Eine Hartz-IV-Bezieherin aus dem Kreis Karlsruhe konnte aus gesundheitlichen Gründen keine Bewerbungen schreiben. Der Betroffenen wurde aufgrund einer schwerwiegenden Erkrankung der linke Unterarm amputiert. Auch der zweite verbliebene Arm erkrankte und machte somit das Schreiben von Bewerbungen unmöglich. Dennoch beharrte das zuständige Jobcenter auf eine getroffene Eingliederungsvereinbarung und kürzte trotz ärztlichen Gutachten die gesamten Hartz IV-Leistungen erst um 30, dann um 60 und zum Schluss um 100 Prozent. Lediglich Lebensmittelgutscheine verblieben am Ende der nachgewiesenermaßen schwerbehinderten Arbeitslosengeld II-Empfängerin.
Auch ein daraufhin eingelegter Widerspruch brachte keine Einsicht bei der Behörde, weshalb die Betroffene mit Hilfe eines Anwalts das Sozialgericht Karlsruhe einschaltete. Das Gericht zeigte Erbarmen und urteilte, dass eine einarmige Leistungsbezieherin nach dem SGB II aufgrund einer Verletzung des verbliebenen Armes keine Bewerbungen schreiben kann, weshalb das Jobcenter trotz der unterschriebenen Eingliederungsvereinbarung die ALG-II-Leistungen nicht sanktionieren darf. Schließlich habe die Klägerin „einen gewichtigen Grund“, die Auflagen des Jobcenters nicht einzuhalten, wie die Richter mit dem Urteil Aktenzeichen: S 4 AS 2005/11 entschieden.
Im konkreten Fall hatte eine 1959 geborene schwerbehinderte Frau geklagt, deren linker Unterarm vor einiger Zeit bereits operativ entfernt wurde. In einer Eingliederungsvereinbarung hatte sie sich gegenüber dem Leistungsträger verpflichtet, mindestens zwei Bewerbungen je Monat an potentielle Arbeitgeber zu versenden. Weil der Gesundheitszustand der Klägerin sich verschlechterte, konnte die Frau die Auflagen „mehrfach nicht einhalten“, weshalb das Jobcenter die Ansicht vertrat, nunmehr den gesamten Hartz IV-Regelsatz für drei Monate komplett zu streichen. In dem Bescheid hieß es, die Leistungsbezieherin habe „keine Eigenbemühungen für einen neue Arbeitsstelle nachgewiesen“. Lediglich Lebensmittelgutscheine wurden der schwerkranken Frau seitens des Jobcenters zugebilligt.
Während der Verhandlung vor Gericht berichtete die Betroffene, dass auch ihr verbliebener rechter Arm große Gesundheitsprobleme verursache. Daher habe sie sich einer weiteren Operation am rechten Arm unterziehen müssen. Weil der linke Arm bereits fehlt und der rechte Schmerzen und neurologische Empfindungsstörungen verursacht, konnte sie der Forderung nicht nachkommen. Die Aussagen wurden durch mehrere Gutachten durch die behandelnden Ärzte bestätigt. Zudem leide die Klägerin Schäden an der Wirbelsäule, wie ein Orthopäde feststellte.
Nach all dem Vorgetragenen konnten die Sozialrichter nicht anders, als alle Sanktionen als rechtswidrig einzustufen. Da die Hartz-IV-Bezieherin nur noch ein Arm hat und zudem unter schweren Gesundheitsproblemen des anderen Arms leidet, kann sie ohne Hände keine Bewerbungen schreiben. Das Jobcenter wurde dazu verurteilt, alle gekürzten Leistungen zu erstatten. (sb)
Wir danken www.gegen-hartz.de und dem Autor für die Genehmigung zur Veröffentlichung. Der Originalartikel steht unter:
Über das Jobcenter Karlsruhe und seinen Umgang mit einem Blinden haben wir bereits im Oktober 2010 unter http://www.arbeit-zukunft.de/index.php?itemid=1580 berichtet.