Schon seit 2012 kriselte es bei den Stadtwerken Gera wie auch bei den Geraer Verkehrsbetrieben. Die Wurzeln liegen weit zurück. 2001 wurde ein Geheimvertrag mit Electrabel, später von GDF Suez übernommen, für die Energieversorgung abgeschlossen, wonach diesem Mitgesellschafter der Energieversorgung Gera auch bei Verlusten jährlich ein Gewinn von mindestens 300.639 Euro garantiert wurde. Damals machten die Stadtwerke Gera noch Gewinne. Durch die Gründung einer Aktiengesellschaft als Dach für Verkehrsbetriebe und Energieversorgung wollte man die Gewinne einstreichen können und zugleich noch Körperschaftssteuer sparen. Tatsächlich entzog man mit dieser windigen Konstruktion dem Staatssäckel rund 12 Millionen Euro Körperschaftssteuer. Doch dummerweise hatte man sich verrechnet. Durch die Veränderungen am Strommarkt machen die Stadtwerke Gera mittlerweile hohe Verluste. Den Mindestgewinn von 300.639 Euro müssen die Stadtwerke trotzdem Jahr für Jahr an den französischen Großkonzern GDF Suez abliefern. Die eifrigen Spekulanten aus dem Rathaus in Gera haben sich verspekuliert. Und da die defizitären Geraer Verkehrsbetriebe in der Aktiengesellschaft quer subventioniert wurden, sind sie mit in den Strudel geraten.
Seit rund zwei Monaten sind nun diese beiden, für die Bürger wichtigen Versorgungsbetriebe in Insolvenz, ohne dass die Stadtverwaltung ein sinnvolles Konzept für deren Rettung, für die Sicherung der Arbeitsplätze und die sichere Versorgung der Bürger mit Wasser und Energie und den Erhalt der städtischen Verkehrsbetriebe vorgelegt hat. Im Gegenteil scheint man die Entwicklung nur zu verschlimmern.
Obwohl alle Beteiligten wussten, das es keine Finanzierung dafür gab, machten Oberbürgermeisterin Viola Hahn, GVB-Geschäftsführer Ralf Thalmann, Thüringens Verkehrsminister Christian Carius und Dieter Glück, Referatsleiter im Bundesverkehrsministerium im April den symbolischen ersten Spatenstich für eine Trassensanierung bei den Verkehrsbetrieben, die insgesamt 56 Millionen Euro kosten soll. Ein tolles Foto und eine Meldung für die Medien kam dabei heraus. Die Öffentlichkeit wurde also wissentlich getäuscht, um Eigenwerbung machen zu können. Denn die klamme Stadt Gera kann die notwendigen Eigenmittel nicht aufbringen und die Nahverkehrsbetriebe haben ein saftiges Defizit.
Obwohl alle um die zunehmend prekäre Lage wussten, wurde keine Insolvenz beantragt, um wenigstens etwas zu retten. Erst vor ca. 2 Monaten ging man diesen unvermeidbaren Schritt. Mit Ernst & Young schloss man einen Beratervertrag – Stundensatz pro Mitarbeiter: 2000 Euro! Später wurde dies korrigiert – Tagessatz pro Mitarbeiter: 2000 Euro! Insgesamt wurden weit über eine Million Euro an Ernst & Young gezahlt. Fachleute aus den Unternehmen sagten, ohne namentlich genannt werden zu wollen, die Ergebnisse der vorgelegten Gutachten seien „nicht mal Kindergarten, sondern höchstens Krabbelgruppe“. Die meisten Vorschläge gehen zu Lasten der Beschäftigten wie z.B. Verzicht auf Lohnerhöhungen usw.
Nach einer anonymen Anzeige und einer Anzeige mehrerer Gewerkschafter ermittelte die Staatsanwaltschaft Gera wegen Untreue und Beihilfe zur Untreue. Inzwischen wurde das Ermittlungsverfahren an die Staatsanwaltschaft in Mühlhausen abgegeben, die für Wirtschaftsstraftaten zuständig ist, abgegeben.
Ein Ausschuss des Stadtrates konnte seine Ermittlungsergebnisse nicht veröffentlichen. Denn da die Dachgesellschaft Stadtwerke Gera eine Aktiengesellschaft ist, die sich zwar im Alleinbesitz der Stadt Gera befindet, besteht Verschwiegenheitspflicht. Das bedeutet, dass die Bürger nichts über die Machenschaften hinter den Kulissen erfahren! Die Aufsichtsratsvorsitzende und Oberbürgermeisterin von Gera, Viola Hahn betonte: „Demnach ist dem Stadtrat Verschwiegenheit für nicht offenkundige Angelegenheiten auferlegt… Obwohl die Stadt Alleinaktionär ist, sind wir an Paragraph 404 des Aktiengesetzes gebunden. Dort wird uns Verschwiegenheit zur Bewahrung von Betriebsgeheimnissen und Verschwiegenheit zu vertraulichen Angaben auferlegt… Wir müssen gucken, dass wir uns nicht strafbar machen…“
Im Hintergrund wird bereits spekuliert, die städtische Wohnungsbaugesellschaft mit ihren tausenden Wohnungen zu privatisieren und so Geld in die klammen Kassen zu bekommen. Damit würde man denselben Weg wie schon bei den Stadtwerken beschreiten: wichtiges öffentliches Eigentum dem offenen kapitalistischen Markt unterwerfen. Statt also aus der Katastrophe der Gründung einer Aktiengesellschaft mit Geheimverträgen und Verschwiegenheitspflicht zu lernen, würde man diesen ruinösen Weg weitergehen. Kurzfristig hätte man ein paar Euro in der Kasse. Langfristig müssten die Bürger Geras teuer dafür zahlen.
Mitte August veranstaltete Verdi eine Podiumsdiskussion, zu der über 150 Kolleg/innen kamen, darunter auch eine Genossin von „Arbeit Zukunft“. Vertreter der Stadt oder der Stadtwerke, die eingeladen waren, kamen nicht. Sie wollten sich nicht der Öffentlichkeit und den Kolleg/innen stellen. Die Diskussion war lebhaft. Viele der Kolleg/innen möchten nicht die Zeche zahlen, für die andere verantwortlich sind. Eine Genossin meinte, nur mit Bitten und Protesten könne man nichts erreichen. Man müsse kämpfen und, wenn es sein muss, auch streiken. Dafür erhielt sie Beifall.
Mittlerweile haben Gewerkschafter in kürzester Zeit eine Unterschriftensammlung für einen „Einwohnerantrag“ erfolgreich durchgeführt und der Oberbürgermeisterin Gera 1800 Unterschriften vorgelegt. 300 wären notwendig gewesen. Das zeigt, wie stark die Kolleg/innen und die Einwohner Geras mobilisiert sind.