Zwischenbericht vom Envio-Prozess in Dortmund
Seit mehr als einem Jahr läuft nun der Prozess gegen vier Angeklagte in – wie es auch in den bürgerlichen Medien heißt – einem der größten Umwelt-Skandale Deutschlands, dem PCB-Skandal. Die Entsorgungsfirma Envio machte in Dortmund – bis der Betrieb stillgelegt werden musste – Profite mit dem Recycling, der Wiederverwertung von z.B. in Transformatoren enthaltenen Rohstoffen, vor allem von Kupfer. Den Angeklagten werden zahlreiche Verstöße gegen z.B. von der Bezirksregierung Arnsberg erteilte Umwelt- und Gesundheitsauflagen und Körperverletzung in 51 Fällen vorgeworfen – so viele ehemalige Envio-Beschäftigte haben Klage eingereicht bzw. sich als Nebenkläger der Klageerhebung angeschlossen. Die tatsächliche Zahl der durch PCB geschädigten Opfer ist viel höher. Die Bezirksregierung Arnsberg hat es den Angeklagten allerdings – gelinde gesagt – leicht gemacht, denn eine Überprüfung, ob der Betrieb die Auflagen auch einhielt, fand selten statt und wurde immer rechtzeitig angekündigt, sodass nicht nur der Kaffee für die „Prüfer“ schon bereit stand, als diese eintrafen… Begünstigung im Amt? Ein gegen die Bezirksregierung eingeleitetes Verfahren wurde jedenfalls nie eröffnet…
Die vier Angeklagten spielen nicht im selben Golfclub, sie gehen auch nicht gemeinsam in einem Nobelrestaurant essen – sie gehören zwei verschiedenen Gesellschaftsschichten an. Es handelt sich um den früheren Geschäftsführer Dirk Neupert (der übrigens in Südkorea genau so weitermachen soll, wie es ihm in Dortmund endlich verboten wurde), um zwei ehemalige Mitarbeiter aus der „Führungsebene“ und um einen ehemaligen Betriebsleiter. Der saß bisher mit den anderen drei nur deshalb gemeinsam auf einer Bank, weil sie die Anklage vereinte, sonst nichts.
Unsere Vermutung ging daher von Anfang an davon aus, dass die Gemeinsamkeiten zwischen ihnen zeitlich begrenzt sind. Wenn es hart auf hart gehen würde und die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft durch die vernommenen Zeugen immer erdrückender bestätigt würden, dann würde es mit der Einheit der vier vorbei sein – die drei „aus dem Krawattenbunker“, wie es die Rheinhausener Stahlarbeiter früher ausdrückten, würden ihren nicht gesellschaftsfähigen Kumpan dann fallen lassen und ihn für alle möglichen nachgewiesenen Verstöße verantwortlich machen.
Das scheint sich nun zu bewahrheiten. In der Verhandlung am 18. Juni kam es zu einer Einstellung des Verfahrens gegen den ehemaligen Betriebsleiter nach Zahlung eines Bußgeldes von 3000 Euro. Der nunmehr ausgeschiedene ehemalige Angeklagte hatte zuvor zugegeben, einmal PCB-belastetes Blech ohne Genehmigung entsorgt zu haben. Mit der Einstellung des Verfahrens gegen ihn sind nach Zahlung des Bußgeldes „seine möglichen Verfehlungen im Zusammenhang mit dem PCB-Skandal vom Frühjahr 2010 ausreichend gesühnt“ – sagten den Ruhrnachrichten vom 19.6.13 zufolge „alle Beteiligten“, also auch Staatsanwaltschaft und Nebenkläger.
Die 3000 Euro lieferte der jetzt ehemalige Angeklagte noch am selben Tag vor 12 Uhr ab. Bösartige Menschen stellen jetzt vielleicht verschiedene Fragen: Hatte der ehemalige Betriebsleiter etwa „zufällig“ 3000 € in der Hosentasche? Wusste er etwa schon vorher, was an diesem Gerichtstermin über ihn beschlossen werden würde? Von welchem Konto stammen diese Euros? Aber wir sind ja keine bösartigen Menschen…
Dieser Verlauf des Prozesses scheint unsere oben geschilderten Erwartungen zu bestätigen. Den übrig gebliebenen drei Angeklagten „aus dem Krawattenbunker“ bietet sich nun noch deutlicher die Möglichkeit, alle unwiderlegbaren Verstöße ihrem ehemaligen Mitangeklagten in die Schuhe zu schieben. Der hat dann sicherlich ohne ihr Wissen gehandelt, hinter ihrem Rücken, ihr Vertrauen missbraucht usw.; passieren kann ihm ja nichts mehr, denn er ist raus, und Staatsanwaltschaft und Nebenklage haben dem zugestimmt.
Nun können wir nur hoffen, dass die übrig gebliebenen Angeklagten bzw. ihre Verteidigung nicht Leser von AZ sind. Sonst müssten wir uns den Vorwurf gefallen lassen, ihnen einen guten Tipp gegeben zu haben…
M.