Der Krieg zwischen den Führern in Kiew und den durch sie befehligten Armeen einerseits und den hauptsächlich im Dombass operierenden bewaffneten Gruppen, die deren Legitimität anzweifeln und von Russland unterstützt werden, wütet weiter. Die militärischen Schläge gegen die von Kiew entsandten Truppen sind die Antwort auf die Bombardierung der Stellungen der „Separatisten“. Der neu gewählte Präsident Poroschenko hat beschlossen, die Schein-Waffenruhe von einer Woche zu brechen und seinen Parteigängern versprochen, die Militäroperationen „gegen die Terroristen“ wieder aufzunehmen. Dazu schickt er gerade die Armee zur Eroberung der von den Aufständischen kontrollierten Zonen. Aber diese Zonen sind Stadtteile, städtische Zonen. Die Granaten fallen auf Häuser. Tausende Menschen fliehen aus den Kampfzonen, so wie auch in den kriegführenden Ländern in Afrika und anderswo. Nach Angaben der UNO gibt es schon 54.400 Inlandsflüchtlinge, Personen, die ihr Dorf oder ihre Stadt verlassen haben, um in andere Regionen der Ukraine zu fliehen. 110.000 andere sollen nach Russland geflohen sein. Alle diese Zahlen sind noch untertrieben und das Phänomen verbreitet sich.
Als Poroschenko die Beendigung der Waffenruhe zwei Tage vor deren vereinbartem Ende ankündigte, erinnerte er an die großen Linien seines „Friedensplans“, der von den Regierungschefs der EU und Obama unterstützt wird: vollständige Kapitulation der Aufständischen mit einem Amnestieversprechen, Freigabe aller öffentlichen Gebäude und Öffnung eines Sicherheitskorridors, um den Separatisten den Abzug zu gestatten… nach Russland. Er hat eine neue Provokation in Richtung Putin hinzugefügt: die Aufforderung, die Grenzen mit Russland neu zu bestimmen. Das ist eine Frage, die kein einziger Präsident, sei es Russe oder Ukrainer, gestellt hat, seit die Ukraine 1991 ihre Unabhängigkeit erklärt hat, welche von Jelzin akzeptiert wurde.
Augenscheinlich zwingen die gegenwärtigen Herren in Kiew diejenigen, die sich ihrer Politik widersetzen und mit Russland verbunden sind, das Land zu verlassen. Abgesehen davon ist in diesem Fall ihre Anzahl groß und die Mehrzahl will die Ukraine nicht verlassen, sondern dort in Frieden und ohne Diskriminierung leben. Eine Perspektive, die bei denen in Kiew nicht in Frage kommt, die das Land im Eilmarsch vor den Karren der EU und ihre neoliberale Politik spannen wollen.
Der ukrainische Präsident sieht sich in seiner Position gegenüber Russland bestärkt durch die Unterstützung, die er von Merkel, Hollande, Obama, und den Führern Polens und der baltischen Staaten erfährt, die über seinen „Friedensplan“ informiert sind. Diese Aussagen fielen zusammen mit der Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens mit der EU, und zwar des gleichen, den sein Vorgänger sich weigerte zu unterzeichnen, was das Startsignal für die Mobilisierung gewesen war, die mit dem Putsch endete, der zum Sturz Janukowitschs und der Einsetzung einer Regierung unter der Beteiligung von Faschisten geführt hat. Damit hatten weder die Regierenden der EU noch Obama Probleme.
Die Regierenden der EU schüren die Spannungen mit Russland
Erinnern wir uns an den Ausspruch Fabius‘ am Tag der Europawahlen, dass die gute Neuigkeit des Tages die Wahl von Poroschenko in der Ukraine sei, was für ihn gleichbedeutend sei für den Sieg der EU-Befürworter. Seither fanden ununterbrochen Verhandlungen zwischen der EU-Kommission und den neuen Herrschenden der Ukraine zur Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens mit der EU statt. Dies wurde am 26. Juni beim Gipfel der Staatschefs der EU, welche die „Feier“ gleich um die Chefs von Georgien und Moldawien erweitert haben, vollbracht. Sie haben auch den Weg für die Integration Albaniens geebnet, das den Status eines „Unions-Kandidaten“ bekam. Es gibt Stimmen für eine Beschleunigung des Integrationsprozesses Sloweniens und anderer Balkanländer ….
Die Botschaft ist bekannt: die EU soll sich bis an die Grenzen Russlands erstrecken, um diesen Ländern den Frieden zu garantieren und sie endgültig dem Einfluss dieses großen Nachbarn und Konkurrenten zu entziehen. Es handelt sich nicht um eine pazifistische Utopie, sondern um eine aggressive Politik der „zwei Lager“, deren unmittelbare Folge exakt darin besteht, besonders die Spannungen mit Russland zu verstärken; eine Politik, die von den Völkern die „Wahl“ zwischen der EU und Moskau verlangt, während diese Völker überhaupt kein Interesse daran haben, Gräben zwischen sich aufzureißen oder sich unter der Herrschaft einer Großmacht wiederzufinden. Glücklicherweise beginnt dieser „Run“ nach Westen in diesen Ländern einen Protest hervorzurufen, einen Protest, der Nahrung erhält aus dem, was die Völker jeden Tag feststellen können, nämlich dass das europäische Eldorado gleichbedeutend mit der Vertiefung der Ungleichheit, der Sparpolitik, die nur einen kleinen Minderheit nützt, und gefährlichen internationalen Spannungen ist.
Der Beitritt zur NATO in Ergänzung zum EU-Beitritt
Das ist umso beunruhigender, als die Politik der Integration in die EU immer eine Zwischenetappe durchläuft, und zwar der Integration der NATO-Staaten. Alle osteuropäischen Staaten sind der NATO beigetreten, die mehr denn je ein aggressives Militärbündnis unter der Führung des US-Imperialismus ist.
Anlässlich des NATO-Gipfels 2008 in Bukarest wurde klar und deutlich gesagt, dass Georgien und die Ukraine für einen NATO-Beitritt bereit sind. Die georgischen Führer kündigten eine Verstärkung der Zusammenarbeit mit der NATO, die Stärkung ihrer militärischen Kapazitäten und die Erweiterung ihrer gemeinsamen Manöver mit den USA an.
Merkel und Hollande betonen ständig, dass sie Putin nicht „provozieren“ wollen und dass sie die wirtschaftlichen Beziehungen mit Russland, insbesondere im Bereich der Erdgaslieferungen, nicht in Frage stellen. Sie benutzen die ukrainische Frage als Druckmittel und beteiligen sich so an der Verschärfung der Spannungen.
Diese Politik ist abenteuerlich und gefährlich. Das wurde in den Diskussionen anlässlich der jüngsten Wahlen zum europäischen Parlament nie klar angesprochen. Sie verstärkt faktisch die Beziehungen zwischen der EU und der NATO.
Wir wollen kein „Europa der Verteidigung“, das die Interessen der Oligarchie und der Monopole im Wirtschaftskrieg zwischen imperialistischen Wirtschaftsblöcken verteidigt.
Wir wollen keinen „europäischen Schutzschirm“ der NATO.
Wir kämpfen für des Austritt aus der NATO und für eine Politik der Solidarität und des Friedens zwischen den Völkern.
„La Forge“, Zentralorgan der Kommunistischen Arbeiterpartei Frankreichs, Juli/August 2014