ZWANGSARBEIT – Die Deutschen, die Zwangsarbeiter und der Krieg
Der Eingangsbereich ist noch hell, doch dann werden die Räumlichkeiten dunkler, düsterer. Die Gespräche der Besucher verstummen von selbst oder werden nur noch leise geführt – zu beklemmend sind die Ausstellungsobjekte, mit denen der Besucher auf zwei Stockwerken in der Alten Werkstatt und der Markenstube der ehemaligen Dortmunder Zeche Zollern konfrontiert wird.
„Im Zweiten Weltkrieg wurden in Deutschland auf nahezu jeder Baustelle und jedem Bauernhof, in jedem Industriebetrieb und auch in Privathaushalten Zwangsarbeiter ausgebeutet. Dort wie in den besetzten Gebieten mussten insgesamt über 20 Millionen Männer, Frauen und Kinder aus ganz Europa als „Fremdarbeiter“, Kriegsgefangene oder KZ-Häftlinge Zwangsarbeit leisten.
Die Ausstellung ‚Zwangsarbeiter‘ erzählt erstmals die gesamte Geschichte dieses Verbrechens und seiner Folgen nach 1945.“ (Aus dem Informationstext der Veranstalter)
Dem Besucher der Ausstellung werden in zahlreichen Photos, Originaltexten und -briefen die Greueltaten der Nazis vor Augen und Ohren geführt, denn es gibt zahlreiche Tondokumente, die man sich in deutscher, in englischer oder in der Originalsprache der zu Wort kommenden Opfer anhören kann.
Verantwortlich für die Verbrechen waren nicht nur die Nazis. Auch der kleinste Betrieb, vor allem aber die großen Rüstungs-, Bergbau- und andere Industriebetriebe profitierten von der Zwangsarbeitern – sie mussten die durch die an die Front geschickten deutschen Soldaten fehlenden Arbeitskräfte ersetzen. Sie wurden mit Gewalt aus ihrer Heimat verschleppt nach Deutschland oder in die von den deutschen Faschisten und den sie stützenden deutschen Kapitalisten eroberten Gebiete gebracht. Allein im ersten Jahr nach dem Überfall Hitler-Deutschlands auf die Sowjetunion wurden mehr als 3 Millionen Sowjetbürger als Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter geraubt; sie mussten unter den menschenunwürdigsten Bedingungen z.B. am Polarkreis arbeiten – von ihnen starben während des Transport, durch Krankheiten, durch Mord, durch Entbehrungen etwa 2 Millionen.
Von den deutschen Faschisten wurden vor allem zwei Gruppen in die Zwangsarbeit gezwungen: das waren zum einen die Menschen angeblich minderwertiger Rassen wie Juden, Sinti und Roma und die „slawischen Untermenschen“, zu denen auch die Menschen der Sowjetunion gehörten; das waren zum anderen ihre politischen Gegner wie Sozialdemokraten, Kommunisten, Gewerkschaftler. Beide Gruppen wurden allerdings unterschiedlich behandelt. Wohl jeder weiß, dass über einigen KZ-Eingangstoren die Behauptung stand „Arbeit macht frei“. Das war nicht nur zynischer Hohn, sondern gab einen Teil der Nazi-Ideologie wieder. Durchgeführt werden sollte z.B. die „Endlösung der Judenfrage“ und die „Arisierung“, durchgeführt werden sollte aber auch die „Endlösung der Kommunistenfrage“. Bei den als Juden bzw. Untermenschen eingestuften Menschen führten die Nazis zur „Endlösung“ die berüchtigte Selektion durch: wer noch nicht oder nicht mehr arbeitsfähig war (Kinder, Kranke, alte Menschen…), wurde z.B. in der Gaskammer gleich umgebracht; wer noch kräftig genug war, wurde anders umgebracht: er wurde zur Zwangsarbeit selektiert – für ihn galt als „Endlösung“ die „Vernichtung durch Arbeit“.
Für die politischen Häftlinge aus dem Deutschen Reich galt jedoch die „Erziehung durch Arbeit“, und diese Arbeit sollte sie angeblich „frei“ machen, deshalb auch der Spruch am KZ-Eingang. Die politischen Gefangenen hatten insofern Glück, als sie von den Nazis als „Arier“ angesehen wurden und damit „lebenswert“ waren…
Ich habe in der Ausstellung fast vier Stunden verbracht und hatte auch dann noch längst nicht alles gesehen und gehört; doch ich war auch kaum noch in der Lage, weitere Schreckensdarstellungen aufzunehmen.
Die Ausstellung war schon in Berlin zu sehen und in Moskau, sie wird nach Dortmund in Warschau, Paris und Prag gezeigt werden. In Dortmund ist sie noch bis zum 30. September in den Räumen der ehemaligen Zeche Zollern zu sehen.
Über die Ausstellung gibt es eine hervorragende Dokumentation mit dem Titel „Zwangsarbeit.“ – sie ist im Buchhandel zu erhalten für 19,80 € unter der ISBN-Nr. 978-3-8375-0706-5. In ihr sind zahlreiche in der Ausstellung gezeigte Exponate abgebildet. Dennoch empfehle ich jedem, der es irgendwie einrichten kann, sich die Ausstellung selbst anzusehen. Der Weg nach Dortmund ist nie zu weit…
(Ein Genosse aus Re)