe, was das Finanzkapital ihm diktiert. Das Motto: „Ihr könnt frei wählen, wen ihr wollt! Die Gesetze diktieren aber wir.“
Dazu braucht man das Volk und hetzt entsprechend. In einem kurz nach der Wahl veröffentlichten „Politbarometer“ des ZDF sprachen sich angeblich etwa 80 % der Befragten gegen einen Schuldenschnitt für Griechenland aus. „Hochverehrtes Publikum, bist Du wirklich so dumm?“ Das fragte Kurt Tucholsky in seinem Gedicht „An das Publikum“ – weder er noch wir meinen das jetzt als Beleidigung, sondern als kameradschaftlichen Knuff: „Mensch, glaub doch nicht alles, was in gewissen Medien berichtet wird!“
Wir wissen, dass SYRIZA keine kommunistische Partei ist, unterstützen sie aber in ihrem Versuch, die Erdrosselung der griechischen Bevölkerung durch EU, EZB und IWF zu verhindern. Ihr Koalitionspartner ist übrigens nicht so rechtslastig, wie er von gewissen deutschen Medien hingestellt wird. (Dabei ist bemerkenswert, dass diese Medien gegen eine Zusammenarbeit der ukrainischen Putsch-Regierung mit tatsächlichen Faschisten nichts einzuwenden haben.) Die nun abgewählte griechische Regierung und die griechische Polizei arbeiteten ganz unverhüllt mit den Faschisten der „Goldenen Morgenröte“ zusammen und sahen deren Morden an Ausländern, Asylanten, politischen Gegnern lange tatenlos zu. Bei dem jetzigen Koalitionspartner handelt es sich um eine Abspaltung der früheren Regierungspartei Nea Demokratia, die den von Brüssel verordneten Pro-EU-Schwenk nicht mitmachen wollte.
Im Kulturzentrum „Bahnhof Langendreer“ in Bochum sprach der ehemalige SYRIZA-Abgeordnete Papaioannou – er ist derzeit als Dozent in Kassel. Er berichtete von einer Sofort-Maßnahme der neuen griechischen Regierung: jedes in Griechenland geborene Flüchtlingskind erhält mit seiner Geburt automatisch die griechische Staatsbürgerschaft und ist damit vor einer Abschiebung sicher. Dieser Beschluss wird nach Papaioannou auch vom Koalitionspartner getragen – wäre das nicht auch etwas für Deutschland?
„Schuldest Du einer Bank 10.000 €, hast Du gar keine Verhandlungsposition – schuldest Du ihr aber 300 Milliarden €, hast Du eine gewaltige Verhandlungsposition – unter einer Bedingung: Du mußt bereit sein, NEIN zu sagen.“ (Yanis Varoufakis, Finanzminister der neuen Regierung) Wir wünschen dem griechischen Volk den für diesen Kampf notwendigen langen Atem. Wir werden diesen Kampf nach Kräften unterstützen – nicht nur gegen die einseitige Berichterstattung mancher Medien, gegen EU-Kaiserin Merkel, EZB, IWF…
Wie viele Flüsse voller Blut sollen vergossen werden,
um das Meer unserer elenden Natur zu vertiefen,
den Sumpf unseres Bewusstseins zu nähren,
den Atemstillstand der Vergessenheit zu heilen?
Wie viele Bettler werden an unsere Tempel kommen,
verehrt als Wiege der Weisheit,
ferngehalten durch Draht und Zäune,
umzingelt von Wasser und Minen?
Und wie viele werden wir sein,
wir, die wieder die Augen verschließen,
unsere Köpfe senken,
froh, dass wir nicht diejenigen sind?
