Vor 50 Jahren sollte die geheime CIA-Truppe die Mitte Links-Regierung Aldo Moros liquidieren
von Gerhard Feldbauer
Wappen und Leitmotto der italienischen Einheit Gladio: „Durch Schweigen bewahre ich die Freiheit“
Angeblich war die geheime NATO-Armee Gladio aufgestellt worden, um im Falle einer sowjetischen Invasion dann im besetzten Gebiet stay behind, so die globale Bezeichnung, hinter den Linien Widerstand zu leisten. Als Gladio am 23. Oktober 1990 in Italien aufgedeckt wurde, kam ans Licht, wie die Geheimdienstexperten Giovanni Bellu und Giuseppe D‘ Avanzo in „I Giorni di Gladio“ (Die Tage von Gladio) schrieben, dass die Truppe bereits seit ihrer Gründung Anfang der 1960er Jahre „gegen potenzielle Komplizen“ eingesetzt wurde. Führende Militärs packten aus und wollten es wohl auch den Amerikanern heimzahlen, die in der Geheimarmee das Sagen hatten, dem sie sich unterordnen mussten. General Edgardo Sogno, langjähriges Mitglied des Gladio-Stabes, sagte in Rai due, wenn die kommunistische Partei mit legalen Mitteln an die Macht gekommen wäre, „hätten wir den Bürgerkrieg entfesselt“. Vor der Gladio-Kommission des Parlaments sagten Offiziere aus, dass die Truppe die Aufgabe hatte, die „italienischen Kommunisten um jeden Preis von der Regierung fernzuhalten.“ Als der Führer der Democrazia Cristiana (DC), Aldo Moro, dann ein Regierungsabkommen mit PCI-Generalsekretär Enrico Berlinguer schloss, wurde er am 9. Mai 1978 unter Leitung von Gladio-Offizieren in einem von der CIA inszenierten Mordkomplott, für das die von Geheimdienstagenten manipulierten „Roten Brigaden“ einbezogen wurden, liquidiert. Bei der Aufdeckung der Gladio-Verbrechen wurde auch enthüllt, dass der DC-Führer zumindest zeitweise in einem Gladio-Stützpunkt bei Rom gefangen gehalten wurde.
Moro war, seit er 1949 gegen den NATO-Beitritt auftrat, ein entschiedener Gegner der US-Einmischung und schon 1963 Zielperson der ersten großen Gladio-Operation. Als er im Dezember des Jahres die 1947 auf Geheiß der USA zusammen mit den Kommunisten aus dem Kabinett verjagten Sozialisten wieder in seine Regierung aufnahm, wollten Pentagon und CIA darauf mit einem faschistischen Staatsstreich antworten. Der USA-Botschafter in Rom, Frederick Reinhardt, bildete einen Krisenstab, der „die Linie des Eingreifens“ beriet. Die militärische Leitung vor Ort übernahm der Militärattaché, Oberst Vernon Walter, der den der Chef des militärischen Geheimdienstes SIFAR, General Giovanni De Lorenzo, einen Monarchisten und faschistisch orientierten Militär, mit der Leitung beauftragte.
De Lorenzos rechte Hand, Oberst Renzo Rocca, fabrizierte für führende Politiker, die einer „harten Unterdrückungspolitik“ gegenüber den Linken Vorbehalte hegten, Berichte über „gefährliche Aktivitäten“ der PCI, darunter über eine „Sitzung der kommunistischen Führer“, auf welcher die Vorbereitung der „Revolution und die Machtübernahme“ beraten worden sei. Details aus solchen „Berichten“ wurden an verschiedene Zeitungen lanciert, in denen von der CIA bezahlte Redakteure sie unterbrachten. Nach Weisungen der CIA ließ De Lorenzo “schwarze Listen” von „verdächtigen“ Funktionären der linken Parteien, Gewerkschaftsführern, Antifaschisten und Politikern bürgerlicher Parteien anlegen. Unter der unglaublichen Zahl von 157.000 Personen befanden sich der Vorsitzende der Sozialdemokraten, Giuseppe Saragat (im Dezember 1964 zum Staatspräsidenten gewählt), Minister und hohe Regierungsbeamte, als „unzuverlässig“ eingestufte Offiziere. Die Personen sollten bei Auslösung des Staatsstreiches verhaftet und auf zwei Sardinien vorgelagerten Inseln in Konzentrationslager gesperrt, manche, wie die Geheimdienst-Experten Antonio und Gianni Cipriano in „Sovranita limitata. Storia dell‘ Eversione atlantica in Italia“ (Rom 1991) darlegten, auch gleich umgebracht werden.Der rechte Christdemokrat, Staatspräsident Antonio Segni, stimmte zu, „eine Söldnertruppe für künftige Umsturzaktionen“ bereitzustellen, bei der es sich um die bereits im Aufbau befindlichen Gladio-Einheiten handelte, deren Existenz geheim gehalten und erst 1990 aufgedeckt wurde.Der Chef der CIA-Station in Rom, William Harvey, übergab aus seinem Archiv eine Liste von 2000 Mann aus faschistischen paramilitärischen Formationen als Grundstock für die Aufstellung einer Gladio-Division. Die gesamte Finanzierung übernahm die CIA.
Moro erhielt von loyalen Militärs Informationen über den geplanten Staatsstreich, über den daraufhin am 24. Juni 1964 erste Andeutungen in Zeitungen auftauchten, worauf die CIA die geplante Operation abblies. Wie Bellu/D‘ Avanzo berichteten, waren in die Vorbereitung des Gladio-Putsches zahlreiche hochrangige Militärs und Geheimdienstleute einbezogen. 1966 musste sich eine Parlamentskommission mit den Ereignissen befassen. Während der Untersuchung fanden mehrere Mitwisser, von denen man befürchtete, sie könnten aussagen, den Tod, darunter Oberst Rocca, die Carabinieri-Generäle Giorgio Manes und Carlo Ciglieri. Die Machenschaften von Gladio kamen so nicht ans Licht.