6,5 % mehr Lohn, unbefristete Übernahme der Ausgebildeten und mehr Mitbestimmungsrechte für Betriebsräte bei der Einstellung von Leih-Arbeiter/innen! Mit diesen Forderungen war bekanntlich die IG Metall in ihre Tarifauseinandersetzung 2012 gezogen, begleitet von erstaunlich lautem Getöse der zuständigen Gewerkschaftsführungen („Wenn die Gegenseite sich uneinsichtig zeigt, wird es eben scheppern!“)!
An der dann folgenden Warnstreikbewegung nahmen hunderttausende Kolleginnen und Kollegen teil. Die IG Metall spricht von 800.000 in der Metall- und Elektroindustrie. Darunter waren auch zahlreiche Nichtmitglieder!
Herausgekommen sind dann tatsächlich:
* 4,3 % mehr Lohn für die Zeit vom 1.April 2012 bis 30. April 2013. Aber: Da der April 2012 ohne Lohnerhöhung bleibt, gelten die 4,3 % nur für 12 der 13 Monate. Umgerechnet auf die 13 Monate Laufzeit ergeben sich tatsächlich nur 3,97 %.
* Eine Garantie auf unbefristete Übernahme aller Ausgebildeten wurde nicht erreicht, statt dessen einige problematische Zusagen: ein Teil der Ausgebildeten müsse zwar unbefristet übernommen werden, ein anderer Teil, so genannte „über Bedarf“ Ausgebildete, hat aber nur einen auf ein Jahr befristeten oder überhaupt keinen Anspruch auf Übernahme, wenn zuvor dieser „Bedarf“ in einer Betriebsvereinbarung festgeschrieben wurde. Wie immer, wenn es unangenehm wird, hängt die reale Umsetzung dieser Klauseln von einer Betriebsvereinbarung ab, und das heißt konkret: von den Kräfte- und Machtverhältnissen im einzelnen Betrieb.
* Für die Leiharbeiter wurde fast gar nichts erreicht: nach 18 Monaten in einem Entleiher-Betrieb wird lediglich eine unbefristetes Übernahme „geprüft“. Sollte es zu 2 Jahren Entleihung in einem Betrieb kommen – ein eher seltener Fall! – muss ein Übernahmeangebot gemacht werden. Auch hier kann der Arbeitgeber bei für ihn günstigen Kräfteverhältnissen im Betrieb in einer Betriebsvereinbarung ein gutes Geschäft verlangen: für Verbesserungen zu Gunsten der Leiharbeiter eine stärkere innerbetriebliche Flexibilität, z. B. eine Ausweitung der Beschäftigtenquote auf 30 % (bisher 18%), die länger als 35, nämlich bis zu 40 Stunden die Woche arbeiten müssen.
Ein Abschluss wie eine saure Zitrone, der keine Begeisterung bei den Mitgliedern auslöste! Immerhin: Die 4 vor dem Komma auf nur 13 Monate Laufzeit wird von vielen durchaus anerkannt. Wenigstens bestimmen die 4,3% das Niveau, auf dem dann die nächste Erhöhung aufsetzt. Die Inflationsrate von 2,1 – 2,3% wird leicht überschritten Und eine Laufzeit von 13 Monaten ist besser als eine Laufzeit von zwei Jahren (wie parallel bei ver.di).
Es ist natürlich sonnenklar, dass dieses Geldergebnis der massiven Bewegung geschuldet ist und dass diese keineswegs unnütz war. Aber alle kämpferisch eingestellten Kolleg/innen wollten Urabstimmung und Streik. Sie waren bereit, deutlich mehr herausholen. Das haben ihnen die Vorstände mit ihrem Vorgehen verwehrt! Auch dass so wenig für die Jugend und die Leih-Kolleg/innen herauskommt, wird kritisiert. Es ist falsch zu glauben, die Kollegen schauten nur aufs Geld! Sie wollen Solidarität mit der Jugend, mit den eigenen Kindern(!), und erst recht mit den Leihkolleg/innen üben. Der Grundsatz gilt für viele: „Wir hassen die Leiharbeit, aber nicht die Leiharbeiter/innen!“. Hier mag die Gewerkschaftsführung laute Fanfaren ausstoßen: Die Mitglieder an der Basis wissen, was bei den erreichten „Unbestimmtheiten“ im Betrieb real herauskommen wird: Nicht viel!
