Am 25.05.2013 verhindern mehr als 2 500 Gegendemonstranten in Karlsruhe am Hauptbahnhofvorplatz einen faschistischen Aufmarsch.
Auf der 1. Mai Kundgebung des Deutschen Gewerkschaftsbundes im Karlsruher Stadtgarten wird ein bürgerliches „Flugblatt“ verteilt. Der Anlass: Für den 25. Mai 2013 rufen die Neo-Nazis unter dem Motto „Freiheit für alle politischen Gefangenen! Last unsere Kameraden frei!“ in Karlsruhe zu einer bundesweiten Demonstration auf.
Die Herausgeber des Flugblattes des Antifaschistischen Aktionsbündnisses Karlsruhe rufen alle Menschen in der Stadt auf, gemeinsam den Naziaufmarsch am Samstag den 25.05.2013. zu verhindern: „Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen Helft mit, den Nazi-Aufmarsch am 25.Mai 2013 zu verhindern!“
Das Antifaschistische Aktionsbündnis Karlsruhe (AAKA) sowie zum späteren Zeitpunkt die Stadt Karlsruhe mit breiter Unterstützung aller relevanten bürgerlichen Bevölkerungsschichten traten als Veranstalter an die Öffentlichkeit.
Auf der 1. Mai-Kundgebung des DGB im Karlsruher Stadtgarten rief als Gastredner der Karlsruher OB zu einem breiten gesellschaftlichen Netz auf, um am 25. Mai 2013 ein deutliches Zeichen zu setzen.
„Wir werden deutlich machen, dass es hier keinen Platz für neonazistisches Denken gibt und diese Ideen keinen Nährboden finden.“
Der Karlsruher OB dazu in der konservativen Örtlichen Presse: Karlsruhe werde am Samstag den 25.05.13. „ein starkes und unmissverständliches Zeichen“ gegen extremistisches Gedankengut jedweder Art setzen. Die Stadt werde Flagge zeigen gegen die von Rechtsradikalen für den kommenden Samstag angekündigte nationale Großdemonstration.
An der Ebertstraße, am Albtalbahnhof hatte die Stadt Karlsruhe an diesem Tag ihre Kundgebung gegen die Neonazis angesetzt. Der Karlsruher OB wird die Eröffnungsrede halten. Als weitere Redner haben zugesagt: der Chef der Industrie- und Handelskammer Karlsruhe Grenke, der Generalkonsul des Türkischen Regimes in Karlsruhe Serhat Aksen, ein Vertreter des deutschsprachigen Muslimkreis, der Reformist und Vorsitzende des BR von Porsche, Uwe Hück, die Vertreterin des Glaubens Krumm, die für die evangelische Kirche sprechen wird.
Der Kundgebung unter der Regie der Stadt geht eine Demonstration voraus, die von dem Antifaschistischen Aktionsbündnis Karlsruhe AAKA organisiert wurde.
Die Demonstrationsroute war etwas unglücklich gewählt worden. Es wäre besser gewesen als Treffpunkt den Werderplatz auszuwählen statt das Tivoli. Was ist wichtiger – einen Wochenendmarkt zu veranstalten, wo man den schnöden Mammon verdient, oder zu versuchen, den rechtsextremen Aufmarsch zu verhindern?
Von den Rechtsextremen war nur bekannt, dass sie sich nahe dem Hauptbahnhof treffen und sich dann in Richtung des Bundesverfassungsgerichts in Bewegung setzen wollten.
Die bekannt geworden Anzahl von 300 Nazis sei beim vom Gesetzgeber vorgeschriebenen Kooperationsgespräch genannt worden.
Zum vollkommenen richtigen Verbot des geplanten Nazi-Aufmarsches der rechten Szene erklärte der verantwortliche Bürgermeister Jäger in der Presse, bezüglich eines Verbots des rechtsextremen Aufmarsches halte sich die Stadt alle Möglichkeiten offen. Sollten sich Anzeichen für eine Gefährdung der Bürger ergeben, werde man ein Verbot aussprechen.
„Die im Zusammenhang mit der angemeldeten Demonstration festgestellten Umstände lassen mit hoher Wahrscheinlichkeit den Schluss zu, dass es im Interesse der öffentlichen Sicherheit und Ordnung nicht vertretbar ist, die Versammlung durchführen zu lassen.“
Diese Strategie, mit der die Stadt den rechtsextremen Aufmarsch verhindern wollte, ist leider nicht aufgegangen. Das Karlsruher Verwaltungsgericht hat das von der Stadtverwaltung ausgesprochene Versammlungsverbot vom Tisch gewischt. Die Verwaltungsrichter haben erneut dem Versammlungsrecht als hehrem Rechtsgut den Vorrang gegeben. Die Verwaltungsrichter gehen davon aus, dass die Polizei in der Lage sein muss, die Sicherheit zu gewährleisten. Sollte dies so sein, wäre es nahezu unmöglich, eine Demonstration der Neo-Nazis zu verbieten.
