Während etwa drei Jahrzehnten an der Spitze Burkina Fasos ist Blaise Compaoré vor keinem Verbrechen zurückgeschreckt, um sich an die Macht zu bringen und sich an ihr zu halten: Putsche, Morde, Raub der Reichtümer des Landes… Nach zwei siebenjährigen und zwei fünfjährigen Amtszeiten wollte er erneut die Verfassung ändern, um nach 2015 im Amt zu bleiben. Aber dieser letzte Versuch wurde sein Schicksal. Am 31 Oktober 2014 zwang ihn eine Volkserhebung zum Rücktritt.
Seit mehreren Monaten waren die Risse innerhalb des Regimes offenkundig. Die Partei an der Macht (CDP) war in sich zusammengefallen. Ein Teil der alten Führer hatten das Schiff verlassen, ehemalige Minister sind in die „Opposition“ gegangen und die Kandidaten der Wende zögerten nicht, die Straße zu Hilfe zu rufen. Noch vor einigen Tagen marschierten Zéphirin Diabré, dieser ehemalige Kader von Areva (1) und selbsternannte „Oppositionsführer“, und Roch Marc Christian Kaboré, ehemaliger Minister und Präsident der Nationalversammlung, an der Spitze von zehntausenden Menschen, welche gegen die Änderung des Artikels 37 der Verfassung demonstrierten. Ihren Aufrufen zur „Ruhe“ am Ende der großen Demonstration vom 28. Oktober sollte kein Gehör geschenkt werden.
In wenigen Tagen überschlugen sich die Ereignisse: 1 Million Menschen gehen am 28. Oktober in Ouagadugu auf die Straße. Am folgenden Tag folgen zehntausende Demonstranten dem Aufruf der CCVC (2): Chrysogne Zougmoré, Vorsitzender der MBDHP (3) verkündet: „Kämpft, denn dieses Regime ist gefährlich… Nachdem es Thomas Sankara, Dabo Boukari, Norbert Zongo usw… ermordet hat, will es die Zukunft unserer Kinder ruinieren… der verkündete Betrug ist zum Scheitern verurteilt.“ Die Presse Burkinas vermerkt die auffallende Präsenz der PCRV (Revolutionäre Kommunistische Partei Voltas) „mit gut sichtbaren Transparenten, auf denen man lesen konnte: „Vorwärts zu einem allgemeinen bewaffneten Aufstand und einer revolutionären, provisorischen Regierung“.“ An den folgenden Tagen erhält die Mobilisierung den Charakter einer Volkserhebung: die Symbole der Macht werden angegriffen, in vielen Städten werden die Lokale der CDP und die Villen der Würdenträger des Regimes gestürmt. Das Staatsfernsehen wird besetzt. Die Nationalversammlung brennt… Am 31. Oktober wird der „Platz der Nation“, der sich nicht mehr leert, zum Platz der Revolution. Blaise Compaoré ist „entlassen“!
Ein erster Sieg, der lange vorbereitet war
Das ist ein ausgezeichneter Sieg des Volkes von Burkina. In einem Land, in dem 60% der Bevölkerung unter 25 ist, stand die Jugend an vorderster Front. Sie kannten nie andere Staatsführer als die des Compaoré-Clans und waren am begierigsten, damit Schluss zu machen. 1998, als der Mord am fortschrittlichen Journalisten Norbert Zongo die erste große Mobilisation des Volks gegen das Regime auslöste und die erste große politische Krise der Ära Compaoré eröffnete, waren sie noch Kinder. Compaorés Sturz ist das Ergebnis einer langen Organisationsarbeit aller Schichten des Volkes, von staatlichen und privaten Beschäftigten, Arbeitern des informellen Sektors, Bauern, Studenten und Gymnasiasten. Es ist das Ergebnis dieser beharrlichen, ausdauernden Arbeit und der Einheit des Volkes, die von den Mitgliedern der PCRV, den Gewerkschaftern der CGT-B… den Frauen von Kebayna und den Aktivisten der Massenorganisationen, die an allen Fronten zugegen waren, durchgeführt wurde. Diese demokratischen und gewerkschaftlichen Organisationen und diese revolutionären Kräfte, nicht die Opponenten der letzten und vorletzten Stunde, sind die, die wirklich diesen ersten Sieg errungen haben.
Am 31. Oktober, als Blaise Compaoré abgedankt hatte, versuchten die Militärs, das Kommando zu übernehmen. Am Nachmittag, am Ende von Zusammenstößen, die das Leben von mehr als 30 Demonstranten gekostet haben, gab General Traoré, Chef des Generalstabs der Armee, bekannt, den Posten des Staatschefs zu übernehmen. Die Demonstranten lehnen ihn ab („Wir wollen keinen Mann von Blaise“). Später, in der Nacht vom 31. Okt. auf 1. Nov., setzt sich schließlich der Oberstleutnant Isaac Yacouba Zida durch. Er war bis jetzt Stellvertreter des Kommandanten der Präsidentengarde. Er steht dem General Diendéré nahe, dem Chef des Sondergeneralstabs des Präsidenten von Burkina Faso. Er rückversichert die bürgerliche Opposition, indem er versichert, „mit allen politischen Parteien und den Organisationen der Zivilgesellschaft den Inhalt und die Umrisse eines demokratischen, friedlichen Übergangs einvernehmlich bestimmen“ zu wollen. Er erklärt: „Der Volksaufstand… ist leider mit zahlreichen Menschenleben, zahlreichen Verwundeten, Plünderungen und persönlichen Abrechnungen bezahlt worden, die unsere Städte verschandelt, unser wirtschaftliches Gefüge und den Zusammenhalt unserer Nation beeinträchtigt haben“ und er verkündet, dass er alles tun wird „um zu verhindern, dass sich die Anarchie breit macht“.
