Korrespondenz: Büchse der Pandora geöffnet

»Jetzt neu: Linkspartei erstmals für Auslandseinsätze« – ursprünglich standen diese Worte auf einem Plakat, mit dem der Grünen-Europaabgeordnete Bütikofer im März die Partei Die Linke (PDL) wegen ihrer Haltung zum russischen Eingreifen in den Krim-Konflikt attackierte.

Es entbehrte nicht einer gewissen Ironie, dass ein Vertreter jener Grünen, die im Jahre 1999 dem ersten Kriegseinsatz Deutschlands seit 1945 grünes Licht erteilt hatten, nun der PDL, die sich der von Bundesregierung wie Grünen gleichermaßen betriebenen aggressiven Anti-Russland-Propaganda verweigert, »Verständnis für… Aggression« unterstellte.

Am 9. April hat die Bütikofersche Plakataufschrift jedoch traurige Aktualität gewonnen: Dietmar Bartsch, Roland Claus, Katrin Kunert, Michael Leutert und Stefan Liebich stimmten im Bundestag für den Antrag der Bundesregierung, den »Geleitschutz« des US-Spezialschiffs »Cape Ray«, das im Mittelmeer die Umwandlung syrischer chemischer Kampfstoffe in harmlosere Substanzen vornehmen soll, mittels Entsendung der Bundesmarinefregatte »Augsburg« zu unterstützen – erstmals befürworteten Abgeordnete der PDL einen Auslandseinsatz der Bundeswehr.

Mit Ungewissheit oder gar Naivität lässt sich das Abstimmungsverhalten der fünf »Linken« nicht erklären. Schon vor dem Votum hatten Vertreter der Friedensbewegung eine Stellungnahme an die Linksfraktion des Bundestages gesandt, in der sie betonten, der Bundesmarineeinsatz im Mittelmeer sei »militärisch überflüssig«.

»In dem Schreiben wird hierfür eine Reihe von Gründen benannt. So gäbe es keine Staaten, die ein Interesse an der Kaperung, Versenkung oder Bedrohung der ’Cape Ray‘ haben könnten… Genauso wenig kämen Terroristen dafür in Frage, die gar nicht in der Lage seien, ein solches Schiff zu kapern oder zu entführen oder einen Angriff aus der Luft oder von unter Wasser vorzubereiten. Dazu sei außerdem das Mittelmeer viel zu gut überwacht.

Nachdem auch alle anderen Eventualitäten einer äußeren Einwirkung auf die ’Cape Ray‘ ausgeschlossen werden, stelle sich die Frage, warum die Bundesregierung das Angebot eines militärischen Geleitschutzes überhaupt gemacht habe. Die NATO-Bündnistauglichkeit unter Beweis zu stellen und die angebliche ’Unentbehrlichkeit‘ der Streitkräfte zu demonstrieren, könnten Gründe sein« (»Unsere Zeit«, 11. April).

Dass sich Abgeordnete der Linksfraktion des Bundestages für einen Auslandseinsatz des Militärs aussprachen, stellt einen gefährlichen Präzedenzfall für künftige Auslandseinsätze dar und zeigt, dass in der PDL Kräfte aktiv sind, die den im Parteiprogramm verankerten streng antimilitaristischen Kurs immer stärker in Zweifel ziehen.

Es gibt keinerlei Garantie dafür, dass es denjenigen in der PDL-Führungsriege, die sich SPD und Grünen anbiedern und auf »Rot-Rot-Grün im Bund« orientieren wollen, nicht doch eines Tages gelingen könnte, den Antimilitarismus über Bord zu werfen, so wie es die Sozialdemokratie 1914 und die grüne Partei 1999 getan hat.

CR