(aus einem griechischen Protestlied)
Leserbrief zum Artikel „Das griechische Volk wehrt sich gegen die Schlachtbank von EU, EZB und IWF“
Werte Genossen,
zum oben genannten Artikel in AZ Nr. 2/2015 einige kritische Anmerkungen:
Meine Kritik richtet sich nicht gegen die Beschreibung der Lage in Griechenland, der Rolle der BLÖD-“Zeitung“, Merkels und Schäubles, der Troika usw., sie richtet sich gegen eure Unterstützung von Syriza „in ihrem Versuch, die Erdrosselung der griechischen Bevölkerung durch EU, EZB und IWF zu verhindern.“
Wie ihr richtig schreibt, ist Syriza keine kommunistische Partei. Sie ist eine linkssozialdemokratische Partei in der auch viele ehemalige Funktionäre der abgewirtschafteten PASOK Zuflucht gesucht und gefunden haben – schließlich ist die Mitgliedschaft in PASOK jetzt nicht mehr karriereförderlich.
Unterstützung von Syriza bedeutet Unterstützung der Verbreitung von Illusionen über den Charakter der EU, über die Möglichkeit einer sozialen Umgestaltung der EU, über die Möglichkeit über bürgerliche Wahlen grundlegende Verbesserungen für die Arbeiterklasse und die ausgebeuteten und verarmten Massen erreichen zu können. Sicherlich wird die Troika das eine oder andere kleine Zugeständnis machen (müssen), schließlich hat sie ein Interesse daran, dass Tsipras an der Regierung bleibt. Syriza ist die vorletzte Chance der Herrschenden (und innerhalb der bürgerlichen Demokratie die letzte, danach bleibt nur noch die faschistische „Goldene Morgenröte“), die Volksmassen von revolutionären Gedanken und Aktionen abzuhalten und damit die Profite des Monopolkapitals zu sichern. Hier spielt Syriza die klassische Rolle der Sozialdemokratie, eine Rolle die PASOK durch die zu offensichtlich gewordene Verschmelzung mit dem Kapital nicht mehr zu spielen vermochte. Nicht von ungefähr findet Syriza plötzlich Verständnis, ja sogar Zuspruch nicht nur von der Linkspartei, sondern sogar von Sozialdemokraten und Grünen. Syriza wird zwangsläufig scheitern, wird die ausgebeuteten Volksmassen verraten (müssen), von denen dann ein Teil sich – enttäuscht von den „Linken“- der Goldenen Morgenröte zuwenden wird.
Die einzige für Kommunisten mögliche Unterstützung im Kampf der griechischen Bevölkerung gegen die EU-Diktate ist es, die Haltung der Kommunistischen Partei Griechenlands (KKE) (die übrigens in eurem Artikel mit keinem Wort erwähnt wird!) zu unterstützen. Auch wenn die KKE eine in Teilen (noch) revisionistische Partei ist (die KKE hat nach dem Zusammenbruch des Revisionismus an der Macht in harten, innerparteilichen Kämpfen den Kampf gegen den Revisionismus aufgenommen, der zwar nicht in allen Punkten erfolgreich war, aber auch noch nicht beendet ist), ihre Ablehnung sich an einer Koalition mit Syriza zu beteiligen, ihre Orientierung auf den Klassenkampf statt auf Verbreitung von Illusionen in die EU und bürgerliche Wahlen verdient die Unterstützung aller Kommunisten und klassenbewussten Arbeiter. Zu dieser Unterstützung gehört aber auch die Entlarvung von Syriza und ihrer Rolle als Retter des Monopolkapitals. Die KKE zeigt den einzig möglichen Weg aus der Krise auf: Raus aus dem Euro, raus aus der EU, raus aus der NATO, Überführung der Banken und Großkonzerne in gesellschaftliches Eigentum, Konfiszierung großer, durch Ausbeutung angehäufter Vermögen zum Wohle des Volkes.
Es gab übrigens in Griechenland schon die ersten Demonstrationen gegen die Politik der neuen Regierung – angeführt von der KKE und der klassenkämpferischen Gewerkschaft PAME. Das gilt es zu unterstützen.
Mit solidarischen Grüßen
R.
