Altmark: Eine neue Stadt für 100 Millionen Euro – Bundeswehr plant neues Gefechtsübungszentrum für Auslandseinsätze

Gewohnt sind die Bewohner in Ostdeutschland seit dem Bei-Tritt 1990 ja einiges. Fabriken, Schulen, Kindergärten, Polikliniken und Wohnungen wurden platt gemacht. Natürlich wurde das ganze beschönigt. So heißt es z.B.: Hunderttausende Wohnungen werden „vom Markt genommen“. Der Anschluss der DDR bedeutete einen solchen Rückgang in der deutschen Wirtschaftsgeschichte, den es nicht einmal in Kriegszeiten, ganz zu schweigen in Friedensperioden gab. Die Treuhandgesellschaft – gegründet mit dem Ziel der Privatisierung der DDR-Wirtschaft – wurde von Rolf Hochhut angeklagt an „einem Raubzug, wie er in keinem von Hitler überfallenem Land angezettelt wurde“, beteiligt zu sein (ND,23/24.1.93)

Aufbau Ost: Eine neue Stadt entsteht in Ostdeutschland

Die Bundeswehr stellte am 20. Juni 2012 ihr neuestes Projekt im Zuge der Bundeswehr-Reform vor. Sie plant, in der Colbitz-Letzlinger Heide nördlich von Magdeburg in Sachsen-Anhalt auf dem Gelände des Truppenübungsplatzes Altmark ein neues Gefechtsübungszentrum für Auslandseinsätze zu bauen. Ab 2015 ist vorgesehen, dass Gefechtsverbände mit bis zu 1.500 Soldaten dort üben können.

Der angekündigte Bau des neuen Gefechtsübungszentrums wird die bislang sich in Betrieb befindliche Einrichtung in Größe und Trainingsmöglichkeiten noch in den Schatten stellen. Die künstlich zu errichtende Stadt werde „Schnöggersburg“ heißen und aus insgesamt 520 Gebäuden bestehen. Die Errichtung von „Schnöggersburg“ soll rund 100 Millionen Euro kosten.

Um eine möglichst realitätsnahe Simulierung der Einsatzszenarien bieten zu können, sollen zum Übungsgelände neben ausgedehnten Waldgebieten auch Straßen, eine Kanalisation, ein 22 Meter breiter Fluss, eine Altstadt, eine Hochbausiedlung, ein Industriegebiet, ein U-Bahn-Tunnel und ein Elendsviertel gehören.

Damit offenbart die Gestaltung des Trainingsgeländes auch, auf welche Arten von Einsätzen die Bundeswehr sich vorzubereiten scheint: Es dürfte sich zukünftig primär um Kampfszenarien in urbanen Gebieten handeln, wobei sowohl Stadtgebiete mit armer Bevölkerung als auch ökonomisch entwickelte Regionen im Fokus der Militärplaner eine Rolle spielen.

Nichts mit „Schwerter zu Pflugscharen“

Der Ausbau des Gefechtsübungszentrums ist hierfür eine zentrale Voraussetzung. Die ortsansässige Bürgerinitiative OFFENe HEIDe, die seit Jahren gegen die militärische Nutzung der Colbitz-Letzlinger Heide kämpft, bringt in ihrer Selbstvorstellung die Funktion des Gefechtsübungszentrums und seine Bedeutung für die Interventionsfähigkeit der Bundeswehr zum Ausdruck: „Seit 2001 funktioniert das so genannte Gefechtsübungszentrum Heer (GÜZ), ein Pilotprojekt im Herzen der Colbitz-Letzlinger Heide. Jährlich werden bis zu 15.000 Soldatinnen und Soldaten auf dem Gelände für Krieg und Kampfeinsätze geschult. Mit Laserstrahlen, Satellitennavigation und Computertechnik erfolgt die Gefechtssimulation. Europaweit ist dieses Gefechtsübungszentrum die modernste Anlage für Bodentruppen. Deshalb spielt sie eine entscheidende Rolle bei der Umstrukturierung der Bundeswehr zu einer weltweit einsetzbaren Angriffsarmee.“ (Vgl. www.offeneheide.de/ )

Die folgende Forderung der Bürgerinitiative ist deshalb absolut unterstützenswert: „Wir wollen: Nach mehr als sieben Jahrzehnten militärischen Missbrauchs, dass die Colbitz-Letzlinger Heide ein Lernort für die Versöhnung mit der Natur und Frieden zwischen den Völkern wird.“ Es kann nur gehofft werden, dass dieser Wunsch alsbald in Erfüllung geht!