Aber ein von der Stadt Karlsruhe verlorener Gerichtsentscheid bedeutete in diesem Fall tatsächlich nicht automatisch einen Sieg für die rechte Szene! Hauptsächlich galt es, den geplanten Neo-Nazi-Aufmarsch zwischen Hauptbahnhof und Verfassungsgericht zu verhindern.
Den 208 anwesenden Neofaschisten gewährte die Stadt an diesem Tag lediglich zwei Kundgebungen seitlich vor dem Haupteingang, denn weiter sind die Faschisten nicht gekommen. Diese zwei genehmigten Kundgebungen waren allerdings schon zwei zu viel! Denn bei der Neonazi-Kundgebung sollte ein verurteilter nationalsozialistischer Kriegsverbrecher mit Bild und über Wortbeiträgen auftreten, was strafrechtlich relevant ist.
Um diese braune Pest loszuwerden, hilft kein Versammlungsverbot, sondern ein grundlegendes Verbot. Eine Grundlage dafür gibt es längst: das „Potsdamer Drei-Mächte -Abkommen vom 02.08.1945“. Das Abkommen wörtlich: „Die nationalsozialistische Partei, ihre Zweigeinrichtungen und die von ihr kontrollierten Organisationen sind zu vernichten; alle nazistischen Einrichtungen sind aufzulösen, es sind Sicherheiten dafür zu schaffen, dass sie in keiner Form wiedererstehen können, und jede nazistische und militaristische Betätigung oder Propaganda ist zu verhindern.“
Entsprechend fordern wir Kommunisten heute in der aktuellen Debatte nicht nur das Verbot der NPD, sondern das Verbot aller faschistischen Organisationen!
Mit einem Verbot können die NPD oder jegliche andere rechte Organisation nicht mehr das Parteienprivileg nutzen, um öffentliche Großveranstaltungen abzuhalten und legal, unter dem Schutz des Staates ihr menschenfeindliches, rassistisches Programm unter die Leute bringen. Außerdem verlieren sie ihre legalen Möglichkeiten zur Finanzierung: Weniger Geld – weniger Möglichkeiten.
Wie gesagt: Wir Kommunisten fordern nicht nur, die NPD zu verbieten, sondern wir verlangen ein Verbot aller faschistischen Organisationen, egal ob sie regional oder bundesweit agieren, ob sie in „Kameradschaften“, Vereinen oder sonstigen Zusammenschlüssen organisiert sind.
Das wird ihren Wirkungskreis eingrenzen, ihre rassistischen Hetzkampagnen und ihre Organisierung erschweren.
Verbot aller faschistischen Organisationen! – diese Parole darf allerdings nicht alleine stehen bleiben. Wir müssen die Illusion entkräften, der deutsche Staat werde mit einem eventuellen Verbot faschistischer Organisationen, auch nur annähernd antifaschistisch oder gar antirassistisch. Alle wird er nie verbieten, allenfalls – wie bisher – die eine oder andere konkrete faschistische Organisation, die er aktuell nicht braucht! Also keine Illusionen in den bürgerlichen Staat! Allein schon die Tatsache, dass trotz des völkerrechtlich bindenden Verbots faschistischer Parteien durch das Potsdamer Abkommen, diese sofort nach der Gründung der BRD legal arbeiten konnten und heute noch können, zeigt die Verlogenheit der Bourgeoisie. Ein Verbot aller faschistischen Organisationen wird wohl unser bürgerliche Staat nie anstreben, denn es ist im Moment nicht in seinem Interesse.
Ein berühmt-berüchtigtes Beispiel für diese Haltung: 1970 sagte Franz Josef Strauß offen in seinem Bad Reichenhaller vertrauten Kreis: „Man muss sich der nationalen Kräfte bedienen, auch wenn sie noch so reaktionär sind. Hinterher ist es immer möglich, sie elegant abzuservieren. Denn mit Hilfstruppen darf man nicht zimperlich sein.“ (Quelle: Der Spiegel, 12/1970 )
Eine weitere Grundlage ist das „ Kontrollratsgesetz Nr. 2 vom 10.10.1945“, erlassen vom Alliierten Kontrollrat. Durch dieses Kontrollratsgesetz wurde die NSDAP einschließlich ihrer angeschlossenen Organisationen verboten und deren Neubildung für ungesetzlich erklärt. Gleichzeitig wurde das gesamte Eigentum der betreffenden Einrichtungen beschlagnahmt.
Auf die beiden angeführten Alliierten Gesetze bezieht sich schließlich der Artikel 139 Grundgesetz: „Die zur Befreiung des deutschen Volkes vom Nationalsozialismus und Militarismus erlassenen Rechtsvorschriften werden von den Bestimmungen dieses Grundgesetz nicht berührt.“ Das heißt: Sie bleiben gültig!
