Korrespondenz: Gewerkschaften: Schule der ArbeiterInnen!

Ich möchte euch von meinen persönlichen Erlebnissen berichten, wie ich trotz einiger Kritikpunkte mich entschieden habe in die Gewerkschaft einzutreten.

 

Nach etlichen Bewerbungen endlich Ausbildungsplatz!

Angefangen hat alles, als ich mit 17 Jahren (1998 in Krefeld) einen Ausbildungsplatz suchte und nach etlichen Bewerbungen und Vorstellungsgesprächen schließlich doch einen Ausbildungsplatz sogar im gleichen Viertel, wo ich wohnte, gefunden habe. Im Viertel, wo ich damals und heute immer noch lebe, gab es damals noch viele Textilfabriken bzw. Firmen. Übrigens: Krefeld ist bekannt für seine Textilindustrie, Krefeld bezeichnet sich auch als Samt- und Seidenstadt. Ich hatte nie vor,einmal eine Ausbildung als Produktgestalter/Textil (Musterzeichner-Textil) anzutreten, doch der Ausbildungsmarkt war früher wie auch heute nicht gerade rosig (Ausbildungsplatzmangel), man musste die Lehrstelle nehmen, die man ergattern konnte. Schließlich verkauft man als Arbeiter/Arbeiterin seine Arbeitskraft an den Arbeitgeber, egal welchen Job man hat.

Ich hatte vor meiner Ausbildung auch noch nie etwas von diesem Beruf gehört und nicht gerade ein zeichnerisches Talent. Aber um nicht ohne Ausbildungsplatz dazu stehen, habe ich die Herausforderung angenommen. Anschließend wurde ich nach Ende der Ausbildung übernommen und habe schließlich dort bis Anfang 2009 gearbeitet. Bin erst im 2. Jahr meiner Ausbildung in die Gewerkschaft eingetreten, da ich es leider erst dann für notwendig gehalten habe, mich in der Gewerkschaft zu organisieren. Doch auch heute, wo ein riesen Mangel an Ausbildungsplätzen herrscht, führen die Gewerkschaften bzw. ihre Jugendorganisationen Kampagnen gegen diese Umstände durch. Und auch für diejenigen,die einen Ausbildungsplatz haben, ist es auch sehr notwendig, sich in den Gewerkschaften zu organisieren, denn gerade innerhalb der Ausbildung können Probleme wie ausbildungsfremde Tätigkeiten auftauchen, dann braucht man Unterstützung von der eigenen Organisation – die Gewerkschaft.

 

Gewerkschaftlich organisieren ein Muss!

Der Grund, warum ich später in die Gewerkschaft eingetreten bin, war nicht der, dass ich von der Gewerkschaft nichts wusste, sondern dass ich Kritik hatte in der Hinsicht, dass sie in den Tarifrunden z.B. nicht richtig durchsetzungsfähig war. Auch hörte man innerhalb des Betriebes kaum was von der Gewerkschaft. Andere Gründe einer Nicht-Mitgliedschaft waren auch, dass die Gewerkschaft bei der Durchsetzung von tariflichen und politischen Forderungen nicht konsequent blieb. Außerdem gab es im Betrieb, wo ich arbeitete, eine Betriebsvereinbarung, die vor meiner Beschäftigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat unter Tolerierung der Gewerkschaft abgeschlossen worden war. Da ging es darum, dass wir pro Arbeitstag eine halbe Stunde mehr gearbeitet hatten, die nicht vergütet wurde. Hinzu kommt, dass wir immer 9 % weniger Lohn als der richtige Tariflohn bekommen haben. Der Organisationsgrad der Gewerkschaft im Betrieb war auch niedrig. Und die Kollegen redeten nicht gerade positiv von der Gewerkschaft. Ich erkannte mit der Zeit, dass es trotz aller Kritik nichts bringt, wenn man die Gewerkschaft nur von draußen kritisiert, sondern man muss mit anpacken, sich organisieren und wenn Kritik nötig ist, als ein Teil dieser Organisation Kritik ausüben. Dies bezüglich, also über die Notwendigkeit, sich in den Gewerkschaften zu organisieren und sich an dem gewerkschaftlichen Kampf zu beteiligen, sagt Karl Marx folgendes: „Im gewerkschaftlichen Kampf vollzieht der Arbeiter seine politische Lostrennung von der Bourgeoisie, schafft er sich mit den Gewerkschaften eigene Klassenorganisationen, deren Ziel es ist, die Konkurrenz der Arbeiter untereinander aufzuheben.“1 Die Gewerkschaft ist die Organisation der ArbeiterInnen. Und wir müssen uns als ArbeiterInnen zusammentun, um ein menschenwürdiges Leben zu bekommen. Hierzu sagt Karl Marx:

Das Proletariat ist seit seiner Existenz gezwungen, für ein menschenwürdiges Dasein gegen die Bourgeoisie zu kämpfen.“ 1

 

 

Aktiv im Betrieb und Gewerkschaft!