Ein Schlag für das System „Francafrique“
Blaise Compaoré war einer der Stützpfeiler des „Francafrique“ genannten Systems. An der Elfenbeinküste, in Mali, in Zentralafrika, im Rahmen der Operation „Barkhane“(4) und in den internationalen Institutionen gehörte er immer zu den wichtigsten Verbündeten und Instrumenten der französischen Diplomatie und der französischen Armee. Als Frankreich endlich begriff, dass sein Pferd nicht mehr weit rennen würde, ist Hollande, der die Konfrontation mit dem Volk auf jeden Fall verhindern wollte, so weit gegangen, ihm einen Posten bei einer internationalen Behörde vorzuschlagen. Aber dieser „friedliche Übergang“, den die Kandidaten für die Nachfolge von Blaise und die „internationale Gemeinschaft“ herbeiwünschten, fand nicht statt. Der französische Imperialismus und Francois Hollande, deren Manöver nicht von Erfolg gekrönt waren, sind umso kribbeliger, dass die Welle der Volkserhebung sich auf andere Länder Westafrikas ausbreiten könnte. Die afrikanische Jugend folgt, das Ohr am Transistorradio, interessiert und hoffnungsvoll den heutigen Ereignissen in Burkina und das kann sie nur inspirieren! Deshalb machen sich die anderen „Freunde Frankreichs“ zu Recht Sorgen, und insbesondere Denis Sassou-Nguesso in Kongo Brazzaville, Boni Yayi in Benin und selbst Alassane Ouattara an der Elfenbeinküste…! Da in den nächsten 2 Jahren in mehr als 25 Ländern Präsidentschaftswahlen bevorstehen, sind alle imperialistischen Mächte beunruhigt. Alle, voran Obama, werden nicht müde, ihre Beruhigungsappelle zu wiederholen!
Unsere Verantwortung gegenüber dem Volk von Burkina Faso
Das Volk von Burkina muss nun alles tun, damit dieser erste Sieg ihm nicht gestohlen wird. Jetzt, wo es Blaise davongejagt hat, muss es mit dem Regime Schluss machen. Die Alternative liegt weder in den Händen der Militärs, noch in denen der früheren Komplizen Compaorés, die sich zu Opponenten gewandelt haben, sondern in denen der Volksbewegung.
Wir unterstützen unsere Genossen von der PCRV, die ein Programm des Bruchs mit den Institutionen, dem politischen System und der ökonomischen Basis der 4. Republik vorschlagen, aber auch mit der imperialistischen Herrschaft über ihr Land. Das ist die einzige Art und Weise, an die demokratischen und sozialen Fragen heran zu gehen, deren Lösung die Jugend und das ganze Volk Burkinas erstreben.
Wie es die Sprecher unserer Partei betonte, haben wir hier, in Frankreich, „eine Verantwortung gegenüber dem Volk von Burkina: jeden Versuch der französischen Regierung anzuprangern und für seine Verhinderung zu kämpfen, diese tiefgreifende Bewegung, welche das Regime in Frage stellt, auf Abwege zu bringen.“
Diese Solidarität muss sich in der Stärkung der gemeinsamen Initiativen und schon zahlreichen Verbindungen zwischen Gewerkschaften, demokratischen Organisationen, Jugend- und Frauenorganisationen zeigen.
Wir sind daran umso mehr interessiert, als der Sturz Compaorés und seiner Regierung auch ein Sieg für uns hier ist, weil er denen einen Schlag versetzt, die uns die Spar- und Kriegspolitik aufzwingen, die wir bekämpfen.
(1) Die AREVA-Gruppe ist ein französischer Industrie-Konzern, der auf dem Gebiet der Herstellung, des Verkaufs usw. von Energieerzeugungsanlagen (Atomkraftwerke) tätig ist.
(2) Coalition nationale de lutte contre la vie chère, la fraude, l’impunité et pour les libertés;
etwa: nationaler Kampfbund gegen die Teuerung, den Betrug, die Straflosigkeit und für die bürgerlichen Freiheiten.
(3) Mouvement Burkinabé des Droits de l’Homme et des Peuples; etwa: Bewegung für Menschenrechte und Rechte der Völker Burkina Fasos.
(4) Die Operation „Barkhane“ ist ein zeitlich unbegrenzter Militäreinsatz gegen den „Terrorismus“ in der Sahelzone. Insgesamt sind 3.000 französische Soldaten in 5 Staaten West- und Zentralafrikas im Einsatz.
Aus „La Forge“, Zeitung der Kommunistischen Arbeiterpartei Frankreichs (PCOF), Nov. 2014