Zum Verlauf der Demonstrationen an diesem Tag:
Ein Teil des Demonstrationszuges ging zur Kundgebung des Karlsruher OB durch die hintere, offene Unterführung des Hauptbahnhofes, dann über die Schwarzwaldstraße zur Ebertstraße. Der andere, überwiegende größere Teil des Demonstrationszuges ging gleich zu den Absperrgittern. und blieb auch den ganzen Tag vor Ort. Die Absperrgitter waren schon am Morgen aufgestellt worden. Die Polizeifahrzeuge wurden zudem dicht an dicht abgestellt, um eine freie Sicht auf den Bahnhofsvorplatz zu verhindern.
Nun zu der Kundgebung der Stadt Karlsruhe an der Ebertstraße:
Vor mehr als 1000 Menschen wurden folgende Redebeiträge an der Ebertstraße gehalten:
Als erster sprach der Karlsruher OB: „Wir sind hier, um zu zeigen, auf welchen Werten unsere Stadtgesellschaft basiert. Wir überlassen Karlsruhe nicht den Rechten mit ihren menschenverachtenden Parolen.“ Die Bürger hätten einen „Schutzschild“ für die Stadt gebildet und mit ihrem Auftreten ein „Debakel für die Nazis in Karlsruhe“ erreicht. Wir wollen ein Zeichen setzen, dass wir das Verfassungsgericht nicht zu einer billigen Kulisse für Volksverhetzung verkommen lassen.
Uwe Hück, Betriebsratsvorsitzender von Porsche, dieser „Arbeiterfürst“ appellierte lautstark und emotional an die Solidaritätinnerhalb der Gesellschaft: „Ich will das Gute vermehren, das Böse verdrängen können“, – Jugendliche dürften mit ihren Problemen auf dem Arbeitsmarkt keinen Halt bei den Nazis finden….Junge Menschen brauchten Zukunft, deshalb dürften wir sie nicht diesen „ Rattenfängern“ ausliefern. (Welch ein frommer Wunsch des Arbeiterfürsten aus Stuttgart!)
IHK Chef Grenke: Die Wirtschaft in der Technologie-Region sei auf ausländische Fachkräfte angewiesen. „ Ausländerfeindlichkeit schadet dem Ansehen Deutschlands und der Wirtschaft in der Welt. Für Gewalt, Intoleranz und Extremismus ist kein Platz in der Technologieregion Karlsruhe“.
Die Vertreterin des Glaubens in Karlsruhe: Christen setzten sich ein für Toleranz und Vielfalt. Christentum und Hakenkreuz vertragen sich nicht. (NB: Das haben wir Kommunisten allerdings anders in Erinnerung!)
Der Türkische Generalkonsul in Karlsruhe: Dieser Herr schilderte, wie Fremdenfeindlichkeit aussieht: Drohungen seien die niedrigste Stufe. Die einstimmige Entscheidung des Gemeinderats für die Kundgebung gegen die Nazis nennt dieser Mensch „ historisch“
Rüstü Aslandur vom deutschsprachigen Muslimkreis rief den Rechtsradikalen zu: „Ihr handelt nicht im Namen der Mehrheit!“
Norbert Vöhringer vom Antifaschistischen Aktionsbündnis Karlsruhe und früherer Sozialbürgermeister der Stadt Karlsruhe zeigt sich überzeugt, dass sich die in dieser Stadt lebenden Menschen türkischer und anderer Herkunft als wahre Karlsruher fühlen.
Soweit die Redebeiträge von der Ebertstraße.(Zitiert nach Badische Neueste Nachrichten)
Nachdem die Kundgebung an der Ebertstraße zu Ende war, wurde es um die Absperrgitter am Hauptbahnhof schnell ziemlich lebhaft und voll. Rund 2 500 Menschen verteilten sich bis zum Mittag um den vollständig abgesperrten Bahnhofsvorplatz.
Auf der anderen Seite der Gitter streiften Greiftrupps der Polizei durch die Blockadepunkte, konnten jedoch mehrfach daran gehindert werden, einzelne Antifaschist/Innen heraus zu greifen. Der Schlagstock sitzt jetzt jedoch um einiges lockerer, und auch die Luft wird häufiger mit Pfefferspray angereichert.
Zum Verlauf des Tages an den Absperrgittern am Bahnhofsvorplatz kann man unterschiedlicher Meinung sein. Den einen oder anderen Teilnehmer mag es gefallen haben, aber andere Teilnehmer bemängeln dass kein Redebeitrag an diesem Tag gehalten wurde, in dem man ein Verbot aller faschistischen Kameradschaften, Vereine und Organisationen gefordert hat.
