Der Mensch – Schöpfung Gottes oder Ergebnis der Evolution?

Vorbemerkung: Die neueste „Jahrhundertflut“ bringt nicht nur für die Menschen in den von ihr betroffenen Gebieten große Verluste und Schäden, die noch gar nicht abzusehen sind und noch lange anhalten werden. Doch sie zeigt auch etwas Positives: die beispielhafte Solidarität unter Betroffenen und Nichtbetroffenen. Wir greifen ein Beispiel heraus, weil es von den Medien kaum erwähnt wurde: im überschwemmten Dresden fanden die Weltmeisterschaften im Inline Hockey statt, Teilnehmer waren Mannschaften aus 16 Ländern, angereist aus mehreren Kontinenten. Die Sportler nutzten die spielfreien Tage nicht etwa dazu, sich auf ein kommendes Spiel vorzubereiten, sondern fuhren an die gefährdeten Elbufer und halfen mit beim Säcke schleppen.

Warum diese Vorbemerkung? Mehrere Leser haben uns seit dem Artikel „Edel ist der Mensch…“ in AZ Nr.1/2013 berichtet von Diskussionen, die sie zu dem Thema hatten; sie zitierten unabhängig voneinander ihre hunderte Kilometer auseinander lebenden Gesprächspartner mit der Be­hauptung „Der Mensch ist böse!“

Das Verhalten der Mehrheit der Menschen nicht nur bei tatsächlichen oder angeblichen Naturkatastrophen beweist jedoch das Gegenteil – der Mensch ist nicht „Wolf unter Wölfen“. Der von der herrschenden Ideologie verherrlichte „Indivi­dua­lismus“ weicht dem bei ihr so verrufenen freiwilligen kollektiven Handeln – von der bürgerlichen Erziehung zur Kon­kur­renz ist nichts mehr übrig. Die Natur­wissenschaft widerlegt die oben zitierte (Schutz-)Behauptung mit einem Satz: In der Evolution (Stammesgeschichte) setzt sich etwas Negatives nicht durch.

 

Die Sonderstellung des Menschen

„Der Geist des Menschen ist durch die Natur allein nicht zu erklären“ – äußerte sich in einer Fernsehdiskussion zwischen Theologen und Biologen ein Gesprächs­teil­nehmer – wir brauchen wohl nicht zu sagen, aus welchem der beiden Lager er kommt. Doch wir widersprechen ihm: der „Geist“, also die Intelligenz des Menschen, lässt sich natürlich erklären, und wir meinen das wörtlich und werden das im folgenden belegen.

Der Mensch ist die einzige von mehreren Millionen verschiedenen Tierarten, die – wie es die Naturwissenschaftler nennen – evolutionsaktiv ist; alle anderen Tierarten sind evolutionspassiv, das heißt, sie greifen nicht gezielt und bewusst in die Weiterentwicklung der Natur ein. Der Mensch (Homo sapiens) jedoch tut das, seit er vom Jäger und Sammler zum Acker­bau­ern und Viehzüchter wurde; er greift seitdem bei einer ganzen Reihe von Pflanzen- und Tierarten in deren Weiterentwicklung ein: er versorgt sie mit Nahrung, schützt sie vor Konkurrenten, Raubtieren, Krank­hei­ten, sorgt für ihre Vermehrung, wählt dabei gewünschte Eigenschaften aus usw.

Was hat ihn dazu befähigt? Der sechste Tag der biblischen Schöpfungsgeschichte war es nicht, um hier nur die Vorstellungen des Christentums zu erwähnen. Die Bio­lo­gen unterscheiden drei Möglich­kei­ten, mit denen Tiere (einschließlich Mensch) auf ihre Umwelt reagieren. Das sind Reflex, Instinkt und Intelligenz. Über Reflexe und Instinkte verfügen zumindest alle „höheren“ Tierarten wie die Wirbel­tie­re; beide Ver­hal­tensweisen erfolgen im Unterbewusstsein; bei einer Reihe von Tier­arten – verschiedenen Vögeln und Säu­ge­tieren – ist aber auch intelligentes Ver­halten nachgewiesen, allerdings nicht so gut ausgebildet wie beim Menschen. Er ist die einzige Tierart, bei der die Intelligenz die beiden anderen Ver­hal­tens­weisen überwiegen kann. Wir werden nun stammesgeschichtliche Ursachen aufzeigen, die hierzu führten, wobei es durchaus sein kann, dass unsere Auflistung noch ergänzt werden kann. Wir werden eine Reihe wichtiger Merkmale und Ursachen anführen, von denen einzelne oder mehrere auch auf andere Tierarten zutreffen, aber nicht in dieser Menge und Kombination.

Grundvoraussetzung war bei den Vorfahren des Menschen der Wechsel vom Lebensraum Urwald zum Lebensraum Steppe. Ursache hierfür könnte ein Aus­wei­chen vor der Konkurrenz anderer Gruppen gewesen sein oder auch eine klimatische Änderung – so hat es in der erdgeschichtlichen Vergangenheit mehrfach den Wechsel zwischen (feuchtem) Tropenklima und Trockenheit gegeben; es könnte aber auch sein, dass unsere Vorfahren einfach ihren Beutetieren gefolgt sind.

Der erste für die Höherentwicklung des menschlichen Gehirns zu nennende Faktor ist hier die Bipedie, d.h. die Zwei­bei­nig­keit. Der nun auf nur zwei Beinen stehende Step­pen­bewohner hatte größere Gleichge­wichts­probleme als ein sich auf vier Beinen bewegendes Lebewesen – d.h. der Gleich­ge­wichtssinn im Gehirn wurde dadurch gefordert und gefördert. Übrigens stehen auch Vögel auf nur zwei Beinen und es wird jedem einleuchten, dass auch deren Gleich­gewichtssinn gut entwickelt ist, zumal der durch das Fliegen zusätzlich gefordert wird.