Antwort der Redaktion
Lieber Genosse,
vielen Dank für Deinen Leserbrief. Bei dem von Dir kritisierten Artikel handelt es sich nicht um eine „Unterstützung von Syriza“, wie Du schreibst. Dieser Artikel zielt nicht auf diese oder jene griechische Regierung ab, sondern auf die deutsche Arbeiterklasse, der wir die Verbrechen des deutschen Imperialismus klar machen wollen, und die wir zur Solidarität aufrufen. Deshalb liegt der Schwerpunkt des Artikels auch darauf, aufzuzeigen welches Ergebnis die imperialistische „Hilfe“ hat und dass jeder Widerstand des griechischen Volkes gerechtfertigt ist. Vielleicht hätten wir diese Zielrichtung des Artikels noch klarer herausstellen müssen.
Zu den Wahlen selber sagen wir:
„Die Wahlen in Griechenland waren ein Aufschrei des gequälten und geschundenen Volkes, vor allem der Arbeiterklasse. Das Ergebnis ist ein starkes Signal: So kann es nicht weitergehen!“
Mehr sagen wir nicht! Wir denken nicht, dass derzeit die Aufgabe der deutschen Kommunisten darin besteht, Syriza zu kritisieren, sondern den deutschen Imperialismus anzugreifen, das griechische Volk zu unterstützen und den Geist des proletarischen Internationalismus zu beleben.
Es ist klar, dass eine linkssozialdemokratische Politik die Probleme nicht grundlegend lösen kann. Daher rufen wir auch nicht zur Solidarität mit Syriza auf. Wir unterstützen aber jede noch so kleine Forderung, die das Los der griechischen Arbeiterklasse erleichtern kann.
Wir denken, dass die griechische Arbeiterklasse auf ihrem Weg bereits viel gelernt hat und weiter lernen wird. Sie wird sich dadurch entwickeln und ihre revolutionäre Aufgabe erfüllen können. Und: Wir wären froh, wir wären in Deutschland so weit und hätten diese Probleme.
Zur KKE halten wir tatsächlich Distanz, beobachten ihre Entwicklung aber. Die KKE ist aus unserer Sicht immer noch eine, wenn auch nach links gerückte, revisionistische Partei. Sie bietet daher auch nicht die notwendige revolutionäre, marxistisch-leninistische Perspektive. Wir würden uns freuen, wenn sich das verändert, haben darauf aber keinen Einfluss. Denn unsere Hauptaufgabe liegt darin, in der deutschen Arbeiterklasse zu wirken und hier endlich eine starke marxistisch-leninistische Partei zu schaffen, die alle Revolutionäre umfasst und in der Arbeiterklasse verankert ist.
Zum Schluss ein Wort zu Deiner Kritik, die von Dir unterstellte Unterstützung von Syriza bedeute
„Unterstützung … von Illusionen über den Charakter der EU, über die Möglichkeit einer sozialen Umgestaltung der EU, über die Möglichkeit über … Wahlen …Verbesserungen für die Arbeiterklasse … erreichen zu können“.
Das erscheint uns konstruiert. Wenn Deine Diagnose stimmt, was ist dann allein mit dem Titel des Artikels?
„Das griechische Volk wehrt sich gegen die Schlachtbank von EU, EZB und IWF“
Ist das Verbreitung von Illusionen über den Charakter der EU?? Was ist mit
„…die EU, die nicht nur in Brüssel verantwortlichen Politiker, allen voran Merkel und Schäuble, sahen … Griechenland auf einem guten Weg! Über wie viele Leichen wollen sie denn noch gehen, auf dem `guten Weg´, den Euro bzw. die Banken zu retten“?
Sind das Illusionen? Für eine/n normale/n Arbeiter/innen heißen solche Formulierungen, egal ob sie sie teilen: Arbeit Zukunft betrachtet die EU als Todfeind der (griechischen) Arbeiter/innen!
Bitte Vorwürfe an Tatsachen belegen! Nimm den Artikel, der sich gleich anschließend um die Ukraine dreht. Alle Welt redet da vom US-Imperialismus, wir zeigen die brutale kriegstreiberische Rolle der imperialistischen EU, speziell aber die des in der EU führenden deutschen Imperialismus! Tatsachen sollten die Kritik untermauern.