Den anwesenden 2 500 Gegendemonstranten standen 1 000 Beamte der Schutzpolizei gegenüber, weitere 350 Beamte der Bundespolizei, die unterstützt wurden von einer berittenen Reiterstaffel der Polizei.
Gegen 14 Uhr kippt die ach so friedliche Stimmung, denn es kam zu einer kurzen, heftigen Auseinandersetzung, und es gelang der Polizei, einige Antifaschisten fest zu nehmen.
Die anschließende Kundgebung der Neo-Nazis vor dem Bahnhof ist für die schrill pfeifenden Gegendemonstranten fast nicht zu sehen, denn ein dichter Polizeikordon um die Rechtsextremen lässt kaum einen Blick zu.
Der zahlenmäßigen Übermacht der Demonstranten und ihrem stundenlangen Ausharren am Hauptbahnhof aber ist es zu verdanken, dass die menschenverachtenden Parolen der unwillkommenen angereisten Rechtsextremisten an Ort und Stelle weitgehend in gellenden Pfiffen und lautem Protest der Menge untergingen. Dieser Auftritt der Rechtsextremen vor dem Hauptbahnhof liefert der Stadt Karlsruhe klare Argumente für künftige Verbote solcher Veranstaltungen.
Als der Versammlungsleiter der Neo-Nazis seinen Anhängern verkünden muss, dass die Polizei und die Stadt-Verwaltung die Demonstration nicht erlauben wird, scheren drei, vier Dutzend Rechtsradikale aus dem Zug aus, werden aber sofort von den Polizeikräften vor Ort gestoppt. Nach dieser kurzen, heftigen Auseinandersetzung mit den Polizeikräften traten die Neonazis ca. gegen 15.45 Uhr den Rückzug an, die schwarzen Kapuzen tief ins Gesicht gezogen, die Augen hinter dunklen Sonnenbrillen versteckt, skandieren sie ein letztes Mal ihre Hetzparolen. Am Bahnsteig auf Gleis 9 wurde sie von der Ordnungsmacht aufgefordert, in die separat abgestellten Waggons einzusteigen, auch da kommt es wieder zu Rangeleien mit den Ordnungskräften.
Nach der Auflösung der Neonazi-Demo in Karlsruhe hat die „Gruppe Autonomer Nationalisten“ mit weiteren Gleichgesinnten in Bruchsal einen weiteren Aufruhr verursacht! Denn sie waren auf dem Weg zum dortigen Gefängnis! Dabei gab es wieder Tumulte, wobei Polizeibeamte verletzt wurden.
Der Spontanaufzug in Bruchsal sollte als Ersatz für den in Karlsruhe gescheiterten Aufmarsch herhalten. Nazis aus Bayern und NRW scheiterten hier allerdings an den eingesetzten Polizeikräften. Gleichzeitig gelang den schwäbischen Faschisten rund um die Göppinger ANS mit einem Kleinstaufmarsch ein eher zweifelhafter Erfolg.
Am Abend nach der erzwungenen Abreise der Neo-Nazis hat in der Karlsruher Südstadt eine so genannte Sieges-Demonstration stattgefunden, die friedlich verlaufen ist. Nun man kann dies kaum als Siegesfeier bezeichnen, denn dieser Tag in Karlsruhe war lediglich ein kleiner Erfolg.
Einen Sieg kann man erst feiern wenn der bürgerliche Staat nicht nur zu einem „Verbot der NPD“, sondern auch zu einem „Verbot aller faschistischen Organisationen, aller „ Kameradschaften, Vereine und Zusammenschlüsse“ gezwungen wurde.
Zu kritisieren war das teilweise überharte Eingreifen einzelner Polizeieinheiten.
„Vermummte BFE-Einheiten griffen mehrfach mit Schlagstöcken Gegendemonstrant/ Innen an. Auch Pfefferspray wurde großflächig versprüht und traf neben den eigenen Kollegen auch protestierende Menschen“.
Der Sanitätsdienst der Demonstration behandelte eine schwer und mehrere leicht verletzte Personen.
Eine Person erlitt einen offenen Bruch (!!) und musste operiert werden. 10 Personen wurden durch Pfefferspray verletzt, vier weitere Personen erlitten Hand und Kopfverletzungen.
Der Karlsruher OB äußerte sich am 28.05.2013. erneut folgendermaßen in der örtlichen Presse:
„Die Verlagerung solcher Gewaltausbrüche durch Rechtsextreme ins Umland, vor allem in Orte an den Stadtbahnlinien, werden womöglich ein wachsendes Problem für die Region sein.
Dann ist es dringend naheliegend, dass sich diese Kommunen gegenseitig frühzeitig informieren und dementsprechend handeln…“
(Quellen: Indymedia und die Badische Neueste Nachrichten)
MRG