Mit der Bipedie untrennbar verbunden ist der aufrechte Gang. Fossile Funde belegen, dass die unmittelbaren Vorfahren des heutigen Menschen etwa 1,6 m groß wa­ren und damit größer als die Steppengräser. Da sie aufrecht gingen, erhielten ihre Au­gen viel mehr optische Informationen, die das Gehirn verarbeiten musste – wiederum eine Forderung und Förderung entsprechender Leistungen. Das trifft auch auf z. B. die Giraffe zu, die steht auf vier Beinen…

Die „Vorderbeine“ unserer Vorfahren waren für die Fortbewegung im Urwald durch die Opposition des Daumens gut geeignet, womit wir bei einem weiteren wichtigen Merkmal wären. Bei unseren Füßen zeigen alle 5 Zehen in dieselbe Richtung, nach vorn; bei unseren „Vor­derfüßen“ jedoch, den Händen, lässt sich der Daumen nach hinten bewegen, was das Ergreifen von Ästen im Urwald ermöglicht. In der Steppe war das nun nicht mehr nötig, aber die Opposition des Dau­mens ermöglichte es, dass „Vorderfüße“ zu Händen und damit zu Greif- und Tast­organen wurden. Auch sie übermittelten dem Gehirn zahlreiche zu verarbeitende Sinnesreize. Die Op­position einer Zehe gibt es auch bei den Vögeln, doch dient das hier nur dem sicheren Halt.

Auf drei unserer „fünf Sinne“ sind wir bisher eingegangen; Gleichgewichtssinn, optischer Sinn und Tastsinn. Die Heraus­bil­dung des Kehlkopfes, der Stimmbänder ermöglicht dem Menschen, eine sehr große Vielfalt von Lauten von sich zu geben – akustische Schlüsselreize, die das Gehirn verarbeiten muss. Zu solch einer Vielfalt von Lautäußerungen ist keine andere Säu­ge­tier­art in der Lage, allerdings gibt es einige Vogelarten, die dazu in gewissem Maß in der Lage sind. Ver­neh­men können Hunde und andere Arten unsere Laut­äußerungen schon und sie lernen auch im Laufe der Zeit, viele von ihnen zu verstehen, doch sie können sie nicht selbst erzeugen.

Der noch fehlende Sinn – der Geruchs- bzw. Geschmackssinn – spielt nach den bisherigen Erkenntnissen für die Heraus­bil­dung der Intelligenz keine besondere Rolle.

Schon die frühen Vorfahren des heutigen Menschen – Homo erectus und Homo habilis – lebten in Gruppen und unterstützten sich gegenseitig im Kampf ums Dasein. Dem Zusammenleben nutzt es natürlich, wenn sich die Mitglieder der Gruppe untereinander nicht nur durch eine Zeichen­sprache, sondern durch eine vielfältige akustische Sprache verständigen können.

Wir haben aufgezeigt, wie sich die Beanspruchung der erwähnten Sinne fordernd und fördernd auf das Gehirn des Menschen auswirkte. Individuen, deren Gehirn diesen Anforderungen entsprechen konnte, hatten bessere Überlebenschancen als die, deren Gehirn dazu nicht in der Lage war. Die von uns geschilderten Anfor­de­rungen betreffen alle den sogenannten „kognitiven Bereich“, und vergleichende Untersuchungen an Fossilfunden, an heute lebenden Affenarten und an uns belegen eindeutig, dass sich der Abschnitt des Gehirns, in dem sich der kognitive Bereich befindet (der „Hirnschädel“) zum Homo sapiens hin deutlich stärker entwickelt als der „Gesichtsschädel“.

Außer der Evolution des Gehirns haben aber noch andere Fakten zur Sonder­stel­lung des Menschen geführt. Der Mensch ist eine Tierart, der viele Fertigkeiten nicht angeboren sind – er muss sie erst erlernen. Es mag auf den ersten Blick positiv er­schei­nen, wenn ein Lebewesen von seiner Ge­burt an alles kann, was es im Leben braucht. Doch auf den zweiten Blick ist das gar nicht mehr so gut: denn ändern sich die Lebensbedingungen (was sie immer tun), kann das Lebewesen nur „angeboren“ reagieren, also falsch. Hier wird deutlich, wie wichtig es ist, sich durch Lernen auf neue Situationen einstellen zu können; und der Mensch verfügt über ein sehr großes Lern­vermögen; es hat seine Sonderstellung sehr begünstigt, dass ihm eine praktisch unbegrenzte Lernfähigkeit angeboren ist.

Die Augen eines Adlers sind besser als die eines Menschen – aber ein Mensch kann besser sehen als ein Adler; denn mit Hilfe seines Verstandes entwickelte er als Hilfe für seine Augen Brille, Mikroskop, Fernglas… Ähnliche Beispiele lassen sich auch für andere Leistungen erbringen.

Zur Erklärung der Sonderstellung des Menschen haben wir kein „höheres Wesen“ gebraucht. Der Mensch – die einzige evolutionsaktive Tierart – ist auch die einzige Tierart, die überall auf der Erde einen Lebensraum gefunden hat, von der Hitze der Tropen bis zur Kälte der Polargebiete, vom Regenwald bis zur Trockenwüste. Aller­dings ist der Mensch auch die einzige Tierart, durch die – trotz ihres Verstandes bzw. wegen des Missbrauchs des Verstandes – das gesamte Leben auf der Erde gefährdet wird. Es wird immer deutlicher:

Entweder die Menschen schaffen den Kapitalismus ab oder der Kapitalismus schafft nicht nur die Menschen ab.