Gegen das Gefechtsübungszentrum ist auch ein internationales Diskussions- und Aktions-Camp vom 12. bis 17. September 2012 in der Altmark bei Hillersleben/Magdeburg geplant.

http://warstartsherecamp.org/de/aktionstag

Die Bundeswehr-Reform beinhaltet eine Erhöhung der Interventionsfähigkeit

Seit Mitte der 90er Jahre führt die Bundeswehr Kriege (gegen Ex-Jugoslawien, Afghanistan). Dabei geht es um imperiale deutsche Interessen, Rohstoffe, Absatzmärkte, Handelswege… Weit über 300.000 Bundeswehr-Angehörige wurden seit Beginn der 1990er Jahre ins Ausland entsandt. Gegenwärtig befindet sich die Bundeswehr auf drei Kontinenten in zwölf Kriegseinsatzen mit über 7.000 Soldaten im Einsatz. In Afghanistan und in Kosova ist die Bundeswehr seit Jahren Besatzungsarmee. In Kundus hat die Bundeswehr am 4. September 2009 ein Massaker mit über 100 Ermordeten veranlasst.

Der Bundeswehr-Einsatz nach innen ist fest verankert und wird ebenfalls forciert: Die Bundeswehr soll eingesetzt werden, wenn es zum „Notstand” für die Herrschenden kommt. Ganz offiziell wird die Niederschlagung von Streiks der Arbeiterinnen und anderer Proteste trainiert. Beim G-8-Gipfel 2007 in Heiligendamm oder beim NATO-Gipfel in Baden-Baden 2009 kam bereits die Bundeswehr nach innen zum Einsatz.

Bundeswehreinsatz in Innern möglich

Auszug: Nach einer Generalklausel der Europäischen Union könnte der Amtshilfe-Einsatz auch beim politischen Generalstreik gegen Versorgungseinrichtungen, gewaltsamen Massenprotesten, sozialen Unruhen sowie Aktionen des zivilen Ungehorsam durch Streiks und/oder Straßenblockaden im Transport- und Energie- oder Gesundheitswesen möglich sein. Mit dieser Ausrichtung böten die neu aufgestellten RSUKr „allen interessierten und geeigneten Reservisten Chancen des Engagements“, wirbt die Bundeswehr.

2011 haben die deutschen Rüstungsexporte gegenüber dem Vorjahr um 50% zugenommen (auf über 2 Mrd. Euro), davon allein 400 Mio. nach Griechenland. Deutschland ist weltweit auf Platz 3 der Rüstungsexporteure.

Damit einher geht die umfassende Militarisierung nach innen. Unter den Schlagworten der „vernetzten Sicherheit”, der „Zivil-Militärischen-Zusammenarbeit”, des „Heimatschutzes”, von „Partnerschaften” mit Betrieben, Kommunen und Bildungseinrichtungen drängt die Bundeswehr in alle gesellschaftlichen Bereiche. Zugleich betreibt die Bundeswehr eine enorme Propaganda-Offensive in den Arbeitsämtern, den Schulen und Hochschulen, um Soldaten zu rekrutieren. Öffentlichkeitswirksame Auftritte werden veranstaltet, bei denen auch Kinder schon mal mit Kriegsgerät „spielen” dürfen.

Es gibt Proteste und Aktionen gegen die Bundeswehr, an denen sich auch Gewerkschafterinnen und Antifas beteiligen; Gegen den Nato-Gipfel 2009 in Baden-Baden, gegen die „Sicherheitskonferenz” in München, gegen Gelöbnisse und Bundeswehr-Werbung in Arbeitsämtern, Schulen und Hochschulen {„Bundeswehr wegtreten”), gegen Rüstungsexporte, gegen das Bundeswehr-,Sommer-Biwak” in Hannover usw.

Tatsache ist jedoch auch: Die berechtigten Proteste sind schwach. Vor allem gibt es auch kaum Widerstand aus den Betrieben und in den Betrieben.

OFFENe HEIDe

HISTORIE

o IM MITTELALTER dient die Colbitz-Letzlinger Heide als Jagdrevier für die Markgrafen.

o 1935 beginnt die militärische Nutzung der Heide mit der Errichtung eines Versuchsschießplatzes der Wehrmacht. Für ballistische Versuche wird eine 30 Kilometer lange Schneise in den Wald geschlagen.

o BIS 1945 übt die Wehrmacht auf dem Gelände für den Blitzkrieg.

o 1945 übernimmt die Rote Armee einen Teil des Areals für Schieß- und Panzerübungen und erklärt es zum Sperrgebiet. Ganze Ortschaften müssen umgesiedelt werden.

o 1990 Die umliegenden Gemeinden und das Land Sachsen-Anhalt erarbeiten ein Nutzungskonzept, das 15 Naturschutzgebiete und sanften Tourismus mit Reiten, Wandern und Radfahren vorsieht.

o AUGUST 1994 übernimmt die Bundeswehr den Truppenübungsplatz.