Ich war anfangs nicht aktives Mitglied in der Gewerkschaft, weil ich fast nur außerhalb des betrieblichen Lebens mich aktiv engagierte für bessere Arbeits- und Lebensbedingungen. Bis ich dann merkte, dass dies ein großer Widerspruch ist. Denn gerade um was zugunsten der ArbeiterInnen zu verändern, reicht es nicht, nur draußen aktiv zu sein, gerade der betriebliche Kampf ist ein wichtiger Faktor. Man sollte, um die Lebensbedingungen der Mehrheit in diesem Land zu verbessern, da, wo man arbeitet, wo man zur Schule oder an der Uni studiert, sich aktiv einbringen und engagieren.

(Absatz:) Nun zurück zu meinen persönlichen Erfahrungen. Als wir im Betrieb einen neuen Chef bekommen hatten, wurden die Bedingungen noch schlechter als vorher, der Druck seitens der Geschäftsführung stieg noch mal an. Wir hatten nur offiziell einen Betriebsrat. Viele KollegInnen kannten noch nicht mal die Namen der Interessenvertreter. Da die Betriebsratsmitglieder keinen Kontakt zur Belegschaft hatten, setzten sie sich auch nicht so für uns ein, wie man das eigentlich ja machen sollte. Da ich es auch satt hatte, nur darüber zu nörgeln und nicht selber Schritte gegen die Missstände im Betrieb (streichen: etwas) zu unternehmen, entschied ich mich, (streichen: etwas) dagegen konkrete Schritte einzuleiten. Nach etlichen Gesprächen mit KollegenInnen entschied ich mich dafür, für den Betriebsrat zu kandidieren. Nachdem ich mit vielen KollegenInnen über die Missstände redete und viele persönlich aufsuchte, wurde ich mit den meisten Stimmen in den Betriebsrat gewählt. Im Vorfeld hatte ich auch mit einigen Betriebsratsmitgliedern gesprochen, ob sie nochmals kandidieren würden – deren Aussage war eigentlich ganz klar: auf keinen Fall würden sie kandidieren und sich das antun. Jedoch – welch ein Zufall, wahrscheinlich ohne vom Chef beeinflusst zu sein! – entschieden sich diese am letzten Tag, an dem die Kandidatur der Beschäftigten abgeschlossen wurde, nochmals zu kandidieren. Innerhalb des Betriebsrats gab es zwar leider mehrheitlich eine Position, die sich eher den Interessen des Arbeitgebers einordnete, aber hin und wieder gab es auch Erfolge, die man dort in diesem Gremium verbuchen konnte. Es kam zu neuen Mitgliedern der Gewerkschaft. Obwohl die zuständige Gewerkschaftssekretärin uns selten aufsuchte und so auch uns nicht optimal unterstützen konnte, war das für mich kein Grund, mich von der Gewerkschaft trennen, sondern (streichen: so welche) Dinge zu Sprache zu bringen und zu ändern versuchen. Ich entschied mich nach einigen Gesprächen mit guten Freunden schließlich, mich bei der Gewerkschaft als Gewerkschaftssekretär zu bewerben. Schließlich arbeite ich seit 2009 in der Gewerkschaft als angehender Gewerkschaftssekretär. Eine Erfahrung, die ich auch bis jetzt erleben konnte, ist folgende:

Die Betriebe, in denen wenige ArbeiterInnen in den Gewerkschaften sind, sind meistens die Betriebe, in denen die Probleme der Beschäftigten sehr vielseitig sind, denn in solchen Betrieben kommt es kaum zu einem Widerstand gegen Verschlechterung der Arbeitsbedingungen. Bei Betrieben, in denen viele in der Gewerkschaft sind, da trauen sich die Arbeitgeber eher nicht, die Errungenschaften der ArbeiterInnen in Frage zu stellen. Nur: eine Mitgliedschaft reicht nicht aus, wenn man etwas verändern möchte – man muss sich auch aktiv in den Gewerkschaften beteiligen!

 

Gewerkschaften = Kampforganisation der Arbeiter!?

Die Gewerkschaften sind ursprünglich die Kampforganisationen der ArbeiterInnen. Sie haben eigentlich zwei Ziele: einmal die Arbeits- und Lebensbedingungen zu verbessern und einmal, eine Gesellschaft aufzubauen ohne Lohnarbeit. Beide Ziele gehören zusammen und man sollte sie nicht voneinander trennen.

Jedoch sehen das sicherlich einige Gewerkschaftsfunktionäre anders und handeln dann auch so. Und es gibt sicherlich viele ArbeiterInnen in den Betrieben, die das in der Praxis der Gewerkschaften anders erlebt haben. Aber es gibt auch positive Beispiele. Man kann sich darüber streiten, ob die Gewerkschaften zu Zeit Kampforganisationen sind oder nicht. Aber das Wichtigste ist: wenn sie Kampforganisationen sind, muss man sich dort organisieren, denn alleine kann man nichts erreichen; und wenn sie es nicht sind, dann erst recht hinein, um sie dorthin zu bringen! Um im Betrieb bessere Bedingungen zu schaffen, muss man sich zusammen tun, sich organisieren, denn die Stärke aller ArbeiterInnen liegt in ihrem Zusammenhalt und gemeinsamem Handeln. Ich möchte meinen Text mit den Worten, mit denen Ernst Thälmanns Buch betiteltet, ist beenden: „Erfüllt die Gewerkschaften mit dem Geist des Klassenkampfes!“

MH

 

1 Vorbemerkung zu: Marx/Engels über die Gewerkschaften, Berlin 1979, S.7.