Auch die ver.di-Führung lässt es nicht zum Streik kommen
In den letzten Monaten erlebte das Land bekanntlich zwei kämpferische Tarifrunden: Auch im Öffentlichen Dienst (ver. di) wurde gekämpft. Beide Tarifrunden waren verbunden mit außergewöhnlich starken und großen Warnstreikbewegungen, an denen hunderttausende Kolleginnen und Kollegen teilnahmen. Bei ver.di waren es laut Vorstand rund 300 000!
Der dann vor einer Urabstimmung getätigte Abschluss war für viele kämpfende ver.di- Kolleg/innen eine bittere Enttäuschung: Zwar standen mit 6,3 % die geforderten 6,5 % fast auf dem Papier, aber sie werden auf drei Schritte in zwei Jahren verteilt.
In Wirklichkeit sind das für 2012 nominelle 3,15 % ab 1.März. Hiervon ist noch mindestens die Inflation abzuziehen (2,1 % offizielle Inflationsrate!): Das wären gerade noch 1,05 %. Aber- wie wir bereits im unserem Flyer (Vgl. letzte Nummer unserer Zeitung)zeigten, setzt auch die Steuerprogression das Ergebnis weiter herab: Heraus kommt fast eine Nullnummer! Außerdem wurde die sehr wichtige und beliebte Forderung nach einem Mindestbetrag von 200 Euro in den Verhandlungen einfach fallengelassen.
Die Enttäuschung gerade der kämpferischen Kollegen widerspiegelte sich darin, mit welch großer Mühe es der ver.di-Führung erst in einer zweiten Abstimmung gelang, für diesen Abschluss eine Mehrheit in der Bundestarifkommission durchzusetzen. Allerdings stimmten 74% in einer Mitgliederbefragung für diesen Abschluss.
IG Metall – die Mitgliedschaft war kampfbereit!
Bei der IG Metall lief es – wenigstens oberflächlich betrachtet – etwas besser. Ein besserer Anschein musste tatsächlich herbeigeführt werden – angesichts der machtvollen Warnstreiks, die den Kapitalisten wirklich Angst einjagten. Denn das deutsche Kapital genießt gerade eine Sonderkonjunktur. Diese kann mitten in der Finanz- und Schuldenkrise eben wegen dieser Krise auch schnell wieder vorbei sein. Da waren Urabstimmung und Streik eine ernstzunehmende Drohung, waren Macht und Wirkung allein schon der Warnstreiks enorm! Wer mit seinen Lieferungen an die Kunden kaum nachkommt, den schmerzt jedes nicht gefertigte Teil!! Die Auftragsbücher der Metallindustrie waren und sind (noch!) voll. Händeringend suchen die Unternehmen Hunderte und Tausende Ferienarbeiter für die Urlaubszeit, eben weil so viele Aufträge da sind! Die Kolleg/innen hatten damit tatsächlich große Macht.
Aber das war weder für die Bezirksleitung des zum „Pilotbezirk“ ausgerufenen Bezirks Baden Württemberg noch für den Hauptvorstand der IG Metall maßgebend! Jörg Hofmann, der baden-württembergische Bezirksleiter der IG Metall jammerte bereits Ende April, mitten in der Auseinandersetzung, darüber, dass ein Verhandlungstermin von der Kapitalseite erst auf die Zeit nach Ende der Friedenspflicht am 8. Mai verlegt wurde. Er erhob tatsächlich den Vorwurf, die Kapitalseite sei „auf Krawall gebürstet“. „Ich kann“, so Hoffmann damals, „hier nur nochmals die Bereitschaft der IG Metall erklären, jederzeit auch im Vorfeld zu weiteren Verhandlungsterminen zu kommen.“ Schon in der letzten Nummer warnte Arbeit-Zukunft deshalb, in dieser Stellungnahme zeige sich „der Wunsch, es bitte ohne Streik abgehen zu lassen. Hier wird gebeten und gebettelt.“
Und so kam es dann tatsächlich. Hatte Hofmann vor dem angeblich entscheidenden Termin 15. Mai dann doch noch getönt, wenn es da zu keinem Ergebnis komme, werde die Urabstimmung eingeleitet.
Am 15. Mai aber gab es kein Ergebnis, wohl aber weitere Verhandlungen, die dann in das für Aktionen schlecht geeignete verlängerte Himmelfahrtswochenende (17. bis 20. Mai!) gelegt wurden. Hier wurde dann das Ergebnis ausgefeilscht, das dann in Windeseile vom Hauptvorstand weiterempfohlen und in allen anderen Tarifbezirken übernommen wurde. Eine Urabstimmung gab es so nicht mehr!
Wie weiter?
Das sind die Tatsachen: In zwei Tarifrunden umgehen die Gewerkschaftsführungen trotz großer Kampfbereitschaft der Mitgliedschaft Urabstimmung und Vollstreik.
Es gärt unter den Arbeiter/innen und Angestellten. Immer stärker wird über die Verbesserung der Situation innerhalb der Gewerkschaft diskutiert und gestritten.
Die Basis hat Rechte und Instrumente, um sich selbst für die Verbesserung der Lage einzusetzen:
* Die Forderung nach Urabstimmung und Streik, nach verbessertem Streikrecht muss jetzt zum Thema gemacht werden, nicht erst wieder in den nächsten Tarifrunden! Die selbständige Entscheidung der Mitglieder über Kampf und Streik muss wieder Normalfall werden, keine Notlösung, wenn die Bsirske und Huber ausnahmsweise mal nicht weiterkommen. Es muss zum Thema werden, dass es nur ein völlig deformiertes Streikrecht und ein entsprechendes Streikverständnis bei vielen Vorständen gibt. Wenn schon ein Oskar Lafontaine sich für ein uneingeschränktes Menschenrecht auf Streik einsetzt – mit hunderten anderen Gewerkschafter/innen und Nichtgewerkschaftern, – dann muss das für alle kämpferischen Kolleg/innen an der Basis auch ein Thema sein!
* Die Debatte über die nächste Tarifrunde zumindest in der IG Metall kann und muss gleich nach dem Sommer wieder eröffnet werden. Die nächste Forderung sollte hoch sein! Und: Wie lange wollen es sich die Mitglieder gefallen lassen, dass ihre populären Festgeld- bzw. Mindestbetragsforderungen (2012 forderten viele Metaller/innen: Mindestens 200 Euro!), von den Vorständen abgebügelt werden?
* Die Vertrauensleute müssen möglichst überall in den Betrieben initiativ werden, die Debatte an der Basis führen und in ihren Versammlungen zusammenfassen.
* Mitgliederversammlungen müssen die Forderungen diskutieren. Hier können alle Mitglieder mitmachen und Beschlüsse fassen! Auch Treffs und Gruppen von interessierten Mitgliedern, in den die Probleme diskutiert werden, sind ein gutes Mittel! Es müssen wieder echte Diskussionen und Debatten an der Gewerkschaftsbasis geführt werden! Nur so kann die Gewerkschaftsbewegung sich politisieren und ihren gesamtgesellschaftlichen Anspruch einlösen.
* Gehen wir auch auf die vielen unorganisierten Kolleg/innen zu, die die Streiks unterstützten. Gewinnen wir sie für die Mitgliedschaft und dafür, die kämpferische Basis der Gewerkschaften zu stärken!
* Beschlüsse der Vertrauensleute und ggf. von Mitgliederversammlungen müssen in die Delegierten- und Vertreterversammlungen getragen und dort vorgestellt werden. Dafür gibt es an der Basis gewählte Delegierte, die im Auftrag der Mitglieder arbeiten, die sie gewählt haben. Diese können Anträge an den Gewerkschaftstag zu den genannten Themen vorbereiten.
Wir sind nicht so machtlos, wie es viele Mitglieder und Sympathisanten der Gewerkschaften oft beklagen. Es gibt innerhalb der Gewerkschaften einiges zu klären! Wer soll das voranbringen, wenn nicht alle kämpferischen Menschen an der Basis gemeinsam?
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